1876 – 1934
Die Lieder verlieben sich still
mit dem Nile.
Dort hockt ein Flamingo auf
blutender Glut;
Am Tag meine Lampe; und
leuchtet so gut.
Kein Dort, wo es Wortlosen
kommend gefiele.
Gedichte ersammelt sich
Fortflut wie Spiele.
Der Vogel hat nie bis zu Gott
hin geruht:
Auf einziger Stelze entflammt
seine Hut:
Flamingo ersichtet vor
fließendem Ziele.
Gesegnetes Ebben im Schenkel
der Wüste,
Dort wittert das Tier,
feuerflügelnd, nach mir:
Einst hab ichs gewahrt, noch
Löwin, halb Büste.
Oft Ei und dann Vogel, erwarte
mich, Tier!
Dich findet Gesang, weil ihn
Atem lebendigt:
Beim Herz ward der Hauch
unsrer Herkunft umendigt.
1876 – 1934
Gar hochgesteilt in
spitzgefrornen Mondlichthallen
Lustwandeln lose große
Silberelefanten.
Ein altes Sternenbecken mit sechs
Marmorkanten
Läßt seine Fülle in den
Tempelweiher fallen.
Nach heilgem Schritte müssen
still die Tiere wallen:
Sie ahnen wohl, daß Götter sie
um Säulen bannten,
Und treten vor ihr Bild, wie
wissend, zu Bekannten:
Die Hufe sind besetzt mit
seltsamen Metallen.
Das Wasser spricht allein: muß
jubeln und kann klagen.
Den Tempel kennt kein Mensch –
und kaum geträumte Wesen:
Im Urwald, heißt ein Spruch,
mag er bei Nacht entragen!
Die Elefanten scheint ein
Zauber zu erlesen:
Sie bleiben einsam, merken nie
die bleichen Fische;
In ihrem warmen Schlaf kommt
einst der Schwan der Frische.
1876 – 1934
Die Nacht bricht auf in uns,
mit Schreck und Sternen;
Der Mönch sang ihr Beruhigung
in Kammern,
Die unsern alten Ball zusammenklammern:
Sonst stürzte jäh die Welt
durch Weltenfernen.
Gesang erfaßt sein Volk an
heilen Kernen
Und treibt den guten Keim aus
Glutentstammern
Zu Gott im Wort, das Menschen
laut erjammern:
Damit Drumhorchende Bestehn
erlernen!
O Sterne zittern: Kloster,
birgst du Frieden?
Sonst faßt der Welten Wehung
uns: wir stürzen!
Noch hält die Nacht ein fester
Mönch hienieden.
Der Tag im Menschen wird
zerzaust verrinnen,
Ein Klosterbrand kann ihn
unnennbar kürzen;
Der Erdbruch kommt! Hält uns Durchbetung
innen?
1876 – 1934
Wahrhaftig die Trauer der
salzigen Meere
Erwacht uns in Jesu, dem
herrlichen Knaben.
Er öffnet den Mund zu
erstrahlenden Gaben:
Die Welt überglüht seine
menschliche Lehre.
Das Weltherz ist klar, wie der
Schmerz einer Zähre.
Und Sterne, die nur noch ein
Muttermeer haben,
Empfangen Gescheiterte, um sie
zu laben,
Denn oben enttauchen wir, -
sanft, ohne Schwere.
Maria, die Kummer der Engel
erlitten,
Blickt still auf die Wunder des
leuchtenden Kindes
Und hofft, für die Unschuld
der Menschen zu bitten.
So wünscht euch die Reinheit
des künftigen Windes!
Er weht und er naht uns mit
meerfeuchten Schritten:
Er hilft euch, als Hauch eines
Lichtangebindes.
1876 – 1934
I.
Madonna, ich sah dich am
sternhellen Meere,
Da kamen im Winde die Toten zu
mir,
Dann wuchs eine Sichel mit
grausamer Gier
Und schnitt in die Weihe der
Seelenverkehre.
Ich suchte und fand keine
Hilfe zur Wehre.
Schon ward jene Schlange ein
blendender Stier,
Und sieh, jenes Tier ist jetzt
immer noch hier!
Das Kind und den Gatten
erdrückt seine Schwere.
Maria, verscheuche den Bringer
der Schrecken,
Ich schenke dir gerne mein
gischtweißes Haar,
Das Meer aber möge sich wieder
verstecken.
Ich bringe die Milch meiner
Weiblichkeit dar.
Ich will deinen Hauch milder
Hilfe erwecken,
Erwehe das Schweigen: ein
Wird-wie-es-war.
II.
Um Neumond ist traumblau der
Gatte erschienen.
Sein Kommen verbreitete heimliches
Schweigen,
Es mochte mein Wesen sich
gleich zu ihm neigen,
Da war er um mich, wie ein
Schwärmen von Bienen.
Ich wollte sein Nahesein
treulich verdienen
Und gab ihm, was irdisch der
Seele zu eigen,
Um Liebe und Reinheit vereint
zu erzeigen:
Da schwirrte es licht, wie das
Knistern von Kienen.
Ich ah ihn: schon war seine
Mannheit vergangen,
Das bartlose Antlitz
allwissend verjüngt,
Der Mund ohne Purpur und
farblos die Wangen.
Ich habe mich seiner
teilhaftig bedünkt:
Sein Wollen durchwogte mein herzhaftes
Bangen,
da ward meine Weichheit mit
Tränen gedüngt.
III.
O Meer! du, ich brauche von
dir eine Träne!
Oft mag sie dein Anblick der
Seele gewähren,
Da lächelt mein Kind durch den
Schimmer der Zähren,
Das hold ich sein Mündlein im
Augenrot wähne!
Ach, wo ich das ferne Getändel
ersehne,
Kann rasch sich der Salzquell
der Schmerzen entleeren:
Und wenn auf den Händen die
Tränen sich mehren,
So glaube ich, daß sich ein
Hauch an mich lehne.
Bald perlen die Finger von
kindlichem Blicken:
Auch streichle ich leicht
meinen flimmernden Arm
Und fühle ihn, hingeküßt,
Kühle erquicken.
Mein Glück ist nun zart mein
zertränender Harm.
Das Kind scheint dem
sickernden Naß zuzunicken:
es ist ja wie Milch so
beseligt und warm.
1876 – 1934
Es rollt der Löwe
zweiunddreißig Sonnen,
Zu seinen Füßen und im eignen
Leibe,
Im Sommer, nahe vor die
Sonnenscheibe,
Und lose Wolken sind sogleich
zerronnen.
Die Erde aber bleibt von Gold
umsponnen
Und fast verschleiert nackt,
gleich einem Weibe,
Für das es schicklich, daß es
übertreibe,
Was Triebe ihm und Sitte
angesonnen.
Dann schlafen alle Träume,
alle Schäume.
Bloß Mittagswissen loht auf
jedem Zweige,
Und wie entirdischt stehn die
stillen Bäume.
Da ist’s, als ob der Geist zum
Dingsein neige:
Um die Gestalten schwirren
Atemsäume,
Kein Wesen wünscht, daß wahr
ein Gott entsteige.
1876 – 1934
In einem Land, wo alle Dinge
traumhaft schauen,
An einem blauen Wundermeer kam
ich zur Welt.
In einer Au, die ihre Pracht
verborgen hält,
Begann mein wesen seinen
Rätselturm zu bauen.
Aus allen Mienen dort glüht
gütiges Vertrauen:
Was sanft in jenen Fernen in
die Augen fällt,
Erbaut dich Zaghaften, von
Seelentum erhellt!
Das tiefe Schauen schweigt vor
solchem Weltergrauen.
Ich glaube noch an jene blauen
Morgenmeere,
Und oftmals blickt mich, was
ich nie bemerkte, an.
Ja, Lieder perlen, wie in
fremdem Augenbann.
Mein Träumen taut auf Blicken
ohne Ort und Schwere.
Mein Sang, der nirgendwo und
so von selbst begann,
Will fragen, sehn und sein:
und funkelt in die Leere.
1876 – 1934
Ich rufe! Echolos sind alle
meine Stimmen.
Da ist ein alter, lauteleerer
Wald.
Ich atme ja, doch gar nichts
regt sich oder hallt.
Ich lebe, denn ich kann noch
lauschen und ergrimmen.
Ist das kein Wald? Ist das ein
Traumerglimmen?
Ist das mein Herbst, der
schweigsam weiterhallt?
Das war ein Wald! Ein Wald
voll alter Urgewalt.
Dann kam ein Brand, den sah
ich immer näher klimmen.
Erinnern kann ich mich,
erinnern, bloß erinnern.
Mein Wald war tot. Ich
lispelte zu fremden Linden,
Und eine Quelle sprudelte in
meinem Innern.
Nun starr ich in den Traum,
das starre Waldgespenst.
Mein Schweigen, ach, ist aber
gar nicht unbegrenzt.
Ich kann in keinem Wald das
Echoschweigen finden.
1876 – 1934
Das Leid, in dem ich willenlos
ertrinke,
Entfernt und wellt mich oft an
einen Strand,
Vielleicht in aller Sehnsucht
Mutterland,
Von dem aus ich den andern Träumen
winke:
Und wenn ich drüben meinem
Selbst entsinke,
So bin ich nackt und doch im
Schamgewand
Und nehme scheulos einer
Jungfrau Hand
Und freu mich, daß ich frei
von Schäumen blinke.
In jenem Osten bin ich oft
gewesen.
Von dort weht holde Hoffnung noch
herbei:
Hat drüben eine Seele mich
erlesen?
Man wandelt dort fast schein-
und schattenfrei,
Und doch voll Sonnenwohl sind
jene Wesen!
Was schöpf ich noch im trüben
Allerlei?
1876 – 1934
An hellen Tagen, wenn die
Stunden gelber blinken,
Befährt ein Mönch in einem
kleinen Segelboote
Die braune Flut, die eben voll
im Golde lohte,
Und er vermag sanft, Fische
fern herbeizuwinken.
Sie tauchen still und silbern
auf, das Licht zu trinken,
Und da erklärt ihnen der Mönch
die zehn Gebote,
Verteilt unter die Horcher
sieben große Brote
Und zieht dann fort, wenn tot
die Tagesfalter sinken.
Er kann auch ruhig ohne Wind
und Ruder fahren,
Denn immer, wenn er auftaucht,
folgt ihm eine Brise,
Und oft vermag ein Auge nah
ihn zu gewahren.
Da ists, als ob ein Geist bloß
in das Segel bliese,
Denn gar nichts regt sich dann
in seinen blonden Haaren,
Und ungekräuselt bleibt das
Gras der nahen Wiese.
1876 – 1934
Ich singe, wenn die seltnen
Sterne glänzen,
Der Halbmond sich dem Meer
entgegenneigt,
Das dunkle Friedensblau der Au
entsteigt
Und alle Fluren sich mit Tau
bekränzen.
Ich singe zu den
Mondschrittänzen,
Bevor das sanfte Perlengrau
sich zeigt,
Wenn spät die leise
Windesstimme schweigt,
Und muß in mir die Furcht der
Flur ergänzen.
Doch auch in meinen blassen
Tagesträumen
Erwacht gar bald der
Farbenklang der Nacht
Und hält mich unter
frischbetauten Bäumen.
Ein fernes Meer vermute ich
dann sacht,
Und auch der Hauch von goldnen
Ginstersäumen
Sei mir mit seinem Rauschen
nahgebracht.
1876 – 1934
Das Eiland meiner Wünsche ist
vergessen,
Verträumt der Hauch seiner
Nachmittagswärme,
Hinweg der Trauer traute
Bienenschwärme,
Umsonst muß ich die Lider
niederpressen.
Ich sehe wohl des Felsens
Strandzypressen,
Doch nie die Au, für die ich
draußen schwärme:
Und wie ich mich am Meer um
Frieden härme,
So muß mein Herz sein Fernehin
ermessen!
So bleib ich denn in meinem
Hain von Lichtern:
Berauscht vom Glühgeblüt in
düstern Lauben,
Begegne ich dort andrer Welten
Dichtern.
Mich wiegt ein Meer. Ein Leib
schnürt meinen Glauben.
Und dennoch pflücke ich mit
Traumgesichtern
Die holden Hoffnungen von
Sternentrauben.
1876 – 1934
Der Efeu dort am gotischen
Palaste
Verschlängelt sich zum
marmornen Balkone:
Sein Schattenwesen gleicht
einem Spione,
Den irgendwie ein Rachewunsch
erfaßte.
Du lauerst, ob er wachsend
weitertaste,
Um klarzuwerden, wer das
Schloß bewohne
Und ob sich dorthin ein Verrat
verlohne:
Er winkt ja schon mit einem
freien Aste!
Nun blickt der Mond um eine
hohe Ecke:
Und sieh, ein Weib erscheint
hinter den Scheiben,
Was hält es bleich verwelkt an
einem Flecke?
Der Efeu muß noch viele Zweige
treiben,
Damit er seinen Kundschaftsweg
vollstrecke:
Die Dinge sterben ab, die
Rätsel bleiben.
1876 – 1934
Der Vollmond naht des Meeres Silberrande,
Und geile Lippen schwellen ihm
entgegen,
Du siehst am Seegrund sich
Ertrunkne regen:
Gespenster lösen alle
Leichnambande.
Das Totenflüstern aber zeitigt
Schande,
Die Stunde siehst du seltsam
Grauen hegen,
Den Vollmond sich bequem aufs
Wasser legen,
Und Angstgekicher weht zum
gelben Strande.
Einst wird der Leib im
Seelenschlund ertrinken,
Was ich geschaut, ihn kurz und
flink umgischten,
Dann jede Taggestalt
zerblinken, sinken.
Gar oft, wenn sich Geschicke
in mir trafen,
Erriet ich, daß um mich sich
andre mischten,
Einst aber kann ich nackt und
einfach schlafen.
1876 – 1934
An perlenblassen
Sommersonntagsmorgen
Erscheint ein Himmelskind
unter en Dingen.
Ihm öffnet kühner Übermut die
Schwingen.
Und selbst der Wind hat kaum
was zu besorgen.
das freie Meer bedenkt kein
frohes Morgen,
Denn wenn sich Träume über Tag
verdingen,
So ist es nicht, um selber zu
gelingen:
Ein Sonntag ist ja überall
verborgen.
Der Sohn der Sonne wird in uns
geboren.
Er strahlt aus Taten, die dem
Tag entstammen,
In unsre Welt, die Gottes Wort
verloren.
O bleiben wir doch ohne Ort
beisammen!
Der Sonntag hat uns, wo wir
sind, erkoren:
Die Werke, Wesen werden seine
Ammen.
1876 – 1934
Der Sturm erfüllt das ganze
Meeresdunkel.
So horcht, von Osten kommt das
große Tosen.
Es möchte rufen, doch im
atemlosen
Sichüberstürzen hörst du bloß
Gemunkel.
Nun brüllt es auch, und
zischendes Gefunkel
Umgeistert wunderlich
geschrobne Hosen,
Die Stengel tanzvernarrter
Wolkenrosen:
Und donnernd drohen oben
Glotzkarfunken.
Der Stier beginnt im Winde
hoch zu rufen.
Er bringt die Stille des
bewußten Starken
Und tritt die blinde Wildheit
mit den Hufen.
Die Murmenden beginnen
abermals zu harken.
Man dient dem Stier in hundert
Lebensstufen:
Die Arbeit wird die Wahrheit
aller Marken.
1876 – 1934
Der Werktag schleppt sich fort
in dickem Regen.
Ein Schiff wird in der Werft zurechtgemacht.
Dort drehn sich starke Krane
rasch mit Fracht,
Und auch der Regen wird sich
spät erst legen.
Das klare Wasser hört nicht
auf zu fegen,
Zu Ende sei die Arbeit bald
gebracht.
Da staunt: der Nachmittag
zeigt seine Macht,
Der Markuslöwe spendet blauen
Segen.
Im Westen ist er goldig klar
erschienen,
Er wälzt sich zwischen
Regenbogen vor
Und will, daß Flut und Wind
ihm dienen.
Die Menschen wimmeln durch des
Löwen Odemflor,
Die Boote auf der Goldsee
scheinen Bienen,
Und unsre Blicke krönt ein Siegestor.
1876 – 1934
Der Geist hat eine Eiche heute
Nacht geknickt.
Ich sauste, lausche auf. Ein
Riese war gefällt.
Der Hunger, samt der Brunst,
hat durch den Sturm gebellt,
Und ein Gespenst urplötzlich
unsichtbar genickt.
Von einer Eule ward ein Tier
zu Tod gepickt,
Der Westwind wo an einer
Waldeswand zerschellt,
Der Schreck befiedert übers
Feld emporgeschnellt,
Das Wasser hat wie eine
Schicksalsuhr getickt.
Es ist nun wo ein Ding
beschlossen oder aus!
Ich starre ganz zugegen in den
Geist der Welt.
Mein panisches Gehaben ist bei
sich zu Haus.
Viel eher als ein Narr bin ich
ein Held.
Ich brauche diesen
rauschenttauchten Braus und Graus
Und bin der Saus, der kraus
den Geist verzaubert hält.