Joseph Eichendorff                 1848

1788 – 1857

I

 

Die Altliberalen

 

Die wilden Wasser, sagt man, hat entbunden

ein Lehrling einst, vorwitzig und vermessen,

Doch hintendrein den Zauberspruch vergessen,

Der streng die Elemente hält gebunden.

 

Ein tödlich Pulver, sagt man, zu erkunden,

Hat einst ein Mönch sich überklug vermessen,

Und als er eben recht darauf versessen,

Im Zauberdampf den eignen Tod gefunden.

 

So habt den Zeitgeist ihr gebraut, gemodelt,

Und wie so lustig dann der Brei gebrodelt,

Ihm eure Zaubersprüche zugejodelt.

 

Und da’s nun gärt und schwillt und quillt – was Wunder,

Wenn platzend dieser Hexentopf jetzunder

Euch in die Lüfte sprengt mit allem Plunder!

 

 

 

II

 

Ihr habt es ja nicht anders haben wollen

 

Es fährt die Welt mit Dampf, die Meister grollen

Dem treuen Roß ob seinem trägen Schritte,

Und stacheln es, daß es den Zaum nicht litte,

Und stachelten, bis ihm der Kamm geschwollen.

 

O wunderschön, ein Roß im vollen

Kühnfreien Lauf durch grüner Wälder Mitte!

Lichtfunken sprühen hinter jedem Tritte,

Die Mähne flattert und die Augen rollen!

 

Was ruft ihr nun so ängstlich? Euren Winken

Hat es zum Ritt sich wieder stellen sollen?

Zu spät! Das Roß riß plötzlich aus zur Linken.

 

Ihr mußt zur Rechten hinterdrein jetzt hinken,

Da ist es nicht mehr Zeit, vornehm zu schmollen,

Ihr habt es ja nicht anders haben wollen!

 

 

 

III

 

Kein Pardon

 

Hervor jetzt hinter euren rost’gen Gittern,

Heraus, ihr Schriftgelehrten, Hochmutstollen!

An euch ist der Posaunenruf erschollen,

Vor dem die Schlechten und Gerechten zittern.

 

Denn Deutschland dunkelt tief in Ungewittern,

Wo alle Quellen, Bäche, zorngeschwollen

Als Ströme donnernd von den Höhen rollen,

Und Blitze, was der Sturm verschont, zersplittern.

 

Die Ströme werden nimer rückwärts stauen,

Die Blitze werden zielen nach den Kronen,

Die Stürme rastlos fegen durch die Gauen,

 

All’ Türme brechend, wo die Stolzen wohnen,

Bis all’ erkannt demütig in dem Grauen

Den einen König über allen Thronen.

 

 

 

IV

 

Will’s Gott!

 

Kein Zauberwort kann mehr den Ausspruch mildern,

Das sündengraue Alte ist gerichtet,

Da Gott nun selbst die Weltgeschichte dichtet

Und auf den Höhen zürnend Engel schildern.

 

Die Babel bricht mit ihren Götzenbildern

Ein junger Held, der mit dem Schwerte schlichtet,

Daß Stein auf Stein, ein Trümmerhauf, geschichtet,

Die Welt vergeht in schauerndem Verwildern.

 

Doch eins, das hastig alle übersehen,

Das Kreuz, bleibt auf den Trümmern einsam stehen,

Da sinkt ins Knie der Held, ein Arbeitsmüder,

 

Und vor dem Bild, das alle will versöhnen,

Legt er dereinst die blut’gen Waffen nieder

Und läßt den neuen Bau den freien Söhnen.

 

 

 

V

 

Wer rettet?

 

Es ist den frischen hellen Quellen eigen,

Was alt und faul, beherzt zu unterwühlen

Und Wasserkünste unversehns und Mühlen

Wild zu zerreißen, wenn die Fluten steigen.

 

Es liebt das Feuer frei emporzusteigen,

Verzehrend, die mit seinen Lohen spielen,

Es liebt der Sturm, was leicht, hinwegzuspülen,

und bricht, was sich hochmütig nicht will neigen.

 

Sahn wir den Herren nun in diesen Tagen

Ernstrichtend durch das deutsche Land geschritten,

Und Wogenrauschen hinter seinen Tritten,

 

Und Flammen aus dem schwanken Boden schlagen,

Empor sich ringelnd in des Sturmes Armen:

Wer rettet uns noch da, als Sein Erbarmen?

 

 

 

VI

 

Das Schiff der Kirche

 

Die alten Türme sah man längst schon wanken,

Was unsre Väter fromm gebaut, errungen,

Thron, Burg, Altar, es hat sie all verschlungen

Ein wilder Strom entfesselter Gedanken.

 

Der wühlt sich breit und breiter ohne Schranken,

Ein Meer, wo zornigbäumend aufgeschwungen

Die trüben Fluten Fels um Fels bezwungen,

Und alle Rettungsufer rings versanken.

 

Doch drüberhin gewölbt ein Friedensbogen,

Wohin nicht reichen die empörten Wogen,

Und unter ihm ein Schiff dahingezogen,

 

Das achtet nicht der wasser wüstes Branden,

Das macht der Stürme Wirbeltanz zuschanden –

O Herr, da laß uns alle selig landen!