Theodor Däubler                   Attische Sonette

1876 – 1934

 

An Timon von Athen

 

Ich suchte, Timon, nicht deiner Verbannung

Gefundnen Ort, am launenreichen Meer;

Um Einsamkeit blieb meine Seele leer,

Der Ägäis Sturm bewog mich zu Ermannung.

 

Des Geistes Flügeln gab ich Segelspannung

Beim Seelenschwung – den Leib für Aug – Begehr –

Doch wieder kam ich in die Buchten her:

Nun sei ein Sang der Kahn mit Machtbemannung.

 

Zu holden Inseln soll ich Segler senden:

Mein Hellas, fühl im Herz Geborgenheit!

Ich mag den Urvergrauten Leuchter spenden.

 

O Land geliebter Sprache mein, wie weit

Vermochte Schickung mich aus dir zu wenden;

Hat schon von Sehnsucht mich das Meer befreit?

 

 

Dem Sommernachtstraum

 

Verschwendete der Baum sein keusches Blühen,

So singt er sich: Zikaden sind bereit.

Verstummen sie, um ihre Schlummerzeit,

So möchten Himmelszweige Sterne sprühen.

 

Auch Menschen recken sich aus Knochenmühen:

Die Seele hüllt bei Wind ein leichtes Kleid,

Wie sind den Traumgespielen Wiesen weit,

Gebüsche heimlich für der Wünsche Glühen!

 

Silene horchen schon mit Silberohren,

Ob, Mond genannt, die Himmelsperle kommt;

Dann wispern Nymphen unter Felsentoren.

 

Verschleiert, wie es einer Jungfrau frommt,

Reut Arethusa ihr so zartes Flüstern;

Ein Satyr unter Feigen liebt sie lüstern.

 

 

An Keats

 

Geheimer Mondshein unter Mittagsstrahlen,

Mit sachter Muschel, fahl wie Dämmerung,

Erstaunt dich Aphrodites naher schwung

Auf eigner Rhythmen Flügeltum bei Qualen.

 

Es dunkle nie ein Blut in Kupferschalen,

das du, Verwundeten zur Linderung –

Als Güte Narben schloß – durch Hilfesprung

In Obhut nahmst, auf lichtblauen Sandalen!

 

Der Atem Hellas’ über Sonnenbuchten

Bewog deiner Gebietung klarem Strom,

Um Schönheit schluchzend, Berge zu durchschluchten.

 

Geklungne Wonne aus geliebtem Rom,

Das deine Hülle ewig schützend hülle,

Gabst du der Hügelburg mit Dankesfülle.

 

 

 

An Shelley

Für Erhard Buschbeck

 

Der Liebe tief verletzbarem Verkünder,

Dir Shelley, kett ich dankbar mein Sonett:

Ein Licht, dein zart entschleiertes Violett,

Ward großer Sonne feiernder Entzünder.

 

Nach solcher Freiheit purpurten die Münder

Zum Rufe Hingebluteter im Bett:

Geweihter Walstatt rächendes Skelett,

Stand Hellas’ Traum erblitzender Begründer.

 

Ein Mond in deinem Blick zerperlte Zähren.

Der Möwe Silberflug, auf schwerer Flut,

Schien bleich der Seele Staunen zu erklären.

 

Gestirntes Ahnentum empfand das Blut,

Da wollte dein Geheimsein Sturm gewähren,

Bis jung und gut du erst im Meer geruht.

 

 

An Byron

 

S großer Lord, der Sonne liebster Dichter,

Dich Byron, ehrten Menschen, liebten Feen;

Gefeiter Jäger, Blicke auch von Rehen

Zerbrach dein Herz; du sterntest sie als Lichter.

 

Dein starkes Atmen trotzte warm dem Richter –

Im Heuchlerland – über entkrampften Ehen:

O glücklich warst du nie – bei Wonnewehen –

Entschminkte rasch dein Morgenstrahl Gesichter.

 

Dich feire ich, du bist ein Held geworden:

Mein Dichter, wo du bliebst, erfreut, verwöhnt,

Verläßt mich niemand, wird kein Freund mich morden.

 

Wer ehrte mein Gedicht, daß ers verhöhnt?

Doch weil’ ich froh – verwitternd unter Horden,

Die du befreit hättest – auch fast verpönt.

 

 

An Foscolo

 

Des Morgenlandes maibetaute Blume,

Das Eiland Zakynthos auf stolzem Meer,

Gebar den Leib für deinen Lichtbegehr:

Der Wunsch blieb still auf duftbewehrter Krume.

 

Verliebter Lieder Lilie wuchs zum Ruhme

Der Griechen, sproß als ihrer Helden Wehr,

Denn Reinheit ist das Erz für hellen Speer

Und hilft dem Volk bei altem Eigentume.

 

Ersungne Bäume setztest du den Toten,

Zu Marmorurnen, wo ein Name glomm,

Gewitter keine Inschriften bedrohten.

 

Wie ging dein Schritt zu Gräbern schlicht und fromm,

Bis, dort zu knien, Verbote dir entlohten,

Denn bloß zum freien Menschen riefst du: Komm!

 

 

An Leopardi

Meiner Schwester Elena

 

Des Mittelmeeres Schwermut war dein Sagen,

Nach der Versunkenheit verlorner Ruf;

Was Hellas wagte und Italien schuf,

Verwunderte das Herz durch altes Fragen:

 

So dumpfe Schöpfung, sprich, warum wir zagen?

O wo erweckt uns Helios’ Rossehuf:

Erschütterte sind wir, ohne Beruf –

Vielleicht die Wachsamen durch hartes Jagen?

 

Vollbrachtheit blieb mir Süße unsrer Sprache,

Die attische Vollendung in Florenz:

Ilisos, durch des Dichters Mund, als Ache,

 

Voll Überschäumungsmut zu jüngstem Lenz;

Doch Blut, mein Blut, wie weit ist uns die Brache

- Ein Schweigen naht – gesungne Ahnung kennts.

 

 

An Hölderlin

 

Du warst in Hellas, ehrfürchtiger Dichter,

Nur zagte vor Athenas Land der Fuß;

Du flügeltest wie Hermes, sachten Schuh’s

Als heimlich hochgesichteter Beschwichter

 

Von Sonnumfangenheit durch Abendlichter:

Dein Atem fand sich Steile eines Nu’s –

Umzagtem Wunder nahtest du: ich tu’s –

Und urgebann bestimmten uns Gesichter.

 

Wo staunten die erbittrungsfernen Helden,

Daß sie ein blutendes Geschlecht erblickt?

Gedichtete, ihr habt uns hergenickt!

 

Umwölkte Götter, deren Namen melden,

Sie weilten, nie erreicht, auf fahlem Firn,

Gewitterten um klärungssichre Stirn.

 

 

An Goethe

 

Auf Höhen Unerreichbarer, o Goethe,

Gewahrte einst dein Blick den Taurer-Strand,

Und Iphigenia im Trauerland

Verklärte sich der Heimat Abendröte.

 

Den Lorbeerhain entzückte Klang der Flöte;

Gegeistert von des Geigers ferner Hand,

Verrauchte Ilion, nach zerhauchtem Brand,

Als ob sein Fächeln Hellas Ruhe böte.

 

Auch Helena stand auf vor deiner Größe,

Du hast mit Würdigem das Weib betraut,

Doch schon Verbleichung wird Göttern Blöße;

 

So ist zu Hades Helena entblaut;

Wer kennt der Minne-Dienenden Verstöße?

Der Bräute Scham hast, Goethe, du geschaut.

 

 

Der Hymettos

 

Im Winde Fichten sind Poseidons Gabe

An Zeus, der den Hymettos grau umdräut,

Weil er mit Wolkungen den Berg betreut,

Und um Gewitterkünste kreist der Rabe.

 

Daß Regengegenwart den Bauern labe,

Ward Zeus ein Heiligtum, das ihn erfreut,

Als Gipfelhaupt, wo er dem Blitz gebeut,

Emporgereicht aus des Atheners Habe.

 

Bei seiner Ahnenkammer unterm Grabe,

Besummt von goldner Bienen Schwebekranz,

Stand, als ich ankam, ein gewogner Knabe.

 

Er wähnte wohl des eignen Blutes Glanz,

Bedachte uns mit Süße seiner Wabe –

Mein Attika – und du umfingst mich ganz.

 

 

Halimus

 

Die Heimat des Thukydides, im Grollen

Der See von salamis, hat mich empfangen:

Ein kühnes Stürmen purpurt unsre Wangen,

Dem Augenblick entschleiern sich die Schollen:

 

Heroen modern in verborgnen Stollen;

begnadete, die ihren Ruhm besangen,

Erscheinen noch im Mond, und zaudernd bangen

Kitharen dann nach Hellas’ andachtsvollen

 

Geschlechtern vor Poseidons Zornesworten:

Wer nie auf ausgestreckten Klippen kniete,

Blieb Fremdling dem Geschick, an Drohungsorten

 

Der Salzgewaltsamen bei Amphitrite:

Bedenkt ums Riff der Toten ferne Pforten,

Den Nahruck von plutonischem Gebiete!

 

 

Demeter

 

Verehrte Demeter, im Glück der Felder,

Beherzte Hirtin unter bangen Seelen,

Wer mag das Blut in deine Hut empfehlen?

Du thronst gewärtig vor dem Alp der Wälder,

 

Vertraut sind dir der Bräutlichkeit Vermelder;

Bejubelt aus Millionen Lerchenkehlen,

Beschirmst du Pärchen, die aus Narrheit fehlen,

Besorgst, zu Vätern lächelnd, Hochzeitsgelder.

 

Um meine Mitgift werb ich durch Erfahrung:

Gelebte Sonnigkeit sei Angebinde

Von dir dereinst, Verwalterin der Nahrung,

 

Wenn ich den Pfad zu deiner Tochter finde;

Dem Bock verwandt, bleibt meinem Leib Behaarung,

Begreif, daß ich voll Leid von dannen – schwinde!

 

 

Kore

Frau Elsbeth Peterich zugeeignet

 

Die Tochter Demeters, in weichen Schleiern,

Erblickt ein Nymphenpaar zum Blumenspiel:

Ach, das entsternt den zarten Kranz vom Stiel,

Befragt sein Schicksal froh um Hochzeitsfeiern.

 

Oft spiegeln sich die Reizenden in Weihern,

Ein Gang durch Wald dahin wird heitres Ziel;

Man lacht zum Wasser, beugt sich im Profil

Und denkt, erglüht: Bald herrsch ich über Freiern!

 

Ein Knabe hüpft verkleidet in den Reigen

Der schlanken Mädchen und vergnügt sich mit:

Er zeigt verjüngter Sitte Sich-Verneigen,

 

Der Jonierinnen leichten Spitzen-Schritt:

Der Tanz ist anders. Seine Anmut eigen.

Er singt dazu von Wein und Pantherritt.

 

 

Hades

 

Das Haupt im Hintergrund der heißen Hauche

Befällt Besinnung an der Hestia Herd:

- Wer bin ich? – Gott – den nie das Opfer ehrt?

Gefangener und Herr im Reich der Rauche!

 

O Mensch! Die gute Glut im Erdenbauche

Bleibt heilig offenbart, weil unversehrt –

Ich bin der Wachsame, der Ernten mehrt,

Sogar Geschmack aus Bacchos’ Funkel-Schlauche!

 

Mein Blut wird eine Sonnentochter ehen,

Mit euch, Wo- Wandenlden, sei ich verwandt:

Uns mag der Mensch einst unerschrocken sehen!

 

Ihr seid an mich, so nahen Gott, gebannt,

Nun fühlt es doch – ich kann euch nachts erwehen:

Im Hirne ist, nicht erde schafft die Wand.

 

 

Das Drama

 

Verführerin, o Sonne, dein Gestrahle

Beblendet Kore, kühn im Feld;

An schwülem Tag, eine noch heißre Welt

Umfaßt das Kind vieltausendmale.

 

Ein Stern, der herzt: der Kuß durch Blitz zu Tale

Hat Kore übermannt – dem Gotte fällt

Die Jungfrau in den Arm; sein Lachen gellt

Wie Blut aufs Land, das rasch dem Blick zerfahle!

 

Wie ein Delphin am Strand, bleibt die Geraubte

Wach hingestreckt im Hadeswagen – ach!

Sie fühlt zu schwer die glut im Gotteshaupte:

 

Noch ist für Liebeswucht das Mädchen schwach

Und schreit – blickt auf. Der Rappen Brand entschnaubte,

Nun hält sie Hades’ Brunst im Gastgemach.

 

 

Der Granatapfel

 

„Von diesem süßen Feuerkern genieße!“

Spricht Hades und gibt Kore sacht die Frucht:

„Sei furchtlos nun, tilg mir die Eifersucht,

Bis nie dein Wunsch zur Mutter mich verdrieße!

 

Bleib Kaiserin in unserm Reich: vergieße

Die Tränen in des Herzens Perlenschlucht,

Die ich im Busen auftue – mit Wucht,

Daß treuer Lenz bei Demeter ersprieße!“

 

Der Schale Bitterkeit ist tief vergangen,

Die Braut schenkt Hades reif den Kuß

Geplatzter Frucht nach keuschem Mädchenbangen.

 

Der Menschen wärmster Blutlichkeit Erguß

Durch eines Götterpaares Brunstverlangen

Erfunkt sich Frühlingstümer im Genuß.

 

 

Die Mutter

Für Frau Elsbeth Peterich

 

Vor Demeter, der besten, schwand die Tochter.

„Mein Kind!“ war der Verletzten Scheidungs-Schrei.

Der Göttin Geist ergriff sich Raserei:

Sie strich von still – zu jäh -, voll Leid bepochter

 

Umgrottung Pans. Sie horchte; doch vermocht er

Nicht Wort, noch Ort zu finden, wo sie sei.

„So hilf mir Hekate! Mein Kind befrei

Vom Räuber! Wer entwand, wo unterjocht er

 

Das einzige, mir zarte Mägdelein?“

Rang Demeter. Das helle Weib am Weg

Belauschte seinen hohen Weihestein.

 

„O Mutter, hülle schwarz dich ein und leg

Vors Totentor das Ohr! Bei meinem Schein“,

So rief es, „findest du den letzten Steg!“

 

 

 

Die Sorge

 

Den Händen Demeters entgleiten Garben,

Der Finger krümmt sich, der die Sichel hält:

Besorgtheit wogt das Feld. Verzweiflung. Viel

Geknicktheit wettert hin, wo Schwache starben.

 

Im Land verschwanden nicht des Herbstes Farben;

Wie Hadespurpur naht als sanftes Ziel,

Zerbluten, doch entflammten auch – bei Spiel –

Daktylen oft, wenn Blutgeschöpfe darben.

 

Wo Demeter nun ruht, versinkt als Stufe

Zum Reich Erbleichender, beseelt der Stein.

Sie wandert oft. Troezen erschallt vom Rufe

 

In Pein. Hermione glüht im Scharlachschein

Vor der Weitwandernden, bis Styx erfährt,

Woher die Seelenflut sich schlammig nährt.

 

 

Eleusis

 

Mit deinen Fackeln, Demeter, entsteigen

Wir Sterblichen, dem Hades zu, der Erde.

In Fieberfinsterung beschnuppern Pferde

Der Heißverheimlichten, bei Heil und Schweigen,

 

Nun meine Schenkel wohl; die Schultern neigen

Den Kopf, voll Blutlast, zwischen die Beschwerde

Bemühter mutiger um Plutos Herde:

Gespensterte umglasten uns im Reigen.

 

Wir werden stumm: uns Zukunft zu erfahren!

Hier wallt die Welt: ich warte bei Enthauchten,

Erkennbar noch am Urgeruch von Haaren;

 

Nun findet mich mein Hund: die mir enttauchten

Bekannten aber kann kein Sinn, in Scharen

Der schon Erlauchten suchend, wo gewahren.

 

 

Das Gebet

 

Gewogner Hades, Spender alter Gnade,

Der Mensch, durch Not, zum Opfer tief bereit,

Erfleht für eine Göttin, wirr im Leid,

Der Tochter Wiederkunft auf schwerem Pfade.

 

Gestatte Kore, von der Styx Gestade –

Erborgt aus feuriger Umwobenheit

In deinem Heim – auf fromme Frühlingszeit,

Erfreut zu sein durch Lerche und Zikade!

 

Gehärmtem Weib, der Mutter unsrer Fluren,

Begegne traut, bei Wärme kaum im Wind,

Des Kindes Knisterschritt um Krokus-Spuren:

 

Im Geiste doch erkenne dann geschwind

Die Froh-Erschrockne ihrer Tochter Kommen:

In guten Armen bleib sie aufgenommen!

 

 

Die Flöte

 

Geweihter Hades, deiner Urkraft Flamme

Umfächert uns mit Feuerfingern fürchterlich;

Doch bangt mir kaum vor Stachels nahem Stich:

Mein Blicken rings auf Düsterung zum Stamme,

 

Damit er sich mit Rinde klar beklammre,

Befahl dem Glast: Zerfahl’ geschwisterlich!

Im alten Walde sammelt sich das Ich,

Auch hilft mir Demeter, der Seele Amme.

 

So traut daheim, bei Tau und Morgenröte,

Verdankt das Auge Mandelzweigen Rast,

Denn himmlisch blühn sie auf ins Tal der Nöte.

 

Nun Amsel meines Liebens, frei vom Ast,

Beschwing dein Lied zum Lenz, mit Spiel der Flöte,

Wie du’s von Hirten sanft vernommen hast!

 

 

Die Au

Für Max Sidow

 

Die Apfelbäume blühen sanft wie Wangen:

Im Winde lachen Knaben vom Geäst;

Die kleinen Nackten suchen laut ein Nest

Und legen Eilein unters Blütenprangen.

 

Behutsam gleicht, ihr Zwerge, dem Verlangen

Nach Blättersamt ums Blumen-Seidenfest;

Ihr winkt, an euch in zarter Pracht gepreßt,

Den Bäumchenherzlein in ergrüntem Bangen.

 

Bei schweigender Zypresse kennt das Kommen

Erhorchter Tochter Demeter und lauscht

Dem Pochen ihres Herzens froh-beklommen:

 

Oh, wenn sich Laub aus tausend Ästen bauscht!

Das goldne Knospenklimmen bleibt verglommen,

Am Blau hat sich die laue Au berauscht!

 

 

Der Garten

Für Elena

 

Das Mittagsblau durchfrischt der Hauch von Firnen.

Ein Schwanenbild schwebt wolkenweich dahin.

Wem kämen Lichterherzen in den Sinn?

Auf See hält sie der Wind an Silberzwirnen.

 

Wohl blüht die Sehnsucht uns nach kühlen Birnen;

Der Zweige keuscher Schmuck zeigt Lenzbeginn:

Blauäugelnd merkt erfreute Bäuerin

Des Gartens Glanz aus winzigen Gestirnen.

 

Bemühtes Suchen summen uns die Bienen;

Ihr Birnenblütenberg bleibt duftbewebt,

Wie Baumgewölk verflockt ein Korbkomet!

 

Vielleicht ist Kore wunderhold erschienen?

Ob ihr – besorgt – die Tierlein goldig dienen?

Sie schwärmen kindhaft einer Königin Gebet.

 

 

Erfüllung

Der Schwester Else

 

Persephone erscheint in Silberschleiern,

Um sanfte Mutter schlingt sie sanft den Arm,

Entdüstert das geweihte Herz von Harm

Und sorgt sich, eigne Wiederkunft zu feiern.

 

Die Birnbäume beglücken uns mit Freiern,

Das Bauernhaus bejauchzt ein Schwalbenschwarm:

Das Frühjahr wurde wahr – sein Herhauch warm;

Geliebte Meisen picken sich aus Eiern.

 

Gemüt, bald laß bei Ölbäumen vom Bangen,

Zu ihren Silberzweigen blick um Rast!

Hier ist kein Weib verstört vorbeigegangen.

 

Wo, Mutter, du dein Feld gesegnet hast,

- Weil Kore wiederkam, mit heißen Wangen –

Sei, durch Zypressen, ich, zu Ruh erfaßt!

 

 

 

Spenden

 

Den holden Wohlstand gab, mit guten Händen

Die Mutter Demeter, wo sie geweilt;

wer bei ihr blieb, wo sie vorbeigeeilt,

Erreichte Segnung zwischen kargen Wänden.

 

Ihr Spruch gebar das Korn auf Steingeländen,

Zypressen hat sie Blitzen zugesteilt,

Durch Kräuter das gekränkte Tier geheilt,

Uns stark gewünscht, daß Winters Sorgen schwänden!

 

Wo meine Schritte vor Eleusis stauben,

Weil laue Luft den Wandernden bemüht,

Erwarten Frohgesinnte uns in Lauben.

 

Von Demeters Verheißungen beglüht,

Stehn Männer fest gefaßt bei ihren Dauben,

Da bald im Faß die Sonne Wonne brüht.

 

 

Anbruch

Für Jopsa, Graf Matuschka

 

Zur Pflugschar tritt, von ferngebautem Wagen,

Triptolemos, ein nackter Knabe noch;

Sein Schlangenpaar entledigt er vom Joch,

Denn fröhlich mag es durch die Röte jagen.

 

Der Gott ist hoch, wie Ähren reifend ragen.

Ein Igel, der so frommes Kommen roch,

Entschlüpft, den Füchsen nach, aus wohlem Loch:

Der Maulwurf scheint das Wetter zu befragen.

 

Kristallnen Trank, dem Morgengold zum Gruße,

Reicht Kore ihm, mit schmaler Mädchenhand,

Denn Jungfrau ist sie wieder, fort vom Hades-Ruße.

 

Bewogt von großem Korn, gedeiht das Land:

Triptolemos, beklückt vom Überflusse,

Schwebt windleicht gaukelnd, lacht im Sonnenbrand.

 

 

Die Einladung

 

Die Wolken glitzern um die höchste Stunde,

Ein jüngster Wind versilbert sacht den Wald;

Die Ölbäume bekennen sich zur Gottgewalt

Und zittern von Athenas Nahen Kunde.

 

Ihr Silberwispern frommt aus hehrem Munde;

Doch – Demeter vernehmbar bloß – erschallt

Ein Ruf der Zeus-Entragten, als Gestalt:

Beglück Athen, Erkorene zum Bunde!

 

Da löst von Kore sich die große Mutter,

Gehorcht der Tochter des Kroniden schlicht;

In Fuhren folgt ihr hochgestuftes Futter.

 

Viel Korn kommt an, auch Überschwang an Butter:

Der Stadt enthüllt sich Demeters Gesicht,

Für Opfer nickt sie – tiefumfleht – Verzicht.

 

 

Aufschwung

 

Triptolemos hält Rast auf Kores Fluren.

Besinnt sich ihr Gemüt des Hades schon?

Erwacht, dem Schlafe zugedacht, der Mohn?

Bei Herbstzeitlosen mahnen Plutos Spuren.

 

Ob auch die Menschen seinen Ruf erfuhren?

Bald herrscht Persephone vom untern Thron,

Hält die Hinabgespensterten in Fron:

Entflammte werden starr wie Erzfiguren.

 

Da weht sich Hermes auf die reichen Auen,

Trifft noch Triptolemos, zuletzt vergnügt,

Und winkt ihm, Schiff und Segelpracht zu bauen.

 

Bevor der Herold den Verzückten rügt,

Erwolkt der Götter Wünschen weich im Blauen,

Wofür ein Schiff flink Fertigkeit sich fügt.

 

 

Der Überfluß

 

Apollos Delphine umwogen im Bogen

Triptolemos’ Schiff mit ergoldetem Korn:

Poseidons Verwundrung zu plötzlichem Zorn

Besänftigt Athena, der Ausfahrt gewogen.

 

Ein Zauber, der nie, wo er blendet, getrogen:

- Von vorne, beim Sporn, obstspendender Born,

Mit Feigen durchsüßt, unser Demeter Horn –

Kommt, Wellen beschwebend, nach Osten gezogen.

 

Der Gott ward von Hermes olymphoch enthoben;

Sein Schiff aber loht, ein ersternter Rubin,

Und scheitert, als Gabe zersamend, beim Toben

 

Poseidons, im schimmernden Gischthermelin:

Die Fülle ist heil über Inseln verstoben;

Apollozu schwingt sich ein liebster Delphin.

 

 

Wohlhabend

Für Max Sidow

 

Athenern brachte Demeter den Frieden:

Sie tritt zum Herde, wo die Ehe glückt,

Ihr Weiheheim bleibt gabenreich geschmückt,

Denn Wohlstand ward den Auen mitbeschieden.

 

Sie weilt auch gerne bei zufriednen Schmieden,

Hat ihren Hang zum Harnisch rasch entrückt,

Für jüngste Pflüge Hämmernde entzückt:

Bescheidne Geister kreisen nun hienieden.

 

Sie tritt bei Töpfern in die warmen Stuben.

- Verschleiert oft – Am Ernste drum erkannt.

Sie bringt den Ton aus ungenannten Gruben,

 

Erfindet ein Gefäß mit leichter Hand.

Der frohe Mann blickt fromm, verstummt die Buben:

Die fremde Frau beschattet keine Wand!

 

 

 

Ergöttlichung

 

Athenerinnen sehn des Friedens Freude,

Als Göttin ihrer Stadt, nach altem Streit:

Sie bringen Opfer, kommen dienstbereit,

Daß lang der Krieg kein schweres Gut vergeude!

 

Die Herden bleiben fett, verschont von Räude:

Die Friedensfrau, mit freundlichem Geleit,

Umsorgt das Plutos-Kind, voll Zärtlichkeit,

Und strahlt am Markt vor marmornem Gebäude.

 

Das Weib zur Wohlheit kam aus Westen angezogen,

Eleusis’ Tor gibt Reichtümer der Welt:

Athen, dem kostbaren, ist Glück gewogen.

 

Ein Dreifuß ward vor die Gestalt gestellt,

Von Täubchen bleib der Weihaltar umflogen!

Mein Purpurteppich glüht dahingewellt.

 

 

Zur Feier

 

Ein Kytharöde singt zur Hochzeitsfeier:

So holder Hymenäos, Argos’ Sohn,

Wo Töchter Attikas, vor altem Thron

Der Demeter, sich wiegten nach der Leier,

 

Erschienen Jünglinge, als kecke Freier,

Poseidon lehrte sie des Schwachen Hohn:

Für Seegefahr, ergriffen sie, zum Lohn,

Die Mädchen und zerzausten ihre Schleier.

 

So stolzer Hymenäos, kühner Retter,

Du pfeiltest, ein Apollo, in den Troß:

Die Räuber schreckten weg, wie böses Wetter.

 

Wo goldenes Geschoß ihr Blut vergoß,

Verehrt dich Attika: der Braut als Better

Zu gutem Hochzeitsbund, bleib uns Genoß!

 

 

 

Ein Zug

Für meine Schwester Edith

 

Sehr fromme Frauen ziehen fort zum Meere

- Von Demeter ergriffen, weich gehüllt -.

Ein Wünschen, das Durchbangte lang erfüllt,

Beseligt sie, zu ihrer Göttin Ehre,

 

Geweihtes Sagen, aus des Herzens Schwere,

Das Kummer krümmt, sich im Gemüt verknüllt,

Emporzurufen, wo die Sturmsee brüllt:

Und alter Hang zum Hades birgt die Lehre.

 

Sehr fromme Frauen schauen ihre Tiefe;

Die Triebe welkten, flattern durch den Herbst,

Es wird, als ob uns Zukunftheil beriefe:

 

Ereigne dich, wo du dein Scheitern erbst,

Zur Gottheit sinnt man urverschwiegne Briefe,

Sie hält geheim, was du in Klippen kerbst!

 

 

Kap Kolias

 

Geweihtes Kap gewährt den Frauen Staunen.

Es staunt vor hohen Wogen sich der Zug.

Ein Pilger ruht durch eigner Brust: Genug!

Gesang verklärt der Brandung schweres Raunen,

 

Des Meeres Ernst lebendigt tausend Launen;

Wer sich beherrscht, erkennt es: ohne Trug.

Besteht ein Mensch, der keinen Zwist vertrug?

Gib Stürmen Kriegers Antwort durch Posaunen!

 

Hier gilt es kaum, das Meer zu übertönen.

Wo überwand sich je Gewalt ein Herz?

Du sollst Bewegtheiten in dich erschönen!

 

Vollbring dein Schweigen: o es bleib aus Erz!

Nur nun. Du hörst der Hölle bloßes Stöhnen:

Sich draus gewöhnen, steigerst geisterwärts.

 

 

Aphrodite

 

Aus tausend Brüsten aufgeschäumten Meeres

Erperlt der Aphrodite seltnes Licht:

Sie schwebt am Mittag schattenlos im Licht,

Du sahst noch nie – gegeistert – ein so hehres

 

Gebild, das dir vom Weibe spricht: begehr es!

O Liebe, für und gegen dich in Pflicht,

Erfahr ich Milde, find ich mein Gericht?

Ich weiß von Ewigkeit: uns nun ein schweres

 

Geheimbewalten altershoher Ehen.

Aus ihnen kommt der Himmel zu uns her:

Den Frommen bloß gebührt ein Leib als Lehen;

 

Nach Schicksalsernten funkle dein Begehr!

Von Scham des Blutes laßt euch keusch beweben,

Bleibt blaß! Das Auge blaut auf reinem Meer.

 

 

Die Erscheinung

 

Geliebtes Bild, du sollst bei mir erwarmen:

Du Weib und Wesen, weil in mich verliebt!

Ihr Wunder wäret nicht, wenn ihr verbliebt;

Und doch, mein Weib, noch halt ich dich in Armen.

 

Geheime Nacht bist herzlich: Stern-Erbarmen.

Auf einmal weinst du: wer uns Hilfe gibt?

Wie Freude durch der Triebe Schwermut siebt:

Ich kann nach deinem Kuß nicht mehr verarmen!

 

Mein Vater: Gott! Mir graut vor Deiner Güte.

Wo unverlangt, kam über uns das Glück.

Nun stütz mich Weib, daß ich dein Gut behüte!

 

Gewähr mir auch, daß Wonne dich berück!

Ersprühtes Wünschen wurde Glut zur Blüte:

An mich schenkst du, was Gott dir gab, zurück.

 

 

Geliebte

 

Geliebte, nimm uns hin mit schweren Schwächen!

Ich bin bloß Mensch aus eigner Leidenschaft:

Auf deinen Flechten goldet mir geborgne Kraft,

Als schlürft ich Glut aus hold besonnten Bächen.

 

Mit freien Augen glückt dir das Versprechen

Zu jüngster Wonne, die zu dir mich rafft;

Durch deine Sachtheit lieb ich mich in Haft

Und mag aus keinen Zartgewinden brechen.

 

Geliebte, laß mich knien zu deinen Füßen;

Vergrab so warm die Hand im spröden Haar:

Ein Blick empor mag unsern Himmel grüßen!

 

Wer weiß, ob einst die Seele ruhig war?

Wohl schwand sie sanft aus allzu trauten, süßen

Gefühltheiten in Fremde und Gefahr.

 

 

Beruf

Für Toni Sussmann

 

Geliebte Menschen, schwach durch alte Plagen,

Ihr seid von Gott enttäuscht und seiner Welt:

Wie brauch ich euch und unser Himmelszelt!

Ein Weib vernimmt nur des Entblößten Klagen!

 

Du mußt – gesamt – die Sternenherkunft tragen,

O Mensch, du bist vor Mühsal nie zerschellt:

Fürs Weib zu sorgen, bleibt dem Mann Entgelt,

Denn Frieden freut ihn nicht, er hofft aufs Wagen!

 

Ein Menschentum fordern heile Leidenschaften.

Was Hingesonnenheit im Nächsten liebt,

Verlangt nach Künstlertum, zu wunderhaften

 

Erbauungen der Seele, die zerstiebt,

Wenn Triebe nicht um edle Mahnung haften:

Verbleib der Hilflosen, die Pflichten gibt!

 

 

Hellas

Für Lukas Peterich

 

In Hellas ward die Gottheit hold gestaltet;

Auf Meer und Inseln sehne dich hinaus!

Nie faßt dich dort vor Menschen alter Graus:

Sie haben sich zur Sonne stolz entfaltet.

 

Gesang, der treu – durch die Besinnung – schaltet,

Geleite dich um dein vertrautes Haus!

Gemüt, bald wird dir wohl bei Windgebraus:

Du spürst, wie Herzensblut im Grauen waltet.

 

Der Krieger tritt gefaßt zum schönen Weibe:

Die Leidenschaften wägt ein großes Maß,

Daß Anmut ernstgeübten Leibern bleibe!

 

Bei Spielen, die kein kühnes Lied vergaß,

Erblickst du Jünglinge mit heller Scheibe:

Sie adeln Wettstreit, als geglückten Spaß.

 

 

An Pindar

 

Des Barden Ruhm vollendest du beim Ringen

Gebräunter Jünglinge um holden Preis,

Bescherst dem Herrlichsten gesungnes Reis,

Nach Wettkampf und des Läufers Sieg-Erspringen.

 

Wie lieblich deines Staunens Silben klingen,

Wenn ein Gedichteter erschaudernd weiß:

Zu blutendem Erinnern perlt mein Schweiß,

Von mir kann Kunde kühn zu Kriegern dringen!

 

Um Hellas funkeln, Pindar, deine Sorgen,

Apollo lodert dir als Gott und Held:

Im Jüngling strahlt uns dein gepriesner Morgen.

 

Des Edlen Leib verklärt dir frei die Welt:

In seltnen Menschen bleibt ihr Stolz geborgen,

Ein Herz Behältnis für das Himmelszelt.

 

 

Der Sieger

Für Lukas Peterich

 

Athen bejauchzt seinen berauschten Sieger,

Dem in Olympia Ruhmestat gelang;

Von Lauf und Ringen kündet leicht der Gang:

Er glich, beim Hinsprung, Ikaros dem Flieger.

 

Wohl wünschte kühn sein Volk: die Glieder schmieg er,

Gewandter als ein Dorer ihn beschlang,

Um Gegners Nackenpracht, durch Kampfesschwang,

Und überwältige ihn wie ein Tiger!

 

Erjubelnde, auf vollen Marmorstufen,

Umpreisen den Gekrönten mit Gesang:

Begrüßt doch Glückliche gewognes Rufen!

 

Auch für Athen verlangt ihn nach Empfang:

Ergreiste, die zu seiner Ehre schufen,

Umhalst ein Arm, der Lehrern Sieg errang.

 

 

An Anakreon

 

O Lober des Dyonisos, Preiser des Weines,

Anakreon, Sänger so holder Gestalt,

Ich huldige auch des Bacchos’ naher Gewalt:

Ach, gliche dem Lied deiner Gottfeiern meines!

 

Entblitzte der Liebe ein hingefunkt-reines

- Urfrommend, doch eignes – Gedicht mir, so alt

Wie Weisen entzündeter Weltengehalt:

Gelänge Erfülltsein Gehülltsein des Scheines!

 

Anakreon, Sehnsuchten singender Seher,

Dein Weh überwellt uns ein inselndes Meer:

Du pochst an die Pforten Verliebter; nicht eher

 

Entweiche vom Weltweg, als bis der Begehr

Nach flammenden Herzen veratmet! Beweher

Erglühender, wettre auf Wolken einher!

 

 

O Sonne

Alice Berend zugeeignet

 

O birg in kühnem Leben Sonnenstunden,

Dein Wesen bleib um Wonne hold in Sorgen;

Die Sonne schenkt sich fordernd: borg zu borgen,

Laß eignen Überschwang durch Gold umrunden!

 

Wie froh gekühlte Sommermonde munden!

In Weinesröte loht ein stolzer Morgen

Der ewigen Erwachtheit traut geborgen:

Sein Tag in uns singt alte Sonnenkunden.

 

O Sonne, meine Seele sei ein Garten,

Berühre sacht der Triebe zartes Sprühen:

Ein Mensch ist lenzgewohnt, weil voll Erwarten!

 

O Sonne, weil behutsam um mein Mühen:

Wir fühlen freudig ferne Feuerfahrten,

Die, fruchtbar durch den Geist, dür dich erglühen!

 

 

Wesen

Alice Berend zugeeignet

 

Aus Sonne ist mein Wesen hergesponnen:

Empfohlen ward ein Leib in seine Hut,

Und er gedeiht, denn eifrig quillt das Blut,

Mein Auge nun hat fromm sein Glück begonnen.

 

Der Sonne zu, bin ich aus Haft entronnen,

In der umwurzelt Gott auf uns beruht;

Jetzt seh ich Ihn: sein Blick bewahrt mich gut,

Drum Welt, dir hab ich goldnen Preis gewonnen!

 

Dem Baum verwandt, mit seinen Frühjahrstrieben,

O Mensch, bin Sonne ich und dann ihr Regen;

Ein Heimatwind wird unsre Wipfel lieben.

 

Wie Schatten mag sich Demut um dich legen:

Doch Sonnenkünder, der so kühn geblieben,

Lebendiger, besorg der Söhne Segen!

 

 

Die Göttin im Garten

 

Begegne der Göttin der Liebe im Garten!

Sie sei dir das sonniglich sorgsame Weib!

Sie wolkte vom Meere – verhüllt war der Leib –

Und trat zu den Pflanzen, die bang ihrer harrten.

 

Nun hegt sie uns treu, nach fremdhaften Arten:

Seid freudig und fromm, daß lang sie verbleib,

Die Feinde der Leute beim Dorfe vertreib,

Wir sollten sie morgens, im Taublau, erwarten!

 

Verehrt sie und haltet im Hühnerhof Tauben;

Auch Schildkröten liebt ihre Sachtheit im Grün;

Genügsamkeit lobt, wenn sich Büsche belauben!

 

O wüßtet ihr, wie sie euch hilft beim Bemühn,

So würden wir fürstliche Obstopfer klauben!

Sie bleibt uns ja nah, bis die Trauben erglühn.

 

 

Die Göttin beim Volk

 

O bleib beim Volk, geliebte Aphrodite!

Zur Vorstadt und Gehöften schickst du Tauben:

Wenn stadtwärts Wagen mit Berauschten stauben,

Befügst du sie in freudvolle Gebiete.

 

Du bietest Mädchen an, auf schnelle Miete,

Besänftigst Stürmische in dichten Lauben,

Daß sich Verwegne keine Jungfrau rauben:

Erfreut sei, wer vor Schenkelsäulen kniete!

 

Du bist beim Volk: drum lebt es nun zufrieden.

Wer staunte nicht, wie du dein Reich erweiterst,

In allen Gauen ist dir Gunst beschieden!

 

Geliebte Göttin, da du uns erheiterst,

Entschweb mir nicht, verweile sanft hienieden:

Herbeigeschiffte, bleib, daß du nicht scheiterst!

 

 

An Sappho

 

berühmte Sappho, Künderin des Feuers

Verzückter Liebe um ein schlankes Wesen,

Du hast so zarte Silben sacht erlesen,

Verklärter sang zu sein des Abenteuers,

 

Das hin, vor des Umarmungsungeheuers

Gewalt, dich streckte: ich bin Weib gewesen!

Du mußtest aus dem Rausch zu Mut genesen:

Nun segle ewig, Brecherin des Steuers!

 

Des Weibes Leidenschaft durchschwärmt der Meere

Felshalsendes Bestürmen, dann Zerstäuben,

Und gischtet steil geschmettert in die Leere.

 

O, wie die Sehnsüchte sich brünstig sträuben,

Zermalmt zu sinken, durch der Mahnung Schwere:

Zu Herzens Ehre sollst du Lust betäuben!

 

 

Ums Mond-Meer

 

Vernarrter Alp – ob Mond? – in kühler Liebe,

Zerdrückst du das Gewölk und wühlst ums Meer.

Gewogne Unholde beträum ich schwer

Und reck mich schräg: wie ich in Schwebe bliebe?

 

Mein Schlaf, jetzt stiebt verwünschtes Schwirrgetriebe:

Uns rührt gegeilter Wünschlein Schlupfbegehr,

Sie flimmern flink zum frischen Schwesternheer:

Nun schöpft im Schlamm, bald bleibt ein Aal im Siebe!

 

Du mußt die Haschsucht nach dem Lichtloch strecken!

Dort oben; doch es sinkt mir, wie gewohnt –

- Voll Wolken schon – wer wird es hold verstecken?

 

O Wonnewogen, wie sichs wohlig lohnt,

Euch – kraus in Krägen – bloß im Hemd, zu necken:

O Mond, von Menschlein werd ich toll umwohnt.

 

 

Die Göttin der Gestirne

Für Will Frieg

 

Wir müssen, als Mond, zu der Sternen-Vertrauten,

- Uns funkelnde Göttin – den Aufschwung beflügeln,

Gehimmelter Weltwunsch entwand sich aus Zügeln,

Die blitzlich in schlingernde Schiefen zerblauten.

 

Erblick du dich, Schmachter, bei Perlen und Rauten!

Wenn bändernde Bäche den Heimschlich erklügeln,

Entgeister, mit gleißendem Mondglanz, den Hügeln

- Wohl Mündungen zu – wo sich Sehnsuchten stauten!

 

Wir müssen, als Mond, zu der Sternengeliebten,

Die Urbrunst zur kommenden Sonne beschwichtigt:

So spür, wie ihr kränkelnde Möndchen entstieben!

 

Wenn bloß uns ein Herz junge Weisung berichtigt,

So schweift mich Beruf durch die sternsteilen Bauten,

Wo ernst wir die Braut, vor den Müttern, erschauten!

 

 

An Homer

 

Gedichteter, noch mächtiger, weil freier

Als der Kronide, Herr im großen Meer,

Umplätschre uns, Besänftiger: Homer,

Dir sei, in Hellas, blauer Tag die Feier!

 

Drei Musen lobten, zu Apollos Leier,

Der Männer heldenhaften Kampfbegehr,

Athena bracht ihn dem Achajerheer

Und dachte, bei Atriden glüh, gedeih er!

 

Homer, du hast Achill zur schlacht erkoren,

Warst seine Stimme durch der Zelte Flucht,

Ein Schrei der Seherin vor Ilions Toren;

 

Dein Rufen schürte der Verwegnen Wucht,

die Ruhm, in heilem Sang zum Tod, erkoren:

Dann ruhtest du – wie Meer – in runder Bucht.

 

 

Mein Meer

Sapientum templa serena.

Lucretius

 

Mein Meer, Millionen holde wesen pochen

Um stummes Eiland aus verloschnem Traum;

Wie wälzen sie sich schwer und wispern kaum:

Du hast den Seelen Stille doch versprochen!

 

Beschäumte Tiger kommen angekrochen,

Auch tolle Hunde, mit dem Maul voll Schaum,

Des Hades Brut entbäumt sich Plutos Zaum

Und wütet, Wüsten wild zu unterjochen!

 

Enttauche nun, erstauntes Wunderschauen:

Gekrümmte Rhythmen spannt das steile Zelt,

Die Sonne singe leicht und frei im Blauen!

 

Wie zart und durchsichtig wird meine Welt!

Gewelle ihrer Meere faßt Vertrauen,

Daß einst der letzte Möwenschrei zergellt.

 

 

An Plato

Florens Christian Rang zugeeignet

 

Es trafen sich die Sonnen auf der Stirne,

Die Plato schwer zur innern Hut geneigt;

Er wußte, durch des Leibes Blutbusch zweigt

Ursprünglichkeit des Herzens, bis zum Firne

 

Krystallhafter Gestalten überm Hirne,

Zu dem sich der Erbrachtheit Spiegel zeigt:

Dann, unter Kühle, wo die Preisung schweigt,

Erklingt der Gang ergöttlicher Gestirne.

 

Ihr Himmeln wandelte unter Platanen,

Da Plato, du den alten Staat entwarfst!

Kein Mann erschritt Vollzug so klug den Ahnen,

 

Als er, der sich besonnen hat; du darfst,

Zu steigen, Liebendlebende ermahnen!

Ergreif uns Herr, der du Gesetze harfst!

 

 

Meine Erde

Der Freundin Toni Sussmann

 

Zu große Sonne fand ich auf den Wegen,

Uns holde Erde, hin zur offnen See;

In deinen Grotten schrie ich auf, vor Weh,

Doch bald betraf mich sachter Sternensegen.

 

Mir bleibt an später Wiederkunft gelegen:

Das Leben lieb ich, wo ich Kinder seh,

Auch Wald und Wesen – ach, zumal das Reh;

Wann dürft ich traumreich meinen Garten hegen?

 

Du sollst, bei Blumen, dich für Sterne sammeln,

Wir sind noch für die Erde fast zu jung,

Vermögen kaum, Versprechen wahr zu stammeln!

 

Warum die Furcht vor unserm Hadessprung?

Vor Sternendrachen mag ich mich verrammeln,

O Mutter, gib mir tief Beruhigung!

 

 

An Phaidros

Rudolf Pannwitz zugeeignet

 

Geliebtes Traumbild, über mir in Schwebe,

Vielleicht mein Zwilling, sternhin abgeneigt

Von diesem Wesenswuchs, der sich verzweigt,

Doch fromm macht, daß der Blick sich dirzu hebe,

 

Ich weiß wohl, wie ich flehend elend lebe!

Ein Bruderflug, der immer steiler steigt,

Mich bald als Ares, ein Gestirn, umreigt,

Entkreist, weil ich dem Schmachten mich ergebe.

 

Auf seinem Boden weilt der stolze Bauer,

Bringt bloß den Göttern hohe Opfer dar,

Durch ihn empfängt die Erde Halt zur Dauer.

 

Dein Phaidos flog davon und glaubt dem Aar.

das Herz bestimmte dir Gesang der Trauer:

Doch blieb ich, wo ich seltsam selig war.

 

 

Pegasus

Für Carl Schmidt

 

Auf großen Wogen, Sohn der Gorgo, fliege,

Beschwingtes Roß, ins Tagesgold empor!

Ich blicke hin, aus buntem Bogentor

Der Sonne, nach bedrohtem Wolkensiege:

 

Die Nebel perlen ihr, als Himmelsstiege,

Erschreckt und rasch zu Tal: sie fruchtet vor.

Doch Pegasus, nun strahl als Meteor,

Entzückt mein Blut zum sang im Sonnenkriege!

 

Wir folgen dir durchs Flügeln unsrer Ruder:

Ein Glückender, Berufer, stürz dir nach!

Ich traue ihm durch Glauben an den Bruder.

 

Erlieblichung der Schwester aus der Schmach

Gelingt dem Irdischen: den Urfluch lud er

Auch seinem Herzen auf, das Mut versprach.

 

 

An die deutsche Sprache

 

Ein mächtiger Mond überwältigt Gestalten,

In Stummheit um schauderndes Spüren gebaut,

Gebeut ihnen: Sagt! Und da hört ich den Laut

Der Vorfahren freundlich im Wunderwald walten.

 

Ich seh Zugedichtete Ansprachen halten:

Woher an das Ich, daß ihm hingebannt graut?

Bald lispelts durch Finsternis lieblich und traut:

Was wolkt, als ob Sprachen ums Mondwort sich ballten?

 

Ich lächle bloß einer: da stürzt sich ihr Segen

Aufs Fühlen aus Glück, daß ich Mensch bin, herab.

Dann tret ich dem Monde bekennend entgegen:

 

Er schirrt ein Gespann mir, zu rhythmendem Trab!

Der Fron frei entdacht, übertrumpft mich Sich-Regen

Geschilderter jäh: ihre Reden sind knapp

 

 

An die Heimat

 

Geliebte Heimat, bleiches Bild im Winde,

Olivenhain in der Zypressen Hut,

Beseeltes Meer, so voll Bestürmungsglut,

Betrau mit Wohllaut mich – zum Angebinde

 

Dem eingehändigten, dir fremden Kinde!

Du sinnst wie eine Mutter, leuchtend, gut;

Italia, dirzu strahlt der Stern im Blut,

Sein Hoffen blickt dich an, so bleib gelinde!

 

Zu hoher Sonne sprossen meine Triebe.

Gesund im Süden, steh ich stark an Wuchs:

Blieb Süße auch Besinnung bloß an Liebe!

 

Gelänge mir, als Zier des Krönungsschmucks,

Der hell auf deinen schwarzen Flechten ruht,

Ein Lied, voll Funkelglut, durch dunklen Mut!

 

 

Aus Verlorenheit

Meinem Vater

 

Gelobtes Land der Eltern mir, des sanges,

Einst wähnt ich mich verträumt an deinen Rhein,

Erzählte Nordgold, dort gehört zu sein:

Ein Horn so vollen Sonnenüberschwanges,

 

Das altes Licht, aus Magierhand am Ganges,

- Auf Gletscher überstülpt – zu Urgedeihn

Aus Finsternis, euch fordern sollte und befrein,

Beschloß ich deutsch zu bringen: wohl gelang es!

 

Noch weil’ ich fort, im Morgenland, beim Wogen

Beseelter See um Hellas’ hohen Strand!

Verheißungen, ihr habt noch nie getrogen:

 

Ein Donnern holt uns bald! Dann schwankt die Wand.

Wer griff zum Blitz? Von Lichtschwertern beflogen,

Ersprüht das Reich. Umfaß uns Flammenband!

 

 

Den Griechen

 

Das Inselmeer zertrümmert eine Sonne,

In zärtlicher Umblauung, jeden Tag,

Beschenkt mit ihren Splittern Wald und Hag,

Beschert auch uns Verwundertheit und Wonne.

 

Der Mann durchgoldet froh die kühle Tonne

Mit Saft, der Plage mundendem Ertrag:

Er stärke ihn vom Palikaren-Schlag,

Die Söhne auch, als kommende Kolonne!

 

Reicht heitre Griechensonne mir im Becher!

Der Trank ist stark: ihr Gastlichen habt Dank!

Zu euch gehört der Fremdling bald als Zecher.

 

Des Weines Heimat feiern wir mit Sang.

Sein Gott war kühn und ein beherzter Sprecher:

Von Freiheit kündet uns der tolle Schwank.

 

 

Wunsch

 

Ich schlürfe Freude aus des Freundes Schale,

Dir, Sonne, bring ich kühnes Feuer dar;

Aus wo-gebundner, ungenannter Schar,

Verkünden wir dein Lob, in offenem Saale.

 

Du lädst uns sorglos ein zu freiem Mahle,

Wir nahen: Wachsame beim Lichtaltar.

Dir dankt, zur Hochzeit, das beglückte Paar,

Im Auge funkt Beschluß vom Herzensstrahle:

 

Wir schwanken nicht zurück vor deinem Fordern,

Erglühte Hüter deiner Huld zu sein!

Bewährt ich, dir zu taugen, mich bei Vordern!

 

Durch eigne Güte, Sonne, sind wir dein:

Du sollst mein Lied zum Morgengruß beordern,

Am Mittag mag des Mannes Mut gedeihn!

 

Halimus, im Frühjahr 1923