Friedrich Rudolf Ludwig          Das Neue Jahr

von Canitz

1654 – 1699

So bleibt auf ewig nun das alte Jahr zurücke.

Wie teilt der Sonnen Lauf so schnett die Zeiten ab!

Wie schleppet und so bald das Alter in das Grab!

Das heißt wohl schlecht gelebt die wenig Augenblicke,

 

In welchen viel Verdruß vermischt mit schlechtem Glücke

Und lauter Unbestand sich zu erkennen gab!

Das heißt wohl schlecht gewohnt wenn uns der Wanderstab

Nie aus den Händen kömmt, wenn wir durch List und Stricke

 

Hinstraucheln in der Nacht, da wenig Licht zu sehn

Und Licht, dem allemal nicht sicher nachzugehn.

Denn so der Höchste nicht ein eignes Licht will weisen,

 

Das, wenn wir uns verirrt, uns Sinn und Auge rührt,

Ist alles Licht ein Licht, das zur Verdammnis führt.

O gar zu kurze Zeit! O gar zu schweres Reisen!

 

 

 

Friedrich Rudolf Ludwig          Der Sünden-Schlaf

von Canitz

1654 – 1699                                        O Gott! Jch bin nicht werth, daß Du mir so viel Güte,

Von Kindes-Beinen an, bis diesen Tag erzeigt.

Wie kömmts denn, daß mein Mund von deinem Lobe schweigt,

Da ich doch, ohne dich, in tausend Noth geriethe?

 

Wie kömmts, daß öffter nicht aus feurigem Gemüthe

Mein Weyrauch, voller Danck, zu deinem Throne steigt?

Ich habe, leider! mich zum Sünden-Schlaf geneigt!

Der Wollust süsser Traum entgeistert mein Geblüthe.

 

Herr, wecke du mich auf, der du mein Retter bist!

Ich weiß, daß in dem Schlaf mein Tod verborgen ist,

Daß Träume dieser Welt, wie leichte Schatten, trügen.

 

Komm bald, und mache mich doch deiner Liebe werth:

Und wenn mein müdes Hertz ja eine Ruh begehrt,

So laß es nur allein in deinen Wunden liegen.