ZaunköniG                            Engel der Nacht

© beim Autor

* 1972

 

Schlaf ein und laß dich in den Schlummer gleiten.

Die Dämmerung hüllt dich in ihre schwingen.

Kein Opfer, kein Tribut und kein Bedingen;

Die Nacht verspricht dir alle Süßigkeiten.

 

Nur Mut, laß dich von den Instinkten leiten,

die nebelweich in jede Pore dringen.

Nun, dieser Augenblick soll dir gelingen.

Du hast, genauso wie das Meer, Gezeiten.

 

Laß deine Fesseln los, befreie dich;

Ein Heilsversprechen sei die Silberfracht.

Mach dich nur nicht mit dieser Welt gemein!

 

Das willst du hören! Trau dir! Trau dich! sprich:

„Kraft meines willens wandelt sich die Nacht!“

Schließ deine Augen; Du bist nicht allein.

 

 

 

Schlaf ein und laß dich in den Schlummer gleiten,

Schlaf schuldlos, unbescholten, unverdächtigt.

Sei sorglos, wer sich dir des Nachts bemächtigt;

Vertrau der Frau, vertrau den Eingeweihten.

 

Die Sinne schmeicheln deinen Eitelkeiten:

Auch du bist für dein kleines Glück berechtigt;

Nur Nähe, einmal nicht allein genächtigt. –

Die Leuchtspur brennt sich durch die Dunkelheiten.

 

Nun wünsch Dir was, doch ohne ein Verlangen;

Bleib wiegsam und beweglich, bis die Morgen-

strahlen sich am Himmelsufer ballen.

 

Zu schnell, ja, viel zu schnell ist es vergangen.

Bis dahin: fühl dich frei, leicht und geborgen.

Was Du Dir wünscht: Ich weiß es. Laß dich fallen!

 

 

 

Die Dämmerung hüllt dich in ihre Schwingen.

Ich bin, sobald Du an mich denkst, zugegen.

Laß sich nur das Taggeklingel legel.

Laß Deine Nacht und meine sich durchdringen,

 

So wie sich Wolken wandelnd fortbewegen,

zwei Töne im Akkord zusammenklingen.

Was wir am andern je, an uns, begingen;

Für eine Nacht wird unser Fluch zum Segen.

 

Sei’s Schicksal, Zufall, Unfall, großer Plan:

Wir kennen uns; Was uns zusammentreibt

wird mit dem ersten Sonnenstrahl zerfallen.

 

Wir flohen nie die vorbestimmte Bahn,

die dich uns druckvoll ins Gedächtnis schreibt.

Die Sehnsucht schwelgt und steigt in Intervallen.

 

 

 

Kein Opfer, kein Tribut und kein Bedingen.

Öffne heute Nacht die Tür’n und Fenster.

Glaub dem Traum und um so heller glänzt er. –

Und glaube an dich selbst vor allen Dingen.

 

Kann Dein Gedanke nicht die Welt durchdringen!?

Ich sag Dir etwas über Nachtgespenster:

Die Welt ist um so kleiner und begrenzter,

je mehr wir sie in Wirklichkeiten zwingen.

 

Du sprengst im Traum die körperlichen Grenzen

von Raum und Zeit. Der Seele Eigenleben

fällt mit den Idealen überein,

 

die du gern predigst und in Feuertänzen

wirst du ins Unermeßne streben.

Nun flieg! Du kannst nur flüchtig glücklich sein.

 

 

 

Die Nacht verspricht dir alle Süßigkeiten

all das, was du aus deinen Sternen liest.

Ein Funken leuchtet vor dir auf, du bliest

das Feuer an; Nutz die Gelegenheiten

 

und fach dich an. Du kannst auf winden reiten. –

Steck die Nacht in Brand und fang das Biest

bevor dein Licht zu Asche sinkt. – Du liest

im Glost aus den verbrannten Opferscheiten

 

was war, was wäre, wünschenswert und echt –

Was solls, - denn diese Nacht steht dir im Haben.

Und so, wie Taglicht die Erinnrung schwächt,

 

so steht sie nächtlich wieder auf, erhaben,

und fängt dich mit den selben Bildern ein.

Dein ganzes Glück für diese Nacht ist Schein.

 

 

 

Nur Mut, laß dich von den Instinkten leiten,

denn kein Gebot reicht dir und mir zum Segen;

wir sind verflucht und dennoch, - nein: deswegen

sind wir noch frei zu lieben, Und zum zweiten

 

machts vergessen manche Nichtigkeiten.

es gilt nun deine Taglast abzulegen;

mich fliehts alsdann nahsüchtig dir entgegen,

dich durch sturm und Dunkel zu begleiten.

 

Stell keine Fragen, ich antworte allen!

Du brauchst mich nicht durchforschen, nichts zu wissen.

Du sähest nur das selbe, was ich sähe.

 

Vertrau. Ich will, genau wie du, nur Nähe.

komm, füll’n wir dieses ziellose Vermissen.

Du kannst mir gut, und ich kann dir gefallen.

 

 

 

Die nebelweich in jede Pore dringen, -

kennst Du sie auch? – Man schilt sie oft Dämonen;

Nur Aberglaube rührt an den Hormonen –

Nur ruhig Blut – und wie gekommen, klingen

 

auch Deine Phantasien und Visionen

bald wieder ab. Willst du noch mehr, bedingen

sie unbedingten Glauben, Halt dich, zwingen

sie Dir ihr Regelwerk, sich als Ikonen

 

auf, nur an mich. Sei frei und wohl behütet:

Und nur ein leichter Druck zeigt an: Du lebst!

Dein Herz pulsiert in meiner Hand; so hebst

 

du meine Ewigkeit kurz auf; Vergütet

sei Dir dann reich dein haltlos trautes Fallen.

Trau, nur für diese Nacht, den Nachtigallen.

 

 

 

Nun, dieser Augenblick soll Dir gelingen,

so wie Du diesen Augenblick gekannt.

Es führt von Dir ein unsichtbares Band

zu mir, durch die Unendlichkeit zu dringen.

 

Begreife: Führ dies Haar durch deine Hand;

Es wird Erinnerungen wiederbringen

und Deins in gleicher Welle widerschwingen.

Ein leichter Lufthauch schürt den Lockenbrand

 

und nächtlings läutert dich die Funkengischt.

Ich suche, bis der Erbfluch eingelöst,

nach einer Rückkehr aus dem Dein und Mein

 

ins Eine, das mir jeden Tag erlischt.

So nimm mich wenn der Mond durchs Fenster stößt,

doch laß mich fliehen, bricht der Tag herein.

 

 

 

Du hast, genauso wie das Meer, Gezeiten.

Im Tagesrhythmus steigt und sinkt Dein Blut.

Bewahre Dich, begegnet Flut der Flut,

vor Unterströmung und den Widrigkeiten

 

scherender Dynamik deiner zweiten

Welle, die den aufgepeitschten Sud

befällt und stürzen kann. Sei auf der Hut:

Du mußt dich auf die Sturmfahrt vorbereiten.

 

Dein Herz als Kompaß soll den Weg beschreiben,

Doch, kannst Du seiner groben Richtung trauen?

Nicht immer führt der grade Weg ins Heil.

 

Nun wünsch nicht mehr. Ein Ahnen soll Dir bleiben.

Dein Frieden liegt im Weichen, Ungenauen.

Der Pferdefuß steckt oftmals im Detail.

 

 

 

Laß deine Fesseln los, befreie dich.

Die Nacht kann dich, doch du die Nacht nicht wandeln.

Du solltest nur an Änderbarem handeln.

Ganz wie ein Traum so oft dem andern glich,

 

so gleichen sich die Sterne. Hüte dich,

zur Nacht mit Traumgespinsten anzubandeln. –

Ein Gruß genügt, en freier Dank, verhandeln

wir nicht um Haupt und Herz, um Treff und stich.

 

nicht meine Gegenwart ist dir verderblich;

Ich bin nicht glutgezeugt, nicht schaumgeboren;

Ich lebte nie wie du. Ich war nie sterblich.

 

Der Tod, doch auch das Leben ist vererblich,

wird reife Frucht zu jungem Wein vergoren.

Vergiß! Dein letzter Traum sei dir verloren.

 

 

 

Ein Heilsversprechen sei die Silberfracht;

Der Mond ist jede Nacht drselbe, nimmt

er ab und zu auch andre Form an, schwimmt

er gravitätisch durch die Sphären, macht

 

er dir den Hof, voll, oder abgeflacht

im Übergang, ob blaß bei Tag; es stimmt:

Wenn schon kein Funken längs dem Umriß glimmt,

dreht sich der Lichtstrahl und in alter Pracht

 

erstrahlt er neu. Das Licht spielt in den Locken

und spiegelt dir sein Abbild unters Lid...

Wie Waisenkinder beieinander hocken, -

 

Wie man Vertrauen  sucht, und doch die Nähe mied,

umkreisen wir uns durch die Nacht, als Flocken,

So machtlos, was im eignen Traum geschieht.

 

 

 

Mach dich nur nicht mit dieser Welt gemein

und spür der Stille nach, die dich durchsummt.

Das greifbar, offensichtliche verdummt

und hält die tiefren Dimensionen klein.

 

Genug. – Bald reißt im Ost der Himmel ein; -

Schon ist dein samtnes Nachtgewand zerlumpt.

Steh auf; noch schlägt dein Herz und pocht und pumpt,

und will doch mehr als nur die Pumpe sein.

 

So halt die Augen offen und Du siehst

Zephyre und Gespenster in den Bäumen; -

Ich komme wieder nächste Nacht, derweil

 

du noch den Stich der Abendsonne fliehst.

Doch wenn wir unser Glück zur Unzeit träumen,

verspiel’n wir schlafend unser Seelenheil.

 

 

 

Das willst du hören. Trau dir! – Trau dich! sprich:

„Ich will!“ – und wär dein Wort auch kaum ein Windlicht,

so sei’s, so lang es brennt wahr und verbindlich, -

Nur deutels nicht zu lang auf Punkt und strich;

 

Du fragst so vieles, wißbegierig, kindlich, -

Was uns jedoch verbindet, dich und mich,

das kommt wann’s will und es verflüchtigt sich

und bleibt im Grunde immer unerfindlich.

 

Du spürst die Hand, die ich ans Tiefste lege –

Kurz vor dem Morgen wird erneut die sucht groß...

Gib deiner Nachtmar nocheinmal die Sporen,

 

dann laß mich los und geh’ die eignen Wege.

Ich bleibe Traumfrau, meine Liebe fruchtlos, -

Vergiß, und du wirst täglich neu geboren.

 

 

 

Kraft meines Willens wandelt sich die Nacht,

Nur ich blein unverändert, überzeitlich.

Was dir als Schicksal gilt, als unvermeidlich,

ist wirkungsmächtig nur für dich; gemacht

 

für Sterbliche. Du schwankst, doch hältst dich leidlich,, -

fürcht nicht um mich, nimm auf dich selber acht.

Du hast mir dein Vertrauen dargebracht; -

Mein Dank; darum genieß die Nächte weidlich,

 

und wahr sei dir der Traum zur rechten Zeit.

Doch wenn er dir zerrinnt, wach auf: es tagt!

Nicht bleibt, auch was am Tag mit dir geschieht

 

ist Fraß und Ausdruck der Vergänglichkeit.

Und macht dich die Erinnerung verzagt:

Vergiß, was Du gesehen hast. Lilith.

 

 

 

Schließ deine Augen; du bist nicht allein.

Was Du dir wünscht; ich weiß es. Laß dich fallen.

Die Sehnsucht schwelgt und steigt in Intervallen.

Nun flieg! Du kannst nur flüchtig glücklich sein.

 

Dein ganzes Glück für diese Nacht ist Schein.

Du kannst mir gut, und ich kann dir gefallen:

Trau nur für diese Nacht den Nachtigallen,

doch laß mich fliehen, bricht der Tag herein:

 

Der Pferdefuß steckt oftmals im Detail:

Vergiß! Dein letzter Traum sei dir verloren.

So machtlos, was im eignen Traum geschieht,

 

verspieln wir schlafend unser Seelenheil.

Vergiß, und du wirst täglich neu geboren.

Vergiß, was du gesehen hast. Lilith.