ZaunköniG                            Verfallen

* 1972                                                  

 

 

I.

 

Ein warmer Mantel Worte soll sich um uns falten,

gewoben aus Erinnern, Wünschen und Verstehen.

Was kann man geben? Ich geb dir mein Herz zum Lehen,

Werben wider das Entfernen und erkalten.

 

Ich will dich weiter um mich, so wie in mir sehen,

um deinen Blick, drei Worte, deine Hand anhalten.

Spürst du denn nicht, was diese Stunden für mich galten?

Wie meine Innereien durcheinanderwehen?

 

Wie viele Liebesbriefe schrieb ich in den Staub

Wie viel verdarben mir noch ungesagt im Mund.

So viele Hoffnung ist mir in den Sand geflossen.

 

Sie ist mir still versickert, hinterließ mich taub.

Verstummt seh ich zurück auf unfruchtbaren Grund.

Ach, Soviel Liebe ist vergebens ausgegossen.

 

 

II.

 

Ein warmer Mantel Worte soll sich um uns falten.

Mir geht’s, so scheu’ nicht vor semantischer Umschlingung,

nur um Bekenntnis und Bezeugung statt Bezwingung.

Das erste Wort, fast stumm, gemessen und verhalten,

 

ist doch für alle weiteren die Vorbedingung.

Und es soll gelten, so wie alle Taten galten.

Die Näherungen sind nicht länger aufzuhalten;

Sie enden durch Verfehlung oder mit Durchdringung.

 

Ich schuf ein Gleichnis, aber die Vergleiche hinken.

Ein Mißverständnis hat mich allzu oft verschaukelt;

so rühr mich an; die falschen Bilder wär’n vergessen.

 

Ich bin ja schon dabei, die Götzen abzuschminken,

die mir ´ne allzu flache Seele vorgegaukelt,

Und doch so schwer mein Herz und meine Augen nässen.

 

 

III.

 

Gewoben aus Erinnern, Wünschen und Verstehen

umschließt der Mantel uns eng, wohligwarm und bündig.

Nimm mich beim Wort, vertraue mir und du wirst fündig,

und wo noch Doppeldeutigkeiten fortbestehen;

 

So nimm sie an: Das Leben ist halt doppelgründig.

Sieh mich an, und du wirst einen Menschen sehen;

komm mir entgegen, und ich werde mit dir gehen.

Küß mich nur einmal und die Liebe würde mündig.

 

Der Abendwind scheint mir die Antwort zuzufächeln,

Und sollte mich die schwarze Nacht zur Neige trinken;

Das Wort bleibt wahr und wert, verhalten und gemessen.

 

Der Mond hat Weisung zunehmend für dich zu lächeln;

Er von der rechten Seite – ich wach’ dir zur linken;

So nimm es an, geb ich von meinem Herz zu essen.

 

 

IV.

 

Was kann man geben? Ich geb’ dir mein Herz zum Lehen.

Mein Bild von dir war frei und falsch, die Täuschung chronisch.

Ich hielt die Werte, Ideale für kanonisch.

Ist’s Glaube? oder Leichtsinn? Liebe erst verstehen

 

und vergehen. Unsre Bahnen laufen konisch

aufeinander zu, ein Schnitt, - und weitergehen.

Die Berührung löst sich... „auf ein Wiedersehen...“

Ich hätt’ dich weiterlieben können, auch platonisch.

 

Du liebtest mich nicht wieder, doch ich hielt dich wert,

und daß du mich schätzt, daß es wahre Freundschaft sei;

ein anderer Gedanke galt mir ausgeschlossen.

 

Hab’ deine Windungen für Schmiegsamkeit geehrt,

doch mein Entgegenlieben blieb dir Schmeichelei.

Mit klarem Blick war’n helle Träume aufgeschossen.

 

 

V.

 

Ein Werben wider das Entfernen und Erkalten.

Ist’s schon zu spät? Es gehn uns Tür’n um Türen zu.

Es treibt uns weiter auseinander, was ich tu,

Schon sind mir Wünsche von den Hoffnungen gespalten

 

Die Tauben wissen was ich fühl „Wo Ruh? Wo Ruh?“

Was nutzt es, neue Worte, neue Gesten zu gestalten;

Wie soll ich mich, wie kann ich mich denn noch verhalten?

Und nochmal lade ich dich ein zum Rendezvous

 

Nimm an! Mein Gruß begleitet dich auf Schritt und Tritt

Er soll dir wohlig in die Nachtgedanken sinken,

Und hast du meinen Traum am Morgen schon vergessen,

 

Dann hör, was dir der Kibitz rät: „Geh mit! Geh mit!“

Es grüßen dich die Nachtigallen, Spatzen, Finken.

Nimm an mein Wort; Verwirf dein Zweifeln und Ermessen.

 

 

VI.

 

Ich will dich weiter um mich, so wie in mir, sehen;

Ich harre weiter, Tag für Tag, auf ein Bekenntnis,

doch: Durft ich fragen? Mit uns hat’s wohl die Bewendnis,

daß nur mein Schweigen Gold wär, doch du sollst verstehen,

 

was mich bewegt, und hab ich auch für dich dich Verständnis;

Die Frage steht im raum, und auch bei Licht besehen:

Wir müssen reden können, vor uns zu bestehen.

Und wird auch schuldlos dein Bekenntnis zum Geständnis,

 

mit dem du nur ein neues Mißverständnis schüfst;

dein „Ja“ nur Lüge wär, und auch dein „Nein“ nur Lügen,

ein „Morgen“ Lüge, „Nie“ nur lügen, alles Possen...

 

Ich hoffe, daß du die Alternativen prüfst.

Mit gutem Willen wird sich Wort, wie Schweigen fügen,

Und was uns auseinandertrieb wär längst zerflossen.

 

 

VII.

 

Um deinen Blick, drei Worte, deine Hand anhalten

trat ich an, ich war so frei, nun hilft kein Klagen;

Dein Ja blieb aus, Dein Schweigen schnürt mir meinen Kragen.

Was soll ich sagen? Viel zu viele Worte prallten

 

unverstanden von dir ab. Zuerst nur Fragen,

Im zweiten Satz, dir meinen Irrtum vorzuhalten.

Die letzten Verse, um mein Scheitern zu verwalten.

So viele ungesagte ballten sich im Magen,

 

die fähig wären, mehr als Schweigen zu verletzten,

die meine Liebe langsam, Wort für Wort vergiften.

Ach, so viel Liebe ist vergebens ausgegossen.

 

Die Antwort ging daneben. Ein Vorüberschwätzen.

Sie läßt uns unverstanden auseinanderdriften,

so all die Heimlichkeiten, Halbwahrheiten, all die Possen.

 

 

VIII.

 

Spürst du denn nicht, was diese Stunden für mich galten?

Spürst du nicht auch, was jedes mal mit mir geschieht,

den Vers der in mir anklingt und mein stilles Lied?

Ich hab dir viel gesagt und vieles vorenthalten.

 

Ein altvertrautes Bild, das mir entgegensieht:

Im Zug, als ich versuche deinen Blick zu halten,

Die Wagen schneller über Gleis und Weichen knallen,

doch du bliebst Ruhepolin, nur die Landschaft flieht.

 

Uns dann: Ein andres Bild, Ein andrer Ort, Wir hatten

viel geredet, fühlten uns so nah, vertraut.

Es flackerte das Kerzenlicht beim Abendessen.

 

Nur der Moment: Es tanzten deine Wimpernschatten,

Nur der nochmal, Die Mauern, die sich aufgebaut,

die wir nicht glaubten und nicht wollten wär’n vergessen.

 

 

IX.

 

Wie meine Innereien durcheinander wehen,

Ich dachte, daß du’s weißt, ich hielt dich für verständig.

Du sahst und hörtest mich und fühltest beiderhändig,

und alle Poren wollten sich nach außen drehen.

 

Ich glaubte, ich erfaßte dich, doch allzu wendig

entglittst du mir; ich höre auf, dich zu verstehen.

Zu blaß blieb die Vision um vor dir zu bestehen.

Alles endet, aber wir sind mannigendig.

 

Zu fern, als daß zum Glück die kleine Geste reiche.

Kein unbeschwertes Fallen mehr, Ein harter Sturz,

Entferntes Frieren, bis der Wortfluß kalt gerann.

 

Zu kalt: Selbst dein Umarmen scheint nicht mehr das gleiche.

Wo ist dein Blick? Du siehst mich an, doch siehst zu kurz.

Nimm meine Liebe nicht nur hin, komm, nimm sie an.

 

 

X.

 

Wie viele Liebesbriefe schrieb ich in den Staub?

Vor dir versteinern sie zu toten Artefakten...

War’s Irrtum? Mutwill? Ein Verfehlen? Die exakten

Schicksalsschläge auf den Hinterkopf. Ein Raub

 

Der Flammen meine falsche Hoffnung, Die vertrackten

Winkelzüge; weich nicht aus! So stumm und taub

sind wir geworden. Ach, mein schöner Traum...  Ich glaub,

Ja, auch ein Irrlicht bricht das Dunkel – bis wir’s packten.

 

Ich seh nur matten Abglanz der erzielten Freuden.

Ein schönes Bild und virtuose Klangartistik...

Was sind mir denn schon Endreim, Metrik, Assonanz?

 

Mein Schreiben ist ein Schenken, Stürzen und Vergeuden.

Sind die Gedichte alle nichts als Belletristik?

Wird es dein Rosen- oder wird’s mein Dornenkranz?

 

 

XI.

 

Wie viel verdarben mir noch ungesagt im Mund?

Wie viel gesagte blieben ungehört? Ich spotte

meinen Worten nach, die unverstanden, motte

die Metaphern ein, die viel zu schwer war’n und

 

vergesse was ich will. Es bleibt nur die Marotte

mir die Leere zu pepetuieren und

vergess’ dich, bis nur Hülsen bleiben, harsch und wund.

Die Rosen hast du abgelegt zur kalten Rotte.

 

Zu weit hab ich mein Herz geöffnet, bis zur Blutung,

doch du bliebst blasse Traumfrau, bittersüße Albin,

der Art, die eilig vor dem Tageslicht verschwinden.

 

Ich sah, und sehe, bis inzwischen die Vermutung

reift, daß ich dir minder oder mehr egal bin.

Verhärtet muß ich fremdes i mir wiederfinden.

 

 

XII.

 

So viel Hoffnung ist mir in den Sand geflossen.

Die Hoffnung, ach, nichts scheint ihr weit, nichts scheint ihr endlich.

Ich nahm die Gegenseitigkeit für selbstverständlich.

Du durftest mich nicht wecken, als ich dich genossen!

 

Warum? Dem Anfang ist sein Ende immer schändlich!

Du tatest nichts? Ich weiß! Von deinem nichts umschlossen

schrak ich aus dem Traum, der so hell aufgeschossen.

Das kennen endet, - nur das Ende wird mir kenntlich.

 

Es reicht so für die Liebe nicht, auch nicht platonisch.

Was heißt das: Freund? – Wenn ich dich brauch’; wirst du dann da sein?

Ich hätte dich gebraucht, du rührtest dich nicht an.

 

Ich will nicht diese Freundesfloskel, die lakonisch

über deine Lippen kommt. Das Wort muß wahr sein.

Ich lagere im Innern Wort um Worte an.

 

 

XIII.

 

Sie ist mir still versickert, hinterließ mich taub;

Die Liebe mußte ich bemühen bis sie bricht.

Nur Tand und Flitter hießt du sprühen Schicht um Schicht,

So wirklich, bis ich andere Bedeutung glaub’

 

Dort wo die Illusionen blühen: hinterm Licht,

verbrenn’ ich dunkel mich zu Asche und zu Staub.

Ich rechne dir nichts davon an, doch mit Verlaub:

Was bleibt für’n Grund, wenn von dem frühen Glauben nicht

 

die Hoffnung bleibt, wenn sich der Trug in Nichts verliert.

Ich muß mich meiner selbst befleißen, schwarz zu weißen:

Ein mattes Grau. Ein farbenloses glüh’n du kannst

 

nicht helfen, nein. Es ist dir wohl zu kompliziert.

Ich schaff’ mir nur ein Nichts. Ein unfruchtbares Kreißen.

Ich winde dir die Perlen zum Sonettenkranz

 

 

XIV.

 

Verstummt seh ich zurück auf unfruchtbaren Grund.

der ein Vermögen in sich birgt, ja das Idyll ist

möglich. Wenn der Trauerflor einst weißer Tyll ist,

wird auch die Wüste wieder blüh’n, wirst du es kund;

 

Die hohe Liebe muß nicht enden, wie bei Phyllis,

Petrarca, wie in Shakespeares schweren Dramen, und

ich liebte mich nicht nur für schöne Verse wund,

nicht so wie Rückert einst bei seiner Amaryllis.

 

So wie Anselmus, schwach, kämpf’ ich um dein Vertrauen,

Ein neuer Vers wird dir nicht wahrer und nicht klarer.

Nimm mich beim Wort; Du sollst mich in den Taten finden.

 

Ach nein, vergiß... Ich muß ja nur mal um mich schauen...

Bist du mir Serpentina? Laura? nur Amara?

Ach, du beginnst mir in Vergleichen zu verschwinden.

 

 

 

XV.

 

Ach, Soviel Liebe ist vergebens ausgegossen,

und doch so schwer mein Herz, und meine Augen nässen.

So nimm es an, geb ich von meinem Herz zu essen!

Mit klarem Blick war’n helle Träume aufgeschossen.

 

Nimm an mein Wort, Verwirf dein Zweifeln und Ermessen

Und was uns auseinandertrieb wär längst zerflossen,

So all die Heimlichkeiten, Halbwahrheiten, all die Possen,

die wir nicht glaubten und nicht wollten, wär’n vergessen.

 

Nimm meine Liebe nicht nur hin, komm, nimm sie an!

Wird es dein Rosen- oder wird’s mein Dornenkranz?

Verhärtet muß ich Fremdes in mir wiederfinden:

 

Ich lagere im Innern Wort um Worte an;

Ich winde dir die Perlen zum Sonettenkranz.

Ach, du beginnst mir in Vergleichen zu verschwinden.

 

 

 

 

Sonette