Paul Fleming                              Auff den lustigen Flecken Rubar in Gilan,
1609 – 1640                                                 hinter den Caßbinischen Gebirgen ,

in welchem die Holst. Gesandtschaft

den xxiij. Jenner m. dc. xxxviij.

im Rückzuge aus Persien übernachtete.

 

 

Du Lusthall der Natur aus welchem wir von weiten,
des Taurus langen Gast, den Winter, lachen aus;
Hier tief spazieren geh’n in einer Nais Haus
die gülden heißt und ist; Da alle Fruchtbarkeiten


auf Chloris grüner Brust und Thetis Schoß sehn streiten,
dort so viel Triaden die Hügel machen kraus,

davon Silenus bricht, so manchen dicken Strauß
und jauchzet durch den Busch mit allen seinen Leuten.


Osiris der umarmt die Oreaden hier;
Pomona hegt das Gold der hohen Pomeranzen,
Läst die Narzissen stets mit den Violen tanzen.


Fürst aller Lieblichkeit, was sing' Ich deine Zier?
Das Luft-Volk führt um dich ein ewiges Getöne,
Daß ja nichts um und an gebreche deiner Schöne.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Auff eines seinen Nahmens Tag
1609 - 1640                                      In Astrachan geschrieben, m. dc. xxxviij. im Julio.

 

Ich sprach die Musen an auf diesen deinen Tag
um einen saubern Vers, der für Gelehrte töchte,
Und in der Prüfung recht gefunden werden möchte;
Gleich wie ich vor der Zeit wohl eh' zu dichten pflag.


Als ich frei aller Not an meiner Mulden lag
und mir kein Übermut die kühnen Sinnen schwächte,
Kein grober Übermuht, den ich zwar hier verfechte,
Wenn rechten wär' erlaubt. Doch bleib' es, wo es mag.


Ich sprach die Musen an, Ich rief Sie an die Neune,
Ich rief, Ich schrie sie an; nicht eine sprach ein Wort.
Es war kein Zynthius auf Pindus ganzem Haine;


Leer war ich kommen hier, leer mußt' ich wieder fort.
Lies, Bruder, dies Sonett, und schmeiß es über Bord,
In dem Ich lachend stets um meine Gottheit weine.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Auf ihr Verbündnis

1609 – 1640

Ihr Schatten, die ihr nur alleine bei uns seid,
und du auch stille Luft, die unsern Atem reget,
Seid Zeugen zwischen uns. Der Eid ist abgeleget,
der Eid, der mir und ihr soll nimmermehr sein leid.


Dies ist mein und ihr Schluß. Es berste List und Neid.
So lang' ein Busch sein Laub, die Erde Kräuter träget,
und ein belebter Geist sich in der Flut beweget;
Dies soll sein Ende sein, wenn mehr ist keine Zeit.


So treue Fulvia, so liebt sechs ohne Schmerzen,
wenn solche Freundschaft macht ein Herze mit dem Herzen.
Es mögen andre nun von ihrer Liebe Pein,


Von Angst, von Grausamkeit, von dem und jenem Klagen;
Zwei Herzen, das sind wir, die können redlich sagen,
daß von der Liebe sie noch nie betrübet sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Bekenntnis

1609 – 1640

Mehr böse noch als bös' hab' ich bisher gelebet;
Bei kalter Gottesfurcht mich brennend angestellt.
Den Himmel oft getäuscht; mehr mein Freund und der Welt,
Bin selten über mich und Wolken an geschwebet;


Der schnöden Eitelkeit der Erden angeklebet.
Ich habe das getan, das mir selbst nicht gefällt,
Ein Schuldner alles des, das Mosis Rechnung hält,
der ich mit Eifer auch hab' ofte widerstrebet.


Ich muß, will ich schon nicht, bekennen wieder mich.
Mein Urteil, meine Straf' und Todes-Art sprech' ich.
Ich hab' es so und so und ärger noch getrieben.


Und was erzähl' ich viel die ungezählte Zahl
von meinen Schulden her? Gott liest sie allzumal
von meiner Stirnen ab, an der sie sind geschrieben.

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Bei einer Leichen

1609 - 1640

Ein Dunst in reger Luft;
Ein geschwindes Wetterleuchten;
Güsse, so den Grund nicht feuchten;
Ein Geschoß, der bald verpufft;


Hall, der durch die Täler ruft;
Stürme, so uns nichts sein deuchten;
Pfeile, die den Zweck erreichten;
Eis in einer warmen Gruft;


Alle diese sind zwar richtig,
daß sie flüchtig sein und nichtig;
Doch wie nichts Sie alle sein,


So ist doch, O Mensch, dein Leben
mehr als Sie, der Flucht ergeben.
Nichts ist alles. Du sein Schein.

 

 

 

 

Paul Fleming                              Dem Wolgebohrnen Herrn

1609 - 1640                                      Herrn Dietrich von dem Werder.

 

Es sagt’s Jerusalem, es sagets Krieg und Sieg,
und hundert anders mehr, was werter Held dein dichten
und dein verrichten sei. Du gebest den Geschichten
Ihr Leben durch dein Tun. Machst daß dein Sieg und Krieg


sich kriegt und übersiegt, den sonst die Zeit verschwieg
in einer langen Nacht. Du kannst dich dir verpflichten,
daß dich und deinen Ruhm kein Tod nicht mag vernichten.
Weil ritterliche Kunst ihn sieghaft überstieg.


Ich lobe diese Faust, die Leib und Namen schützt,
Selbst schreibt was sie selbst tut. Auf Kraft und Kunst ihr eigen,
auf beiderlei gelehrt, was beider Seiten nutzt.


Ihr Römer, tretet auf; Ihr Griechen gebet Zeugen,
wird Agamemnon nun selbst sein Homerus nicht?
Eneas sein Virgil? wer ist’s, der’s wiederspricht?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Er beklagt die Änderung und Furchtsamkeit
1609 - 1640                                      jetziger Deutschen.

 

Jetzt fällt man ins Konfekt, in unsre vollen Schalen,
wie man uns längst gedräut. Wo ist nun unser Mut?
der außgestählte Sinn? das kriegerische Blut?
Es fällt kein Ungar nicht von unserm eiteln Prahlen.


Kein Busch, kein Schützen-Rock, kein buntes Fahnenmalen
schreckt den Krabaten ab. Das Ansehn ist sehr gut,
das Ansehn mein' ich nur, daß nichts zum Schlagen tut.
Wir feigsten Krieger wir, die Phöbus kann bestrahlen.


Was ängsten wir uns doch und legen Rüstung an,
die doch der weiche Leib nicht um sich leiden kann?
Des großen Vatern Helm ist viel zu weit dem Sohne.


Der Degen schändet ihn. Wir Männer ohne Mann,
Wir starken auf den Schein, so ists um uns getan,
uns Namens-deutsche nur. Ich sag’s auch mir zum Hohne.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Er betrachtet ihre Schönheit und Treue

1609 – 1640

Du treue Schönheit du und auch du schöne Treue,

die ihr den zarten Leib und edlen Geist besitzt,

ihr Schwestern gleicher Kraft, die ihr mir das beschützt,

worüber ich mich stets mit höchsten Freuden freue,

 

was sag ich doch von euch, daß euch und mich nicht reue?

Ihr starke Göttinnen, habt mir den Sinn erhitzt,

daß mir auf dieser Welt nichts als nur Eine nützt.

Sie ists, an der ich mich ohn Unterlaß verneue.

 

Die zarte Schönheit folgt der Flucht der schönen Zeit,

die feste Treue geht den Weg der Ewigkeit,

die Schönheit macht mir Lust, die Treue Trost zu leben.

 

O wie ein göttlichs Mensch ist diese, die euch hat!

O wie ein Menschgott auch wird der, dem in der Tat

wird diese schöne Treu und treue Schönheit geben!

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Er bittet sie zu sich

1609 – 1640

Erfreue mich und dich, O Freude meiner Seelen,
Ohn die ich traurig noch bei höchster Wonne bin.
Komm, du mein selber ich, komm, Liebste komm dorthin,
wo wir uns beiderseits oft pflegen zu verhehlen.

 

Ich bin, Schatz, krank nach dir. Komm, laß mich nicht so quälen.
Hier wart' ich deines Trosts, den du mir, O mein Sinn,
alleine geben kannst. Komm meine Trösterin.
Hier findest du und ich, was ich und du erwählen;


Kein Gott, kein Mensch, kein Wild und keine Kreatur
ist hier. Auch keine Luft, ohn’ die alleine nur,
die ich, ich seufzender, alleine nach dir schicke.


Tu’s, Herze, sei bald hier. Kommst, oder kommst du nicht,
So höre; was zu dir dein eignes Herze spricht:
Du bist mein größtes Glück' und größtes Ungelücke.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Er hat alles wohl gemacht

1609 – 1640

Ja mehr als wohl gemacht! nicht Tauben nur und Blinden
und was ein kranker Leib für Mangel haben kann,
hilft dieser Wunder-Arzt. Es trifft was höhers an,
als ein natürlichs Weh, die Glieder zu entbinden,


Ja mehr auch als den Tod. Der Staat der blinden Sünden,
das Band der tauben Lust, der Hofart stummer Wahn
wird sonst durch keinen nicht, als diesen abgetan.
Kein Leib-Arzt wird sich so zu heilen unterwinden.


Die Seele, die ist krank. Dem Geiste wird vergeben.
Er trinkt den Kelch für uns. Stirbt selbst für unser Leben.
Zerbricht der Höllen Burg und was den Tod verwacht.


Schleust unser Gräber auf, wird selbst die Himmels-Leiter.
Ja, selbst der Himmel gar. Ruft lauter, rufet weiter:
Er, Er hat alles wohl, und mehr als wohl gemacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Er redet die Stadt Moskaw an,

1609 - 1640                                      als er ihre vergüldeten Türme von Fernen sahe.

 

Du edle Kaiserin der Städte der Ruthenen,
Groß, herrlich, schöne, reich; seh' ich auf dich dorthin,
auf dein vergüld’tes Haupt, so kommt mir in den Sinn,
was güldner’s noch als Gold, nach dem ich mich muß sehnen.


Es ist das hohe Haar der schönen Basilenen,
durch welcher Trefflichkeit ich eingenommen bin.
Sie, Ganz ich, Sie mein All, Sie, meine Herrscherin,
hat bei mir allen Preis der schönsten unter schönen.


Ich rühme billig dich, du Haupt-Stadt deiner Welt,
weil deiner Göttlichkeit hier nichts die Waage hält,
und du der Auszug bist von tausenden der Reussen.


Mehr aber rühm' ich dich, weil, was dich himmlisch preist,
mich an ein göttlich’s Mensch bei dir gedenken heißt,
in welcher alles ist, was trefflich wird geheißen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Er verwundert sich seiner Glückseligkeit

1609 – 1640

Wie mir es gestern ging, und wie ich ward empfangen,
in meiner Freundin Schoß, weiß Sie nur und nur ich.
Das allerliebste Kind das herzt' und grüßte mich.
Sie hielte feste mich, wie ich sie hart' umfangen.


Auf meinem lag ihr Mund. auf ihren meine Wangen.
Oft sagte sie mir auch, was nicht läßt sagen sich.
Darum du, Momus, nicht hast zu bekümmern dich.
Bei ihr ist noch mein Sinn, bei mir noch ihr Verlangen;


O wohl mir, der ich weiß, was nur die Götter wissen,
die sich auch, wie wir uns, in reiner Keuschheit küssen.
O wohl mir, der ich weiß, was kein verliebter weiß.


Wird meiner Seelen Trost mich allzeit also laben,
mir allzeit also tun, so werd' ich an ihr haben
ein weltlich’s Himmelreich, ein sterbliche Paradeis.

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Hephata

1609 - 1640

Ach! sprich es auch zu mir, dein kräftig’s tu dich auf,
Ach! sprich es auch zu mir. Denn mir auch sind verschlossen
Ohr, Augen, und der Mund. Viel Zeit ist hin verflossen,
daß ich so elend bin. Die Welt hat viel zu kauf'.


Ich folge, was sie rät und wird nur ärger drauf.
So lebt mein kranker Leib mit seinem Hausgenossen,
zu allem Werke laß, zu allem Tun verdrossen.
Auf ein Ding nur beherzt; zu enden seinen Lauf.


Ist’s möglich, daß mir noch auf dieser bösen Erden
O Arzt durch deine Hand soll ausgeholfen werden,
So zeuch mich nicht mehr auf. Hilff diesem übel ab.


Nimm mein Beschweren hin, nach dem mein Geist so wacht.
Tust du’s, so soll dein Lob auch rufen aus mein Grab:
Der alles machet wohl, hat mi’rs auch wohl gemacht!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Herrn Pauli Flemingi der Med. Doct. Grabschrifft

1609 - 1640                                     so er ihm selbst gemacht in Hamburg , den xxiix. Tag
des Märzens m. dc. xl auf seinem Todbette
drei Tage vor seinem seel: Absterben.

 

Ich war an Kunst und Gut und Stande groß und reich.
Des Glückes lieber Sohn. Von Eltern guter Ehren.
Frei; Meine. Konnte mich aus meinen Mitteln nähren.
Mein Schall floh überweit. Kein Landsmann sang mir gleich.


Von reisen hochgepreist; für keiner Mühe bleich.
Jung, wachsam, unbesorgt. Man wird mich nennen hören,
Bis daß die letzte Glut dies alles wird verstören.
Dies Deutsche Klarien, dies ganze dank' ich Euch.


Verzeiht mir, bin ich’s wert, Gott, Vater, Liebste, Freunde.
Ich sag' Euch gute Nacht, und trete willig ab.
Sonst alles ist getan, bis an das schwarze Grab.


Was frei dem Tode steht, das tu er seinem Feinde.
Was bin ich viel besorgt, den Atem aufzugeben?
An mir ist minder nichts das lebet, als mein Leben.

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              An Ambrosien

1609 – 1640

Ambrosie, mein Schatz,

mit welcher ich im Lieben

so manche Zeit vertrieben,

komm mit mir auf den Platz,

 

auf der Caninchen Hatz,

da Amor uns will üben.

Der Preis ist angeschrieben,

es gilt um einen Schmatz.

 

Und das ist noch das Beste,

wir bleiben seine Gäste

auf dieses zahme Wild.

 

Für Trank schenkt er uns Küsse.

Ambrosie, du süße,

komm, weil es Küssens gilt.

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Auf ihre Gesundheit

1609 – 1640

Was ich schlafe, was ich wache,

was mir träumet für und für,

was mir Angst macht, was Begier,

was ich lasse, was ich mache,

 

was ich weine, was ich lache;

was ich nehm’ an Kost zu mir,

schreibe, lese, denke hier

die und die und diese Sache,

 

was ich nicht tu, was ich tu,

Nichts und Alles, reis’ und ruh’,

Angst und Freuden, Lust und Schmerzen,

 

dies Alles, Alles das

tu ich hier ohn’ Unterlaß

auf Gesundheit meines Herzen.

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Auf den Sonnenschirm

1609 – 1640

Nicht, daß sie den Verdruß der Sonnen ihr benehme,

braucht meine Sonne dich, o du der Schönheit Schutz

und Zaum der fremden Glut, nein! dieses ist dein Nutz,

daß sich die Sonne nicht für ihrer Klarheit schäme

 

und sich nicht etwa krank und gar zu Tode gräme

für derer Treflichkeit, die ihrer auch beut Trutz.

Drum setzt sie dich vor sich. Dein frommer Schatten tuts,

daß du dem Himmel selbst und ihr auch bist bequäme.

 

So bleibt die Sonne klar und ihre Schönheit ganz.

Durch dich, o Schiedemann, hat jedes seinen Glanz.

Ach, daß du solchen Dienst mir woltest nicht verschmähen!

 

Trit zwischen mich und sie. Ihr allzustarkes Licht

kan mein verblendter Schein durchaus vertragen nicht.

Welchs sterblichs Auge kan in diese Sonne sehen?