Heinrich Bone Nachtgebet
1813 -
1890
O Gott des Lichts, sieh an die
Nacht der Erde
Und sende Strahlen gnadenvoll
hernieder,
Auf daß die Herzen aller meiner
Brüder
Mit heil’ger Macht davon
ergriffen werden.
Der Nacht der Schmerzen, Armut
und Beschwerden
Zeig’ hellen Glanz der ew’gen Seelengüter!
Der Nacht der Furcht gieb
lichte Hoffnung wieder,
Und mit dem Licht zerstreue die
Gefährden!
Die Nacht des Zweifelns und des
blinden Wähnens,
die Nacht der Thorheit und des
trüben Sehnens.
Laß sie wie Nebel fliehen und
verschwinden!
Und ach! die schwarze, ödeste
der Nächte,
Erschrecke sie, laß strahlen
deine Rechte,
Vernichte sie, die schwarze
Nacht der Sünden!
1813 -
1890
Was ich gelernt in meines
Lebens Jahren,
Mit heißer Müh’, mit Sorgen und
mit Thränen,
Durch Hoffnungslust, durch Mut
und banges Sehnen,
Durch rasche That und langsames
Erfahren,
In allen Stunden, trüben so wie
klaren,
Von jung und alt, aus Werken
und aus Plänen,
Durch Wahrheitslicht und
übereitles Wähnen,
das beste Gut – laut will ich’s
offenbahren:
Es ist die Demut! Ohne Demut
dörret
Der Boden aus des Herzens und
des Lebens,
Und alles Sä’n und Pflanzen ist
vergebens.
Und was dir fehlt an diesem
teuren Gute,
Das nenne Kluft, die dir den
Weg versperret
Zum schönsten Ziel, zum
schönsten Lebensmute.
1813 -
1890
Der Abend schwieg, die
Nachtigallen sangen;
Ich saß gelehnt an einer
Blütenlinde
Und sah hinab auf duft’ge
Wiesengründe,
Vom Licht des Mondes zauberhaft
umfangen.
Und neben mir ein Kreuz mit
Laubgewinde,
Und nirgendher ein Zagen oder
Bangen;
Nur süße Ruh mit süßerem
Verlangen
Umschwebte Flur und Dorf und
dunkle Schlünde.
Und wie ich saß, da fühlt’ ich
sel’ges Nahen,
Als wollt’ es mich mit
Mutterlieb’ umfahen,
Und vor mir stand ein Weib, schön,
hold, erhaben.
„Bleib unbethört! halt fest an
meinem Bilde!
„Bin Weib, nicht Mann! bin
züchtig, zart und milde;
„So ehre mich, so spend’ ich
Himmelsgaben!“
1813 -
1890
Könnt’ ich noch einmal meine
Zeit durchleben,
Die Zeit der Blüthen und der
jungen Saaten:
Würd’ ich mir klüger wohl und
weiser rathen?
Und fester wandeln im gewählten
Streben? –
Ach nein! denn täglich noch mit
gleichem Schweben
Fall’ ich in Thorheit; und die
besten Thaten,
Die schönsten Früchte hat auf
allen Pfaden
Der Augenblick, der Genius, mir
gegeben.
Drum Dank und Segen über das
Vollbrachte,
Und Freud’ und Frieden in dem
Gegenwärt’gen,
Und frisch voran ins dunkele
Zukünft’ge!
Nur selten bringt die Zukunft
das Gedachte,
Und Recht gebührt dir nicht
einmal am Fert’gen,
Von Gott allein erwarte das
Vernünft’ge!
1813 -
1890
Wahrhaftigkeit, du meines
Lebens Veste,
Wie fühl’ ich mich in dir so
stark umschlossen!
So frei und sicher! Rings von
Strom umflossen,
Vor dessen Licht erschaudern
falsche Gäste.
In deinen Hallen feir’ ich
stille Feste,
Indeß die Mauern trotzen den
Geschossen;
Auf Wall und Damm ist’s
blumenreich ersprossen,
Es klingt und singt durch hohe
Schattenäste.
O meine Burg, dich will ich nie
verlassen,
Ob auch die Welt ins reizend
Weite locket
Und hier und dort mir öffnet
ihre Gassen.
In deinem Raum hat nie mein
Hauch gestocket,
Frei schlägt mein Herz, frei
athmet meine Seele;
Dir bleib’ ich treu, bei Recht
und auch bei Fehle!
1813 -
1890
Ich wußte mich vor Lust nicht
mehr zu lassen;
Es war im Maimond; lief ich in
den Garten,
Und pflückte Blumen, Blüten
aller Arten,
Roth, weiß, blau, gelb, die
hellen und die blassen;
Und wußte rings mich in sie
einzufassen;
War Blume nun; ließ auf den
Strauch nicht warten;
Zur Lind’ empor mich schnell
die Füße scharrten;
Saß hoch im Wipfel über
Blättermassen.
Und wie ich so als Wunderblume
stehe,
Da rührt ein Apfelbaum sich in
der Nähe
Voll junger Frucht; der spricht
mir ins Gemüthe:
„Ach, daß dir auch all alle
deine Freuden,
„Die deine Jugend blütengleich
umkleiden,
„Einst Früchte bringen, wie des
Obstbaums Blüte!“
1813 -
1890
Für mich, Natur! Für mich bist
du geschmücket
Wie eine Braut! Es glühen deine
Wangen!
In deinem Arm vergess’ ich
alles Bangen,
Und bin in dir verjünget und
beglücket.
O süße Lust! O himmlisches
Umfangen!
Ja mein, ganz mein! Natur, in
dir entzücket
Ist all mein Sinn! Wohin die
Seele blicket,
Sie schaut nur dich und
schlürfet neu Verlangen! –
„Halt ein, Geliebter! Wisse,
wahre Liebe
„Macht fromm und ruhig, läutert
alle Triebe,
„Lehrt im Geschöpf zum Schöpfer
sich erheben!
„Drum liebe mich mit
gottgeweihter Seele,
„Damit der Herr uns ewig einst
vermähle,
„Und dir eröffne mein geheimes
Leben.“
1813 -
1890
Die Welt wird jung, und jung
wird’s in den Herzen!
Ich fühl’ den Trieb, der hier
das Gräslein hebet,
Ich fühl’ den Drang, der Wies’
und Feld belebet,
Ich fühl’ den Saft, dem Busch
und wald sich schwärzen.
Und wie die Vöglein durch die
Zaune scherzen,
Und’s Hündlein rennt, und hoch
die Lerche schwebet:
Es ist der Frühling, der den
Zauber webet
Und Krieg erkläret allem Gram
und Schmerzen.
Drum sträub’ dich nicht, du,
dem das Auge dunkelt
Von Trübsinns Wolken! Öffne
deine Seele,
Laß willig einziehn, was dir
heilend nahet.
Heb’ auf das Veilchen, das
entgegenfunkelt!
Was auch zum Trost der Herr für
Mittel wähle,
Er segnet den, der dankend sie
empfahet.
1813 -
1890
Das Feld im Thal, die Wälder
auf den Höhen,
Der Gärten Pracht, um Haus und
Hof gezogen,
Der Wiesen Grün, der Saaten
braunes Wogen,
Und diese Bäume, wie sie
herrlich stehen!
Wie prächtig alles, wie
verjüngt zu sehen!
Die blanke Flur von Düften
überflogen,
Und drüber mild der blaue
Himmelsbogen –
Wer fühlet nicht den Hauch des
Lebens wehen?
Wo ist ein Herz, an dem die
Sorge naget,
Wo ist ein Blick, der einsam
trüb verzaget,
Und wo ein Mensch, dem’s um die
Seele bange?
Hier komm’ er her, und schau’
den großen Segen!
Hier horch’ er auf! Hier ruft
es ihm entgegen:
„Der alte Gott, er lebt, und
lebt noch lange!“
1813 -
1890
Der Mai ist hin! Wer nicht
gepflanzt, gesäet,
Sich nicht gemühet um den Schooß
der Erde,
Daß sie empfänglich für den
Himmel werde,
Wird sehn und staunen, wann der
andre mähet.
Der Mai ist hin! Und wo ein
Baum da stehet,
Den Blütenschwall gleich
Winterschnee beschwerte:
Dem bleibe fern, was seinen
Schatz gefährde,
Dann schmückt ihn Frucht, wann
öder Herbstwind wehet.
So steht der Mensch am Ausgang
seiner Jugend,
Und schaut umher; und sieht er
seine Saaten,
Wie steht er arm, verlassen,
unberathen!
Doch wie beglückt, wenn sich
aus edlen Blüten,
Die in dem Herzen reich und voll
erglühten,
Nun Frucht gestaltet: Weisheit,
Lieb’ und Tugend!
1813 -
1890
Wie still im Feld! Kaum zirpet
eine Grille;
Nur Sonnenglut durchknistert
das Getreide
Und liegt gelagert über Wald
und Weide,
Wie ein gewalt’ger schweigsam
thät’ger Wille.
Des Menschen Hand ruht wie in
Winterstille,
Beachtet kaum der Fluren
Prachtgeschmeide;
Als wär’s auf öder,
weitgestreckter Haide,
So wandl’ ich einsam hier durch
goldne Fülle.
Ja, Menschenhand mag jetzt der
Ruhe pflegen,
Sie schafft nicht Wachsthum,
Reifen und Gedeihen,
Sie kann nur sä’n und ärnten
Gottes Segen.
Doch diese Stille, lagernd ob
der Fülle –
Daß gutes Ende Gott ihr wolle
leihen,
Nicht Wettersturm verderblich
sie durchbrülle!
1813 -
1890
Ob auch von Tausend, ja von
Millionen
Nur Einen trifft des Blitzes
Feuerschlange,
So zittre doch beim grausen
Wetterklange,
Worin Gefahen zahllos furchtbar
wohnen!
Ich seh’ den Tod auf hoher
Wolke thronen
Und um sich schleudern mit
ergrimmtem Drange;
Als ob er selbst vor seinen
Schrecken bange,
So fährt er los auf Hütten und
auf Kronen.
Drum fürchte dich! Du bist
vielleicht der Eine
Bei Tausenden, die ungefährdet
gehen,
Und du sinkst hin,
zerschmettert ganz alleine.
Wohl bleibt der Herr auch Herr
in den Gewittern
Und lenkt den Strahl; doch
lerne hier verstehen:
Dein Heil zu wirken unter
Furcht und Zittern.
1813 -
1890
Du siehst hinaus, und schaust
die lieben Bäume,
So wogend sonst in grünem Laub
und Leben,
Nun starr und kahl und wie in
Schauern beben,
Und blickst hindurch auf
farblos öde Räume.
Und wie du’s siehst, so weißt
du, daß die Keime
Im stillen Dunkel neues Leben
weben,
Um nach dem Schlaf sich
lächelnd zu erheben
Und auszuschütten ihre
Blütenträume.
So nähr’ auch du in stillen
Wintertagen
Des Geistes Kraft und seine
ew’gen Triebe
Mit Wissenschaft und heil’gem
Werk der Liebe;
Auf daß dein Herz kann froh
entgegenschlagen
Dem neuen Frühling, und dem
Auferstehen,
Das hold vereint Natur und
Kirch’ begehen.
1813 -
1890
In weiter Landschaft durch den
Nebel schreiten
Zur Winterzeit, wann Oede deckt
die Auen,
Das Nächste kaum mit Sicherheit
zu schauen,
Und nichts zu hören aus
verdeckten Weiten:
Es engt das Herz mit ängtlichem
Bedeuten
Und webt es ein mit einsam
stillem Grauen;
Und was sich regt, es weckt
kein froh Vertrauen; -
Da plötzlich schallt ein nahes
Glockenläuten!
So geht der Mensch in
zweifelvollen Zeiten,
Wann still das Herz Entscheidung
sucht im Leben,
Mit Furcht und Hoffnung halb,
und halb ergeben.
Und wie er sinnt und Allem gibt
Bedeuten,
Doch stets verschlossen sieht
die nächste Nähe:
Wird That und Trost ihm
plötzlich aus der Höhe.
Heinrich Bone Beim Abgang des Schnees
1813 -
1890
O welche Lust, wenn aus der
weißen Hülle,
Womit der Schnee sie wochenlang
gedrücket,
Zum ersten Mal die erde wieder
blicket,
Mit mütterlichem Antlitz,
lächelnd stille.
Es ist, als ob ihr Herz
entgegenschwille
All ihren Kindern, die sie gern
beglücket;
Und in dem Gruß erkennt mein
Aug’ entzücket
All ihren Drang und ihres
Lebens Fülle.
So mag nach langen öden
Meerespfaden
Der erste Streifen gastlich zu
sich laden,
Wie solchen Anblicks reizende
Gewährung.
Und wenn ich je mich fühl’ als
Stoff der Erden,
Den Gott geformt, sein Ebenbild
zu werden:
So ist’s alsdann! Mein Geist
ahnt Leibsverklärung.
Heinrich Bone Sonnenschein im Winter
1813 –
1890 Dem Freunde statt eines Besuches
Schön war der Himmel;
frühlingsheller Schimmer
Lag durch die Luft, nach kalten
Nebeltagen,
Nach durchgefrorner Nacht; und
ohne Zagen
Wollt’ ich zu dir, bis spät zum
Sterngeflimmer.
Doch als ich kaum den Fuß ans
Thor getragen,
Ward weich der Boden, wurde
schlimm und schlimmer,
Ausgleitend, klebrig,
bodenloser immer;
Und – rasch gekehrt! Es war
nicht mehr zu wagen.
Nimm denn statt meiner hier
geschriebne Kunde,
Nimm den Gedanken auch, der
mich gehoben,
Weil die Natur ja stets trägt
Geist im Grunde:
„Wenn leuchtend dir die Gnade
strahlt von oben,
„Sei nicht zu sicher für der
Füße Pfade!
„Nur jenseits ist der volle
Lenz der Gnade.“
Heinrich Bone Morgen- und Abendroth
1813 -
1890
1813 -
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1813 -
1890
1813 -
1890
1813 -
1890
Heinrich Bone Des Kindes Geburt
1813 -
1890
Heinrich Bone Des Kindes Lächeln
1813 -
1890
Heinrich Bone Des Kindes erstes Jahr
1813 -
1890
1813 -
1890
1813 -
1890
1813 -
1890
1813 -
1890
1813 -
1890
1813 -
1890
Heinrich Bone Der wahre Reichthum
1813 -
1890
1813 -
1890
1813 -
1890
1813 -
1890
1813 -
1890
1813 -
1890