von Canitz
1654 – 1699
So bleibt auf ewig nun das
alte Jahr zurücke.
Wie teilt der Sonnen Lauf so
schnett die Zeiten ab!
Wie schleppet und so bald das
Alter in das Grab!
Das heißt wohl schlecht gelebt
die wenig Augenblicke,
In welchen viel Verdruß
vermischt mit schlechtem Glücke
Und lauter Unbestand sich zu
erkennen gab!
Das heißt wohl schlecht
gewohnt wenn uns der Wanderstab
Nie aus den Händen kömmt, wenn
wir durch List und Stricke
Hinstraucheln in der Nacht, da
wenig Licht zu sehn
Und Licht, dem allemal nicht
sicher nachzugehn.
Denn so der Höchste nicht ein
eignes Licht will weisen,
Das, wenn wir uns verirrt, uns
Sinn und Auge rührt,
Ist alles Licht ein Licht, das
zur Verdammnis führt.
O gar zu kurze Zeit! O gar zu
schweres Reisen!
von Canitz
1654 – 1699 O Gott! Jch bin nicht werth, daß Du mir so viel Güte,
Von Kindes-Beinen an, bis
diesen Tag erzeigt.
Wie kömmts denn, daß mein Mund
von deinem Lobe schweigt,
Da ich doch, ohne dich, in
tausend Noth geriethe?
Wie kömmts, daß öffter nicht
aus feurigem Gemüthe
Mein Weyrauch, voller Danck,
zu deinem Throne steigt?
Ich habe, leider! mich zum
Sünden-Schlaf geneigt!
Der Wollust süsser Traum
entgeistert mein Geblüthe.
Herr, wecke du mich auf, der
du mein Retter bist!
Ich weiß, daß in dem Schlaf
mein Tod verborgen ist,
Daß Träume dieser Welt, wie
leichte Schatten, trügen.
Komm bald, und mache mich doch
deiner Liebe werth:
Und wenn mein müdes Hertz ja
eine Ruh begehrt,
So laß es nur allein in deinen
Wunden liegen.