Joseph Eichendorff An
I - -
1788 – 1857
Von
trüber Bangnis war ich so befangen,
Da sprach Waldhorn zu mir aus
grünen Weiten:
Mir nach! durch unbekannte
Lande schreiten!
Rief immer fern und fern –
konnt’s nie erlangen.
Wo führst mich endlich hin?
sprach ich voll Bangen,
Weit Freund’ und Welt von
diesen Einsamkeiten!
Da klang es fern und nah wie
alle Zeiten,
Dich sah ich fröhlich stehn am
Bergeshange.
Und unten lag ein weites Land
so helle,
War aufgetan die ew’ge Farbenquelle,
Nach Osten sah man fromme
Pilger ziehen.
So nimm nur alles, was ich
lieb und habe,
Gern laß ich ja die Welt und
ihre Gabe,
Mit
dir nur, Liebster, will ich ewig ziehen!
Joseph Eichendorff An
Isidorus Orientalis
1788 – 1857 Zu
den Sonetten an Novalis
Erwartung wob sich grün um
alle Herzen
Als wir die blaue Blume sahen
glühen,
Das Morgenrot aus langen Nächten blühen –
Da zog Maria ihn zu ihrem
Herzen.
Die Treuen schlossen sich in
tausend Schmerzen,
Erfüllung betend wolltn sie
ewig knieen;
Da sahn sie neuen Glanz die
Blumen sprühen,
Ein Kind stieg licht aus ihrem
duft’gen Herzen.
Solch Glühen muß der Erde Mark
durchdringen,
In Flammen alle Farben
jauchzend schwingen,
Ein gotterklungner unermeßner
Brand!
Wie ruft es mich! – Reich
fester mir die Hand –
Hinunter in den Opfertod zu
springen!
Du wirst uns all’ dem Vater wiederbringen! -
1788 – 1857
Mit vielem will die Heimat
mich erfreuen,
Ein heitres Schloß an
blaugewundnem Flusse,
Gesell’ge Lust, Mutwill und
frohe Muße,
Der Liebe heitres Spiel, süß
zu zerstreuen.
Doch wie die Tage freundlich
sich erneuen,
Fehlt doch des Freundes Brust
in Tat und Muße,
Der Ernst, der herrlich
schwelget im Genusse,
Des reichen Blicks sich wahr
und recht zu freuen.
Wo zwei sich treulich nehmen
und ergänzen,
Wächst unvermerkt das freud’ge
Werk der Musen.
Drum laß mich wieder, Freund,
ans Herz dich drücken!
Uns beide will noch schön das
Leben schmücken
Mit seinen reichen, heitern,
vollen Kränzen,
Der Morgenwind wühlt um den
offnen Busen!
1788 – 1857 An H. Gf. v. Loeben
Demütig kniet ich vor der
Jungfrau Bilde,
Erflehend nur ein einzig
Liebeszeichen,
Das nicht in Angst und Pein
möcht von mir weichen.
Sie gab mir – Mut und Andacht
milde.
Nun drängt ein Schmerz mich
süß und sanft und wilde,
Daß ich mir ihrer Wunder
Himmelreichen,
Die weiter als mein ird’sches
Leben reichen,
Wie ich sie himmlisch schau,
die Schöne bilde.
Mir fehlen Töne noch und
Himmelsfrieden;
Dir ward Erfüllung frühe schon
beschieden,
Dein Himmel ist, wo zauberte
dein Beten.
Hast du den höchsten Wunsch
mir nun genommen,
Werd ich demutsvoll wieder vor
dich treten;
Eins sein mit dir, kann nur
allein mir frommen.
1788 – 1857
Es will der Morgen sich von
weitem zeigen,
Das dunkle Meer im Innern
still erglühen,
Erwartungsvoll die reinen
Segel blühen,
Doch deckt noch all’
geheimnisvolles Schweigen.
Wird erst die Sonne auf die
Berge steigen,
Gewaltig Licht in alle Lande
blühen,
Sieht man ein frei Geschlecht
nach Angst und Mühen
In stolzer Demut fromm die
Kniee beugen.
Unendlich’ Wunderfernen sind
gelichtet,
Unzählig’ Lieder himmelwärts
auflagen,
Daß treue Liebe Gegenlieb
erreichte. –
Wer frei geboren, ist schon
längst geflüchtet,
Die andern faßt ein
unaussprechlich Bangen,
Der Sieger zieht zum alten ew’gen Reiche.
Joseph Eichendorff Burg
und Kreuz
1788 – 1857
Wie glühten Burg und Kreuz im
Morgenstrahle!
Viel frohe Sänger, fromme
Pilger sungen,
Und durch die Wälder Hörner
frisch erklungen,
Und heil’ge Funken sprühnd vom
zorn’gen Stahle.
Versunken sind die alten Wundermale,
Nur eine Waldkapelle
unbezwungen
Blieb einsam stehen über den
Niederungen,
Die läutet fort und fort hinab
zum Tale.
Doch unten treibt die Menge
dumpf vorüber,
Nur ein’ge trifft der Laut –
die stehn erschrocken,
Und Heimweh zieht magnetisch sie
hinüber.
Ein alter Mönch zieht oben
still die Glocken,
Reicht fest die Hand und führt
aus der Verheerung
Durchs alte Tor die Treuen zur Verklärung
1788 – 1857
Hoch mit den Wolken geht der
Vögel Reise,
Die Erde schläfert, kaum noch
Astern prangen,
Verstummt die Lieder, die so
fröhlich klangen,
Und trüber Winter deckt die
weiten Kreise.
Die Wanduhr pickt, im Zimmer
singet leise
Waldvöglein noch, so du im
Herbst gefangen.
Ein Bilderbuch schein alles,
was vergangen,
Du blätterst drin, geschützt
vor Sturm und Eise.
So mild ist oft das Alter mir
erschienen:
Wart nur, bald taut es von den
Dächern wieder
Und über Nacht hat sich die
Luft gewendet.
Ans Fenster klopft ein Bot’
mit frohen Mienen,
Du trittst erstaunt heraus –
und kehrst nicht wieder,
Denn endlich kommt der Lenz,
der nimmer endet.
Joseph Eichendorff Der
Dichter
1788 – 1857
So eitel künstlich haben sie
verwoben
Die Kunst, die selber sie
nicht gläubig achten,
Daß sie die Sünd’ in diese
Unschuld brachten:
Wer unterscheidet, was noch
stammt von oben?
Und wer mag würdig jene Reinen
loben,
Die in der Zeit hochmüt’gem
Trieb und Trachten
Die heil’ge Flamme treu in
sich bewachten,
Aus ihr die alte Schönheit neu
erhoben!
O Herr! gib Demut denen, die
da irren,
Daß, wenn ihr’ Künste all zu
Schanden werden,
Sie töricht nicht den Gott in
sich verfluchen!
Begeisterung, was falsch ist,
zu entwirren,
Und Freudigkeit, wo’s öde wird
auf Erden,
Verleihe denen, die dich
redlich suchen!
Ein Wunderland ist oben
aufgeschlagen,
Wo goldne Ströme gehn und
dunkel schallen,
Gesänge durch das Rauschen
tief verhallen,
Die möchten gern ein hohes
Wort dir sagen.
Viel goldne Brücken sind dort
kühn geschlagen,
Darüber alte Brüder sinnend
wallen –
Wenn Töne wie im
Frühlingsregen fallen,
Befreite Sehnsucht will
dorthin ich tragen.
Wie bald läg’ unten alles
Bange, Trübe,
Du strebtest lauschend,
blicktest nicht mehr nieder,
Und höher winkte stets der
Brüder Liebe.
Wen einmal so berührt die
heil’gen Lieder,
Sein Leben taucht in die Musik
der Sterne,
Ein ewig Ziehn in wunderbare
Ferne!
Wer einmal tief und durstig
hat getrunken,
Den zieht zu sich hinab die
Wunderquelle,
Daß er melodisch mitzieht
selbst als Welle,
Auf der die Welt sich bricht in
tausend Funken.
Es wächst sehnsüchtig, stürzt
und leuchtet trunken
Jauchzend im Innersten die
heil’ge Quelle,
Bald Bahn sich brechend durch
die Kluft zur Helle,
Bald kühle rauschend dann in
Nacht versunken.
So laß es ungeduldig brausen,
drängen!
Hoch schwebt der Dichter drauf
in goldnem Nachen,
Sich selber heilig opfernd in
Gesängen.
Die alten Felsen spalten sich
mit Krachen,
Von drüben grüßen schon
verwandte Lieder,
Zum ew’gen Meere führt er alle
wieder.
Nicht Träume sind’s und leere
Wahngesichte,
Was von dem Volk den Dichter
unterscheidet.
Was er inbrünstig bildet,
liebt und leidet,
Es ist des Lebens wahrhafte
Geschichte.
Er fragt nicht viel, wie ihn
die Menge richte,
Der eignen Ehr’ nur in der
Brust vereidet;
Denn wo begeistert er die
Blicke weidet,
Grüßt ihn der Weltkreis mit
verwandtem Lichte.
Die schöne Mutter, die ihn hat
geboren,
Den Himmel liebt er, der ihn
auserkoren,
Läßt beide Haupt und Brust
sich heiter schmücken.
Die Menge selbst, die
herbraust, ihn zu fragen
Nach seinem Recht, muß den
Beglückten tragen,
Als Element ihm bietend ihren
Rücken.