Ludwig Anzengruber

1839 – 1889

So wie den Aar am Fels ein hohes Ahnen

Zum sonnenhellen Fluge stärkt und reift,

Daß er dereinst auf weltenstillen Bahnen

Mit seinem Fittich an der Parzen Fäden streift,

 

Und wie auch ihm in niedern Nebelzonen,

Soll singen er die Größe jener Schau

Aus erdumstrahlten höchsten Regionen,

Die Sprache kreischend wird und herb und rauh

 

Und er, dem eignen Mißlaut zu entrinnen,

In Höhn, wo eine andre Sonne tagt,

Versinkt in tiefes, Wort versagend Sinnen,

 

Wird Weisem oft das Wort ‚ne faule Magd

Und seine Sangesweise und sein Meinen,

Ihr könnt es nimmer nach Gewohntem einen.

 

 

 

 

Ludwig Anzengruber              Der Strauch

1839 – 1889

Hart an des Ufers Rand, da wächst ein Strauch,

Um seine Wurzel plätschernd spielen Wellen,

Sie suchen ihn vom Erdreich abzuschälen

Und fortzureißen in des Sturmes Hauch.

 

So tändelnd, Faser sie um Faser lösen,

Dann faßt die Flut ihn erst mit riesger Hast

Und in die Wellen tauchet Blatt und Ast

Und kreiselnd treibt es in des Sturmes Stößen.

 

Des Schicksals Bestes, wie die Weisen meinten,

Ist, daß auf Erden sich die Kräfte feinden,

Daß sie den Menschen aus dem Erdreich ziehn. –

 

Doch frag ich, seh ich sturmzerwühlt ihn fliehn,

Ob landend er aufs neue wurzeln kann,

Ob er versinkt im weiten Ozean!