Paul Fleming                              An den Westwind, daß er sie zu ihm bringe

1609 – 1640          

Fleug, feuchter Zefir, aus, fleug, wie nach deiner Floren
du jetzt noch pflegst zu tun. Such meinen Aufenthalt,
Ob er bei deinem ist, durch diesen Tannen-Wald.
Such, wie du deine hast, so hab ich sie verloren.


Such sie, und sag ihr das in ihre leise Ohren:
Dort ist er, der dich wünscht, du Göttliche Gestalt:
Dort ist er, der dich hofft. Erfreust du ihn nicht bald,
So hat er seinen Ort zum Grabe schon erkoren.


Nimm sie, so bald sie will, in deinen Blumenschoß,
daß keine trübe Luft auf meine Schönheit stoß',
und helle sie in dich, und laß es niemand wissen.


Hier wart' ich, meine Post, ich warte mit Begier,
dich bald zu nehmen an, mit tausend Göttern hier;
Sie, meiner Augen-Trost, mit hunderttausend Küssen.                         

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An die große Stadt Moskaw, als er schiede.

1609 - 1640

Prinzessin deines Reichs, die Hollstein Mume nennt;
Du wahre Freundin du, durch welcher Gunst wir wagen,
was Fürsten ward versagt, und Kön’gen abgeschlagen,
den Weg nach Aufgang zu. Wir haben nun erkennt,


wie sehr dein freundlichs Herz in unsrer Liebe brennt,
die Treue wollen wir mit uns nach Osten tragen,
und bei der Wiederkunft in unsern Landen sagen,
das Bündnis ist gemacht, das keine Zeit zertrennt.


Des frommen Himmels Gunst die müsse dich erfreuen,
und alles / was du tust / nach Wunsche dir gedeihen.
Kein Mars und kein Vulkan dir überlästig sein.


Nimm itzo dies Sonnet. Komm ich mit Glücke wieder,
So will ich deinen Preis erhöhn durch stärkre Lieder,
daß deiner Wolgen Schall auch hören soll mein Rhein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An die Wolge zu Niesen

1609 – 1640

Seid mehr als sehr gegrüßt, Ihr Nymphen dieser Enden,
Ihr weiches Wasser-Volk; Und du auch, edler Fluß,
O unser später Trost, empfange diesen Gruß,
und nimm die Männer an, die dir die Zimbern senden.


Die sind es, die sich dir zu nutzen nach verpfänden.
Nimm, Gastfreund, nimm sie auf, und sicher' ihren Fuß,
Daß, was sich hat verschwor’n zu schaden, fallen muß;
Sie an dein Astrakhan mit Sicherheit anländen.


dies Schiff, das Venus selbst, nach ihrer Muschel liebt,
auf daß der große Mars auch selber Achtung gibt,
befiehlt sich deiner Gunst. Gebeut, daß kein Kossacke,


kein Wilder sich erkühnt, das Volk zu fallen an.
Daß Raub und Unheil sich von deinen Ufern packe.
Wer sie betrüben wird, der hat es Gott getan.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An Deutschland

1609 - 1640

Ja Mutter es ist war. Ich habe diese Zeit,
die Jugend mehr als faul und übel angewendet.
Ich hab' es nicht getan, wie ich mich dir verpfändet.
So lange bin ich aus, und denke noch so weit.

Ach Mutter zürne nicht; es ist mir mehr als Leid,
der Vorwitz dieser Mut hat mich zu sehr verblendet.
Nun hab' ich allzuweit von dir, Trost, abgelehnet,
und kann es ändern nicht, wie hoch es mir auch reut.


Ich bin ein schwaches Boot ans große Schiff gehangen,
muß folgen, wie und wenn, und wo man denkt hinaus.
Ich will gleich oder nicht. Es wird nichts anders draus.


Indessen meine nicht, O du mein schwer Verlangen,
Ich denke nicht auf dich und was mir frommen bringt.
Der wohnet überall, der nach der Tugend ringt.

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An Dulkamaren

1609 – 1640

Wie kan ich ohne Haß, dich, Dulkamara lieben,
du bitter-süße du? Bald bist du gar zu gut.
Bald, wenn ein schlechter Wahn ersteiget deinen Mut,
So steht mein naher Tod um deine Stirn geschrieben.


So lange hast du nun dies Spiel mit mir getrieben.
Sag', ob dir meine Pein denn also sanfte tut?
Ob dich mein Frohsein schmerzt; so weiß ich, teures Blut,
daß ich bei Lust und Not die Maße mehr muß üben.


Wär' ich, wie du gesinnt; so könnt' auch ich, wie du,
bei gleichem Mute sein inzwischen Müh' und Ruh,
inzwischen Leid' und Lust bei einem Herzen stehen.


So, weil ich standhaft bin, weichst du ohn’ Unterlaß.
Wie kann es anders sein? Ich muß zu Grunde gehen,
durch dich, gehaßtes Lieb, durch dich, geliebter Haß.

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An ihren Mund, als er sie umfangen hatte

1609 – 1640

Itzt hab ich, was ich will und was ich werde wollen.

Du Wohnhaus meines Geists, der als zu einer Tür

itzt ein, itzt aus hier geht; ihr güldnen Pforten ihr,

die auch die Götter selbst um Schöne neiden sollen;

 

ihr hohen Lippen ihr, die ihr so hoch geschwollen

von feuchter Süße seid, itzt hab ich eure Zier,

das Wesen, das man selbst dem Leben setzet für,

dem täglich wir ein Teil von unserm Leben zollen.

 

Ihr Bienen, die ihr liegt an Hyblens süßen Brüsten

und saugt die edle Milch, den Honigreif mit Lüsten,

hier, hier ist mein Hymett. Kommt, fliegt zu mir herein.

 

Seht, wie das hohe Tun, das treffliche, das starke,

das der Mund meinem gibt, sich regt in Seel und Marke!

Ach daß mein ganzer Leib doch nichts als Mund sollt sein!

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An ihren Spiegel

1609 - 1640

O Du drei- viermal mehr glückseliger als ich!
Der du der Liebsten Glanz in deinem Auge trägest,
und selbst zu lieben sich das schöne Kind bewegest,
daher sie nur wird stolz, sieht weit hin über mich,


Gibt ihre Gunst ihr selbst, und achtet mehr auf dich,
Indem du bist bemüht, und höchsten Fleiß anlegest,
daß du dich, wie sie sich, an allen Gliedern regest,
durch dich schaut sie sich an, und redet selbst mit sich.


Du rechtes Freudenwerk von früh an bis zu Nachte,
wie mach' ich’s, daß ich sie doch einmal so betrachte,
als wie du allzeit tust? So mein' ich kann es geh’n,


Versuch es einen Tag, und gönne mir dein Glücke.
Und daß ich wieder gleich in ihre Blicke blicke,
So laß dies Auge hier an deine Stelle steh’n.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An Kandien

1609 - 1640                                      Daß es Ihm unmöglich sei,  ihr zu teile zu werden.

 

Wie bitter mir es wird, wie hart ich bin verletzet
daß, weiße Kandie, ich dich verlassen muß.
Ach, das ist viel zu schwer, als daß dir der Verdruß
in diesem kurzen Brief kann werden aufgesetzet.


Mein Mund ist von der Zeit mit Tränen noch genetzet,
als ich zu dir sprach: Schatz, das ist der letzte Gruß.
Und du mein süßer Trost, mir gabest einen Kuß,
der mich auch itzund noch betrübet und ergötzet.


Ach schöne straf mich nicht, und gib mir keine Schuld.
Du kennst mich um und an. Rat deiner Ungeduld,
um die ich kranker mich zu Tode noch betrübe.


Laß mich, dieweil ich muß. Schau, was mich von dir reißt.
Und sei mit dem vergnügt, in dem du wahrlich weißt
daß ich, O Schwester, dich mehr, als die Liebste liebe.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An Makarien

1609 – 1640

Ist’s so, Makarie, als wie mir wird gesagt;
du sollst, so balde du die Post von mir verstanden,
daß Ich enthalten sei in weit entlegnen Landen,
da es sechs Stunden eh', als in den unsern tagt.


Dich haben über mir von Herzen sehr beklagt,
So gar auch, daß du dich samt meiner Salibanden
zu Bette hast gelegt, und ungescheut der Schanden
Oft öffentlich von mir, Ich weiß nicht was gefragt.


Dies habest du so oft, so lang und viel getrieben,
Bis daß du endlich ganz darüber bist geblieben.
Ist’s so, Makarie, Exempel einer Gunst,


die Tod und Leben trutzt, so muß ich mich zwar kränken,
hoch über deinen Fall, doch einer solchen Brunst
nicht minder auch mit Lust zu aller Zeit gedenken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An meinen Erlöser

1609 - 1640

Erhöre meine Not, du aller Not Erhöhrer,
Hilf Helfer aller Welt, hilf mir auch, der ich mir
selb-selbst nicht helfen kann; ich suche Trost bei dir.
HERR, du hast Rat und Tat. Dich preisen deine Lehrer,


wie du es denn auch bist, für einen Glaubensmehrer.
Ich bin desselben leer. Hier steh' ich, Ich steh' hier.
Erfülle mich mit dir und deines Geistes Zier.
Er ist es, Er dein Geist, der rechte Glaubensmehrer.


Arzt, Ich bin krank nach dir. Du Brunnen Israel,
dein kräftig’ Wasser löscht den Durst der matten Seel'.
Auch dein Blut, Oster-Lamm, hat meine Tür errötet,


die zu dem Herzen geht. Ich steife mich auf dich
du mein Hort, du mein Fels. Belebe, Leben, mich.
Dein Tod hat meinen Tod , Du Todes Tod, getötet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An seine erste Freundin

1609 – 1640

Du aber, edler Geist, gedenkst noch nicht zu gläuben,

was mein getreuer Mund dir oft und viel verspricht.

Herz, hör es doch einmal, weil ich bin bei dir nicht,

so kann ich nicht vorbei, ich muß es an dich schreiben.

 

Du bist die Liebste noch und wirst die Liebste bleiben.

Ob das Verhängnüs gleich uns voneinander bricht

und gönnet uns nicht uns, so bleibt doch unser Pflicht,

solange werden stehn des runden Himmels Scheiben.

 

Bezwinge dich durch dich und fall dir selbsten bei.

Gedenke meines Eids und sei des Zweifels frei,

des Zweifelns, das, Lieb, dich mit diesem Trauren plaget.

 

Ich will dein Treuer sein, dieweil ich werde sein.

Willst du denn über dies noch haben einen Schein,

so frag die Liebste selbst, ich habs ihr oft gesaget.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An seine Tränen, als er von ihr verstoßen war.

1609 - 1640

Fließt, fliest so, wie Ihr tut, Ihr zweier Brunnen Bäche.
Fließt ferner, wie bisher mit zweimal stärkrer Flut.
Fließt, wie ihr habt getan, und wie ihr jetzt noch tut,
daß ich mich recht an der, die euch erpresset, räche.

Fließt immer, Nacht und Tag, ob sich ihr Sinn, der freche,
der Feind-gesinnte Freund, das hochgeherzte Blut,
das mich um dieses haßt, dieweil ich ihm bin gut,
durch eine Stetigkeit und große Stärke breche:


Die Tropfen waschen aus den festen Marmelstein.
Das weiche Wasser zwingt das harte Elfenbein.
Auch Eisen und Demant muß feuchten Sachen weichen.


Fließt ewig, wie ihr fließt. Es ist ja möglich nicht,
daß einst der harten nicht ihr fleischerns Herze bricht,
das lange keinem Stahl' und Steine sich mag gleichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An seinen Ring

1609 – 1640

Der schöne Namens-Tag der Liebsten ist erschienen;
die Anmut macht mich froh, die aus der halben Nacht
ganz wie die Lilien-Milch, und Blut der Rosen lacht,
mit Safran angemischt. Ihr müsset euch erkühnen,


zu wagen einen Gang, ihr funkelnden Rubinen;
Eilt, eh das schöne Kind von ihrer Ruh' erwacht,
und sehet wie ihr euch an ihren Finger macht?
So wird ihr sanfter Schlaf zu eurem Vorteil dienen.


Geht, bindet sie also, wie aber? wollt ihr nicht?
wie werdet ihr so blaß um euer Angesicht'?
und was verstellt ihr euch in sterbende Gebärden?


Ist’s etwa, daß ihr meint, wo sie schon sei erwacht,
ihr möchtet schamrot steh’n für ihrer Lippen Pracht,
und des Gold bleiches Blei für ihren Augen werden?

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An sich

1609 – 1640

Sei dennoch unverzagt! Gib dennoch unverloren!
Weich keinem Glücke nicht, steh höher als der Neid,
vergnüge dich an dir und acht es für kein Leid,
hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.

 

Was dich betrübt und labt, halt alles für erkoren;
nimm dein Verhängnis an. Laß alles unbereut.
Tu, was getan muß sein, und eh man dir's gebeut.
Was du noch hoffen kannst, das wird noch stets geboren.

 

Was klagt, was lobt man noch? Sein Unglück und sein Glücke
ist ihm ein jeder selbst. Schau alle Sachen an:
dies alles ist in dir. Laß deinen eitlen Wahn,

 

und eh du fürder gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann,
dem ist die weite Welt und alles untertan.

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Auf den Kosakenberg

1609 – 1640

Du durch die Laster selbst so weit berufner Hügel,

dem Phöbus alles Haar hat um sein Haupt versengt,

da keine Dryas sich zu wohnen unterfängt,

wie auch kein menschlichs Mensch, kein Wild und kein Geflügel,

 

halt itzo noch nicht an der Mörder strenge Zügel,

die an dich Tanais, dein böser Nachbar, strengt,

der dieses Stromes Raub an seine Tannen hängt,

laß sie ziehn ab und zu mit freiem vollem Bügel.

 

Vollführt der Höchste das, was er durch uns fängt an,

so soll besäet stehn dein nie gepflügter Plan,

der Platz sein eine Stadt, verwahrt mit Tor und Riegel.

 

Alsdenn so laßt uns sehn, was ein Kosake kann

und ob die Wolge stets sei Räubern untertan.

Der Himmel gibt uns selbst hierüber Brief und Siegel.

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An die Wunden des Herren

1609 – 1640

Ihr Zuflucht meiner Angst, ihr aufgetanen Ritze,

darin ich sicher bin, wenn der erzürnte Gott

um meine Sünde schilt; woraus ich Furcht und Not,

die aus dem Tod entsteht, recht bieten kann die Spitze:

 

wie selig bin ich doch, wenn ich Erlöster sitze

in eurer Höhlen Schoß, in welcher Himmel-Brot

für meine Seele wächst und fleußt so weiß und rot

der süße Lebens-Quell, aus dem ich mich bespritze.

 

Schließt eure Kammern auf, ihr Friedens-Häuser ihr,

laßt euer Bürgerrecht auch widerfahren mir;

ihr sollt mein Vaterland und stete Wohnstatt heißen.

 

Wie selig werd ich denn, wie überselig sein,

wenn, wie ihr seid mein Haus, so sein wollt auch mein Schrein,

aus dem mich auch die Hand der Höllen nicht wird reißen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Das Blut Jesu Christi, des Sohn Gottes

1609 – 1640

Hier steh ich armer Mensch und schäme mich vor mir:

mit soviel Häßlichkeit der Sünden ganz beklecket;

mein erstes schönes Kleid, wie ist es doch beflecket!

wie hat doch dieser Wust ersticket alle Zier!

 

Die schwache Seele tut kaum noch ihr Haupt herfür,

weil sie der tiefe Schlamm mit Wuste ganz bedecket

und der Versinkenden kein Arm wird zugerecket:

ihr Loch, ihr Kot, ihr Tod ist der Leib, dieser hier.

 

Gott Jesu, Christe Mensch, nur deine Hand, die fromme,

die kann es, daß ich auf aus dieser Höllen komme.

Zeuch, Starker, mich heraus und mache mir ein Bad,

 

ein Bad, ein rotes Bad von deinem teuren Blute!

Viel darfstu dessen nicht vergießen mir zugute:

an einem Tröpflein nur, Erlöser, ist es satt.

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Gehe von mir aus, ich bin ein sündiger Mensch

1609 – 1640

Sollstu, Allwissender, nicht meinen Zustand wissen?

Mich hat der erste Tod dem andern zugeführt:

Das schöne Bild ist weg, mit dem ich war geziert;

der erste fremde Fall hat mich auch umgerissen,

 

der Höllen schwere Hand mich tötlich wund geschmissen,

so daß mein schwacher Geist sich weder kennt noch rührt

aus sich und von sich selbst, ja täglich neu gebiert

was ich beweinen muß mit starken Tränen-Güssen.

 

Wie kömmts denn, daß du kömmst und kehrest zu mir ein,

o selge Heiligkeit, in mich verdammte Sünde?

O Leben, in den Tod? Ach, daß ich das verstünde!

 

Doch tu du, was du willst; ich will dir willig sein.

Sag, Hölle, was du willst, es ist fürwahr erlogen.

Die Seligkeit selb-selbst ist in mich eingezogen.