Alexis Aar                               Einem Freunde

                                                               (An O. H.)

 

Wir fassen uns voll Inbrunst an den Händen,

Wir lassen Aug’ in Auge freundlich hangen,

Und doch durchbebt mich stets ein trostlos Bangen,

Daß unsre Herzen nie sich ganz verständen.

 

Denn von des Leibes dunklen Kerkerwänden

Liegt unsre Seel’ umschlossen und umfangen.

Kein Blick von Außen kann zu ihr gelangen,

Sie ist allein, bis Leib und Leben enden.

 

Nur tiefe Seufzer, klagend leises Weinen

Verraten ihr, daß rings an gleichem Orte

In gleicher Qual verlaßne Seelen trauern.

 

Da rufen sie wohl durch des Kerkers Mauern

Sich freundlich zu und tauschen Liebesworte:

Sie schaun sich nie, - verstehn sie, was sie meinen?

 

 

 

 

 

Alexis Aar                               Frage

 

Du warst mir untreu, - doch der Tod macht’s gleich.

Der Sehnsucht weicht mein Groll, der schmerzenslinden.

Weil ich dich liebt’, möcht’ ich dich wiederfinden:

Woran erkenn’ ich dich im Himmelreich?

 

Die süßen Augen, dunklen Perlen gleich,

Die längst der Tod in Ewigkeit erblinden,

Die Stimme, die Gestalt, sie müssen schwinden:

Woran erkenn’ ich dich im Himmelreich?

 

Im Grabe ruht auf Nimmerwiederkehr

Die Hülle, der die Seele sich entzogen.

Nur sie entflieht zum Himmel, odemgleich.

 

Von deiner Seele – ach! – weiß ich nicht mehr,

Als daß ich mich so ganz in ihr betrogen:

Woran erkenn’ ich dich im Himmelreich?

 

 

 

 

 

 

Alexis Aar                               Prag

 

Vortret ich auf des Veitsdoms Thurmaltan:

Da liegt die Königsstadt, von Dunst umzogen,

Das alte, dunkle Prag! In weitem Bogen

Durchbricht’s der Moldau vielgespaltne Bahn.

 

Zahllose Thürme ragen himmelan,

Wie Klippen aus den schwarzen Häuserwogen.

Ein Bild, vom Hauch des Sterbens überflogen,

Faßt es mit düstrem Graun die Seele an.

 

Auch diese Menschen, einer todten Zeit

Gehören sie mit ihren müden Zügen,

Im Mund ein alt und wunderlich Gebet.

 

Jetzt schlagen alle Glocken, nah und weit,

Zur Mittagsstunde: traun! mir ist, als schlügen

Auch sie um vier Jahrhunderte zu spät.