Ernst Moritz Arndt                Klinglied 1813

1769 – 1860

Geliebtes Eiland, mütterliche Erde,

Wo ich von siebzehn schönen Jugendlenzen

Die Bäume und die Hügel sah bekränzen,

O Rügen, Land voll lieblicher Gebärde!

 

Sprich, ob ich je die Taten sehen werde,

Wovon die Bilder also lieblich glänzen,

Daß ich in andern Völkern, andern Grenzen

Stets suchen muß nach Arbeit und Beschwerde?

 

All deine süße Schöne mußt ich lassen,

All deine holde Stille mußt ich fliehen,

Ich mußt ein größres Vaterland mir suchen.

 

O diesen Stolz, werd ich ihn je erfassen?

Wirst du, Germanien, noch in Freiheit blühen,

Wo Sklaven stöhnen und Tyrannen fluchen?

 

 

 

 

 

 

 

 

Ernst Moritz Arndt                Sehnsucht

1769 – 1860

Goldschwingen trugst du – o wie goldne Schwingen –

Mein Vöglein, das so frühe mir entflogen;

Drum hat von hier der Glanz dich weggezogen,

Drum muß ich fernhin lauschen ihrem Klingen.

 

Ach, fernhin, wo in sel’gen Lichtes Wogen

Die Engel badend: Heilig! Heilig! singen,

Ach, fernhin. Mag so hoch ein Schuß gelingen,

Den Schmerz und Sehnsucht tun vom Herzensbogen?

 

Meist kommt der Pfeil zurück, der nichts getroffen,

Das Herz und Augen Tränen mir verdunkeln,

Daß mir die Ohren wie voll Glocken klingen.

 

O Himmel, wann stehn deine Pforten offen,

Daß meine Geister mir entgegenfunkeln?

Daß meine goldnen Vögel um mich singen?

 

 

 

 

 

 

Ernst Moritz Arndt

1769 - 1860

Das Herz will immer in die Weite dringen,

Das Sternenkind, die Seele, strebt zur Höhe,

Der Geist, der Flieger, stürzt sich in das Jähe,

Zur dunklen Tiefe schnellt er rasche Schwingen.

 

So war in meinem Busen wildes Ringen

Der Mächte, die ich nie mit Augen sehe,

Ein Fremdling war ich mir in nächster Nähe,

Mich selbst zu kennen wollte nie gelingen.

 

Da kommt ein himmlisch Kind mit Himmelsscheine,

Und Weite, Höhe, Tiefe, Nähe, Ferne

Sind all in mir in Maß und Klang verbunden,

 

Und Herz und Geist und Seele im Vereine

Schau’n jetzt aus mir nach Einem hellen Sterne:

Er heißt Furina und er führt die Stunden.

 

 

Ernst Moritz Arndt

1769 - 1860

Ich lese bunte Blumen in den Hainen,

Daß ich sie fernhin meiner Liebe sende.

Gar lustig gehn die Augen und die Hände,

Doch die Gedanken drinnen wollen weinen.

 

Sie sprechen: Sieh an diesen süßen Kleinen

Den Anfang aller Dinge und das Ende,

Schnell kommt des schönsten Glückes Sonnenwende

Und traurig spielst du dann mit leeren Scheinen.

 

Sie sprechen: Blüthen wir nicht bunt wie diese

In deiner Brust voll junger Frühlingsliebe?

Sind wir dir lieb nicht, o wie lieb! gewesen?

 

Kein Engel treibt dich aus dem Paradiese,

Die Stunden nicht sind deiner Freuden Diebe,

Du bist es selbst, du unruhvolles Wesen.

 

 

 

 

 

 

Ernst Moritz Arndt

1769 - 1860

                                                               Den tiefen Ernst des Lebens zu verkünden

Winkt, weis’t und spielt die Allmacht uns Geschichten!

Die Vorwelt einzig darf die Nachwelt richten,

Die Gegenwart tappt taumelnd fort mit Blinden

 

Wie mag den Weg zum Sternenlande finden,

Wer nicht, wann Wolken sich für Donner dichten,

Auf Blitzen wagt dahin den Flug zu richten,

Wo Tod und Leben in einander schwinden.

 

Drum strebe, Muth, zum alten Götterhügel,

Dem strahlenden der Sonnen, welche gingen,

Dem dämmernden der Sonnen, welche kommen.

 

Dort steht mein Bild im ungetrübten Spiegel,

Dort tragen mich der Muse Aetherschwingen

Empor in’s Land der Tapfern und der Frommen.

 

 

 

 

Ernst Moritz Arndt               

1769 - 1860

Woher, du süßes Bild aus Licht gewoben,

Um das dir Schönheit fließet, wie die Sterne

Umfließen jene Burg der blauen Ferne,

Wo Gott die Myriaden Geister loben?

 

Hast du hierher, mein Engel, dich erhoben,

Daß ich den Himmel schon auf Erden lerne,

Demüthig lieb’ und hoff’ und dulde gerne,

Das heiße Herz sehnsüchtig stets nach oben?

 

Du winktest mild, wie Himmelsliebe winket,

Und weisest auf die ewig hellen Kerzen

Dort oben, auf die bunten Blumen unten;

 

Und wie du, Süße, lächelst, sinkst und sinket,

Wie Sterne zu dem Meer, ein Licht zum Herzen,

Und in Entzückung ist das Leid verschwunden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ernst Moritz Arndt                Frage und Klage der Sehnsucht

1769 - 1860

Luna, du bist einst hinabgestiegen

Aus dem ewigheitern Göttersaal,

In des Tmolus süßverborgnem Thal

Irdisch bei Endymion zu liegen?

 

Leuchtet das unsterbliche Vergnügen,

Das dem Himmel seine Flammen stahl,

Durch der langen Wehmuth stillen Strahl

Nicht zuweilen noch in hellern Zügen?

 

Luna, deine Lieb’ ist hingegangen,

Und dein holdes Antlitz geht erblaßet

Durch die feuchten Nächte um.

 

Rede, Göttin mit den bleichen Wangen:

Blüht nicht unten, was dich einst umfasset?

Blühet im Elysium?

 

 

 

Wohl viele sind durch Liebe hoch gepriesen,

Der Thracier, der mit dem Saitenklang

Den kalten Orkus selbst zu Thränen zwang,

Und der, dem Hero durch das Meer gewiesen.

 

Noch klinget auf der Sorga Rosenwiesen

Dem Enkel oft der Laurische Gesang,

Noch weinet manches Auge süßen Dank

Des Mitleids Abelard und Heloisen.

 

Und sie, die frommste aller frommen Frauen,

Die durch die Liebe alles überwand,

Geht ohne Lieder in des Orkus Grauen?

 

O schlüge doch die Leyer meine Hand

Wie der, so vor dem Schattenkönig stand!

Dann sollten Engel sich in ihr beschauen.