1605 – 1660
I. An Lesenden. Mehr dencken,
als lesen
Hundert Bücher, hundert Leben,
Trag ich, lieber Lesern, dir
In den hundert Reimen für,
Wilt du darauf Achtung geben.
Bücher nach dem Ende streben,
Ist der Anfang suchen hier.
Leben: eitel Wonn und Zier
Wird um dein Verständnüs
schweben.
Aber diese Bücher seyn
Ruh und Frieden im Gewissen:
Dieses Leben, Glantz und
Schein
Und darinnen Gott genüssen:
Ich wil diese Thür, geht ein,
Dir sechs hundertmal
aufschliessen.
Nichts überhin.
II. An Forschenden. Alles
Eines in Einem
Du must, wilt du den Grund
beschaun,
Daraus die Weisen Lehren
fliessen,
Des Lebens Wasser in dich
schliessen,
Und unserm Mittler gantz
vertraun.
Es wird, wirst du mit mir
drauf baun,
Sich in dir dein Verstand
ergiessen,
Ja Lebens Ströme werden
schiessen,
Und weisre Lehren auf uns
thaun.
In Ihm ist Gott, Natur und Wir
Und alle Wundersprüch ein
Wesen:
Kanst du, er wird ein Geist
mit dir,
Die Reim aus diesem Grunde
lesen.
Doch bist du bloß, wann voll
Begier
du darnach lebst, mein Mensch
genesen.
Ohne Leben Tod.
III. An Durchdringenden. Das
Schönste ist droben
Schwinge die Flügel der Seelen
empor!
Oben die schönste Gestalt zu
beginnen,
Schaue, der Glauben, Vernunft
und die Sinnen
Treten wie selber der Engel
ihr Chor.
Glauben: weil er bey Gott
eintig kommt vor,
Die Vernunfft: weil sie
gereinigt von innen:
Sinnen: dieweil sie sich
können besinnen,
Öffne die Augen, sie öffnen
das Thor.
Schaue, wie schön dich der
Glantz wil bewonnen.
Drinnen die Obigste
Selbständigkeit
Überall kommt entgegen
geronnen,
Sie beschleußt dich schon, und
du bist noch weit!
Aber halt an, du verbrennst in
der Sonnen,
Du bist des Fluges: sie in
dir:, befeyt.
Innwendig am
Schönsten.
IV. An Befreyten. Nicht nach
den Worten, sondern dem Sinn
Welchen der Wahn
Führet in Kethen
Mag ungebethen
Meiden die Bahn.
Welcher nicht kan
Oben in Städten
Neben Gott treten
Ist ungethan.
Wer du auch bist,
Frey must du gehen,
Wann du hier list,
Dan bloß ein Christ
Kan es verstehen.
O tieffe Höhen.
Diene Gott.
V. An Innigen. Innig und Einig
Mensch, wilt du Innig seyn,
Must du Gott in dich
schliessen,
Gott ist, das solt du wissen,
Gut, wahr, gerecht und rein.
Wann du Ihm triffst so ein
Im Leben und Gewissen,
Kanst Seiner du geniessen
Und wirst mit ihm gemein.
Sey Gut: hab allstets Ruh.
Wahr: beichte deine Sünden.
Gerecht: Sprich Christo zu.
Rein: laß dich nichts
entzünden.
So bist recht Innig du.
Den Weg wirst du hier finden.
Folge Christo.
VI. An Seligen. Heilige des
Sabbath
Hier beschleust das Sechste
Hundert, nunmehr fält der Sabbath ein:
Sencke Sinnen, Seel und Geist
tieff in deines Gottes Willen,
So wird seine Herrlichkeit
deines Hertzens Kirch erfüllen.
Die Dreyfaltigkeit wird selber
allda gegenwärtig seyn.
Ja du wirst voll Glantz und
Gnaden hier dein drey mal heilig schreyn,
Drüber Cherubin den Mund und
auch Seraphin verhüllen,
Dieser Sabbath wird dich mehr
als sechs hundert mal bestilen:
Höchster, gerne wil ich
schliessen, schenck uns nur des Sabbaths Schein.
Zu den Hertzen, zu den
Kirchen, lege sie verständig an,
Wirst du so viel Schlüssel
hier, als viel Reim und Lehren gründen,
Aber Christum must du lieben,
sonsten fehlest du der Bahn,
Er ist Schlüssel, Thür und
Kirch: Er muß dein Gebet entzünden,
Tritt Pythagoras zur Seiten:
hier ist der Verwandlungs Mann,
Heil und Leben können wir all
in seinem Tode finden.
Denck
an Sieben.
1605 – 1660 Über
menschliche Bemühung
Ich habe mein Gemüt auf manche
Kunst gewandt,
Auf manches Tun gelegt mein
Arbeit und Verstand;
Das Licht der Welt hat mir die
Bücher, wenn es kommen,
Gegeben in die Hand und wieder
draus genommen.
Kein Fleiß hat mir gefehlt; zu
Rom und zu Athen
Könnt als ihr Bürger ich
selbst hin und wieder gehn.
Ich hab aus großer Huld des Himmels
viel geschrieben,
Mich in der Heimlichkeit der
Weisheit können üben,
Getreten zum Gestirn,
erforscht, was Tag und Nacht
In Körpern über uns zu ihrem
Wechsel bracht.
Die Tür stund mir zu Kriegs-
und Friedensdiensten offen.
Fragt ihr: was ich zuletzt in
diesem angetroffen?
Ich hab, o großes Heil! den
Irrtum so erkannt;
Wißt aber, daß zunächst bei
ihm die Wahrheit stand.
1605 – 1660
Ihr
Reime fort: Ihr Söhne reiner Sinnen,
Du seelge Krafft der anderen Geburt,
Seyd wolgemuth, steigt freudig an den Port,
Ihr Schüler ihr, so Lehrer selbst beginnen.
Wenn mancher Geist der Krafft
wird werden innen,
Die aus euch strahlt und weist ihm euren Hort,
Denn wird er schreyn: Auf! Auf! Itzt last uns fort,
Itzt wollen wir im Wesen sammt zurinnen.
Wer inner sich das
ScheideWasser hat,
Dadurch die Seel auflöst die Ding im Wesen,
Wird euern Kern stracks brechen in der That,
Und Gott in Ihm, Natur in ihn sich lesen.
Was hör ich: Ab: Gebt den Phaleucus
stat,
Wer ihn nicht hört: Bleibt mit Euch ungenesen!
In kurtzen vollkommener.
1605 – 1660 An
Zacharias Allert
Was ist des Menschen Thun und
Lebenslauf? Ein Spiel.
Was ist vor Music dan darin?
Ein Blick der Frewden.
Was vor ein Eingang wird
gehalten? Stetes Leiden.
Wer teilt die Masken auf?
Natur ohn Mas und Ziel.
Wo ziehn wir Kleider an? In
unser Mutter Leib.
was ist dan vor ein Platz
darin wir spieln? Die Erde.
Was gibts vor Schauer dar? Den
Himmel ohn Gefehrde.
Was vor ein Inhalt ists? Ein
schneller Zeitvertreib.
Was ruft uns auf den Rat zu
ein? Die Zeitt.
Was vor ein Umbhangg deckt’s?
Das ewige Versehen.
was ist das Spiel? Nur
schrein, arbeiten, sterben, flehen.
Wer führt uns weiter weg? Der
Todt, der uns bereit.
Wo warten wir das End des
langen Spiels? Im Grabe.
Wer sagts? (O Mensch heut ist
dein Morgenfeir) Das Habe.