1680 – 1747
Ich füle das Gefül den Augen
widerstreben,
Und mein betrog’nes Aug
betreugt fast den Verstand;
Denn, er mein Denner, reicht
mit seiner Wunder-Hand
Dem Schatten Licht und Leib,
den Farben Sel’ und Leben.
Der Schönen Liebreiz kann sein
Strich so hoch erheben,
Daß vom gemal’ten Stral man
spüret wahren Brand:
Es scheinet Zauberey, wenn er,
aus Öl und Sand
Formir’tem Fleische, weiß auch
Geister einzugeben.
Ein Licht, von ihm gemahlt,
glänzt mit so lichten Stralen,
Daß oft ein Mücken-Schwarm um
kalte Flammen schweb’t.
Würd’ er sein eig’nes Bild in
Lebens-Grösse mahlen;
Glaub’ ich (da sein Gemähld
mehr als das Leben leb’t)
Es ließ sich selbst der Tod,
durch solche Gleichheit, äffen,
Und dürft’ aus Irrtum leicht
sein Bild, statt seiner treffen.
1680 – 1747
Des grauen Alterthums noch
ungeschliffne Zeiten
Beherrscht’, in strenger Wut
ein-häuptger Tyrannei,
Bloß durch Unwissenheit, die
rauhe Barbarey:
Die denn zwar schwehr, doch
nicht unmöglich, zu bestreiten.
Durch neuer Lieder Reiz, durch
rein gestimmte Saiten,
Macht’ Orpheus grosser Geist
aus ihrem Joch von Bley,
Die Thracier, die wild, doch
beu-begierig, frey:
Die Löwen liessen sich von
ihm, wie Schaafe, leiten.
Itzt aber, da die Welt ein
schlimmer Joch beschwehrt,
Da aller Wissenschafft
Verachtung allgemein,
Da jeder die Music verschmäht,
verwirfft, entehrt;
Durch Töne bändigen selbst
Hertzen, die von Stein:
Scheint Zauberey, Daher es
mehr Bewunderns wehrt,
Anitzo Telemann, als damals
Orpheus seyn.