1609 – 1640
Ach schau, o Himmel doch, wie
hart ich bin gebunden
von deiner Schwester hier, der
ungerechten Welt,
die aber nicht bei dir als
eine Schwester hält,
indem sie stets verirrt, was
du hast wiederfunden.
Sie spannt die Seelen ein, die
ledig für dir stunden,
selbst Ursach ihres Jochs.
Tritt vor das, was sie stellt,
bis daß der schwache Geist in
ihre Stricke fällt
Da liegt, da zappelt er, durch
sich selbst überwunden.
Ich kenn und kann sie doch,
die falsche, nicht verneiden.
Ich fühle meinen Zwang und muß
ihn willig leiden,
wo Zwang auch Willen hat. O
Heiland, mach mich frei!
Ich bin es, der ich mich auch
selbsten also binde.
Mach, daß ich, los von mir,
bei dir noch heut empfinde,
was ungebunden sein für eine
Freiheit sei!
1609 – 1640
Ich aber bin der Tod und ganze
Niederlage,
vermag nicht soviel Kraft, um
mich zu richten auf.
Ich fälle mich selbselbst
durch meinen eignen Lauf,
matt, kraftlos, ohne Macht. Wer
ist hier, dem ichs klage?
Ach daß ein Retter käm und
hülfe meiner Plage!
An wen doch steif ich mich?
wer gibet Achtung drauf,
wie ängstlich mir geschicht?
Es häuft sich Hauf auf Hauf
an Not, an Angst, an Qual, in
welcher ich verzage.
So lieg ich Schwacher denn in
tausend herben Schmerzen,
so sterb ich Toter vor, ehs
jemand nimmt zu Herzen.
Und leg und stürb ich mir, so
hätt es keine Not.
Komm, Auferstehung, komm!
Komm, Leben, komm geschwinde,
hilf mir, mir Liegenden, mir
Toten in der Sünde,
sonst bleib ich armer Mensch
stets liegend und stets tot.
1609 – 1640 Fürstl. Holsteinischer Gesandten Violgambisten
Ich bin zu früh erwacht von
deines Tages Flammen,
der mehr als andre glänzt, ich
bin zu zeitlich hier.
Doch gib das Brettspiel her
und nimm es an mit mir,
es gilt mir beides gleich,
verkehren oder dammen.
Indessen findet sich die ganze
Zunft zusammen,
die auf dich fröhlich ist.
Denn setz uns feistes Bier
und reinen Reinfall für, der reicher
wird an Zier,
wenn du eins streichest drein
auf deiner Violgammen.
So laß uns heute tun, so laß
uns morgen machen,
bis daß der dritte Tag uns
fröhlich an wird lachen,
den wir auch geben drein. Ich
lobe diesen Mann,
der seiner Zeit gebraucht,
weil er ihr kann genießen,
und unverdrossen ist, sein
Leben auch zu schließen,
wenn er noch lachen mag und
länger leben kann.
1609 – 1640
Geuß
deinen Eifer aus mit Krügen und mit Mulden!
Zeuch
alle deinen Ernst zusammen wider mich!
Zermalme
meinen Leib und stell dich wider mich!
Verschleuß
mir ganz und gar die Kammern deiner Hulden!
Ein
Höhres noch hab ich verbührt mit meinen Schulden.
Mach
meiner Seelen Angst! Stoß meinen Geist und sprich:
Hin,
wo man ewig weint und siehet keinen Stich!
Dies
alles bin ich wert und mehr noch zu erdulden.
Zumitten
dieses Zorns so denk auch deiner Gnaden,
daß,
wenn du mich bringst um, du dir nicht selbst tust Schaden,
schau
meinen Zahler an, dann salb du deinen Sohn.
Tu
Recht, Gerechtigkeit! Was willst du an mein Leben?
Er hat
für mich an dich mehr, als ich soll, gegeben,
daß
auch für meine Schuld der Himmel sei mein Lohn.
1609 – 1640
Laßt euch erschrecken nicht
die jauchzenden Trombetten,
der Spiele vollen Lärm, der
Flaggen hohen Flug,
dies ungewöhnte Schiff, das
erst die Wolge trug,
der Rüllen derben Knall, den
Schlag der Falkenetten,
den aufgefahrnen Dampf der blitzenden
Musketen,
ihr Nymphen dieses Orts,
steigt sicher auf den Bug.
Kommt her und seht uns zu, ihr
habt es freien Fug.
Wir sind nicht feind mit euch,
wir kommen euch zu retten.
Hier, da vor kurzer Zeit
fünfhundert Reußen fielen
durch der Kosaken Hand, die
auch auf uns schon zielen,
wieviel Bericht kömmt ein; da
der Tod itzt lebt,
die Ursach eurer Furcht, da
werden mit Versprechen
zwei starke Völker eins, die
wilde Macht zu brechen,
für der dies ganze Land in
feigem Zittern bebt.
1609 – 1640 20 Werste unter Samaren
Schwimmt näher zu uns her und
stellt euch furchtsam nicht,
ihr wilden Fürstinnen des öden
Permerstrandes.
Kommt, Nymphen, an den Port,
das Ufer dieses Randes
ist püschig, kühl und frisch,
da keine Sonne sticht.
Kommt, schauet dieses Schiff,
von dem ganz Reußen spricht,
auch dies ist eine Zier der
Ersten meines Landes,
des treuen Holsteins Pfand,
der Knoten eines Bandes,
das zwischen mir und ihm in Ewigkeit
nicht bricht.
Und du, o Vater Kam, geuß
deinen braunen Fluß
mit völlern Krügen aus, daß
unsern föhrnen Fuß
kein blinder Sand halt auf,
kein falscher Grund versäume.
Die Wolge fleußt vorweg,
bestellt die Sicherheit,
beut auf gut Glück und Heil, setzt
Wohlfahrt ein und schreit,
daß Anfall, Mord und Raub ihr
beides Ufer räume.
1609 – 1640
Den
langsamen Verdruß der siebenthalben Wochen
streicht
dieser Morgen hin. Habt wieder einen Mut,
ihr
dapfern Zimbern ihr! Das räuberische Blut,
das
nach der Tone heißt, hat sich vor euch verkrochen.
Seht,
was euch vor ein Gruß allhier wird zugesprochen.
Schaut,
was die fremde Stadt, was Astrachan doch tut!
Das nicht
mehr öde Land empfängt euch durch sein Gut,
das es
zu eurer Lust und Ehren hat gebrochen.
Seid
mehr froh, als ihr seid! Nicht Bacchus nur alleine
bewirbet
sich um euch mit seinem braunen Weine;
Pomona
schickt euch auch aus ihren Gärten dies.
Reist sicher,
wie ihr tut. Auch Kaspis kömmt geschwommen
und
heißet euer Schiff mit sanfter Flut willkommen.
Die
Götter machen selbst euch eures Glücks gewiß.
1609 – 1640
Noch dennoch bleib' ich Ihr,
muß ich Sie gleich verlassen,
und meine Sie, muß ich gleich ihr entzogen sein,
bezwungen durch das Tun, das unsern Trost und Pein
verwechselt, wie es will. Ich will mein Trübnis massen,
Tun wie ein Weiser tut. Ein großes Herze fassen.
Sein meine, wie ich soll. Sie aller Tugend schein,
mein alles und auch nichts, ist nicht, und ist doch mein'.
Hass' ich das schöne Kind, so muß ich selbst mich hassen.
Verhängnis, schone nicht. Reiß sie nur immer hin.
Du raubst mir ihren Leib nicht aber ihren Sinn,
der nun und nimmermehr von mir spricht sich zu lenken.
Mir bleibt dein bester Teil, O meiner Seelen Licht,
und darf ich künftig schon, Lust, dich besitzen nicht,
So darf ich deiner doch mit Freuden stets gedenken.
So zeuch auch du denn hin in
dein Elyserfeld,
Du Pindar, du Homer, du Maro unsrer Zeiten,
und untermenge dich mit diesen großen Leuten,
Die ganz in deinen Geist sich hatten hier verstellt.
Zeuch jenen Helden zu, du jenen gleicher Held,
Der jetzt nichts gleiches hat. Du Herzog deutscher Seiten;
O Erbe durch dich selbst der steten Ewigkeiten;
O ewiglicher Schatz und auch Verlust der Welt.
Germania ist tot, die Herrliche, die Freie.
Ein Grab verdecket sie und ihre ganze Treue.
Die Mutter die ist hin; Hier liegt nun auch ihr Sohn,
Ihr Rächer, und sein Arm. Laßt, laßt nur alles bleiben
Ihr, die ihr übrig seid und macht euch nur davon.
Die Welt hat wahrlich mehr nichts würdigs zu beschreiben.
1609 – 1640 welcher ihm in der nagaischen Tartarei kundgetan
ward
Zu Astrachan im Brachmonat
1638
Hat mein Verhängnüs denn so
ganz zur Unzeit mich
von Glücke, Vaterland und
allem ausgetrieben
und war mir denn also annoch
nicht alles blieben,
das einen Geist belebt und
mutig macht auf sich,
du Herzog meiner Lust? Mir hat
auch endlich dich
der allgemeine Rat auf
Deutschland aufgerieben,
dich, du der menschen Lust und
einziges Belieben,
die wahrer Liebe lieb und
fähig sind, wie ich.
Ich hier der Skythen Raub, wie
Naso dort der Geten,
wormit verehr ich doch dich
ewigen Poeten?
Der weg ist da und dort und
aller Enden zu.
Mein erster Geist ist tot; und
nun stirbt auch das Leben.
Ich will zwar: aber schau, wie
kann ich dich erheben?
Dich kann erheben recht sonst
niemand als nur du.
1609 – 1640
Ich feure ganz und brenne
lichter Loh.
Die Tränen hier sind meiner Flammen Ammen,
Die mich nicht läßt dies stete Leid verdammen;
ich kenn' es wohl, was mich kann machen froh,
Daß ich fortan nicht dürfte weinen so.
Wo aber ist’s? So müssen nun die Flammen
hier über mir nur schlagen frei zusammen.
Mein Schirm ist weg, mein Schutz ist anderswo.
Ist ganz nichts da, daran ich mich mag kühlen,
In solcher Glut, die meine Geister fühlen?
Der Liebes-Durst verzehrt mir Mark und Bein.
Dies Wasser ist’s, die Kühlung meiner Hitze,
Das ich zum Trunk' aus beiden Augen schwitze.
Ich zapfe selbst, und Amor schenkt mir ein.
1609 - 1640 auf eines seinen Namens Tag.
Auf hundert Ach und Weh, auf
tausend Not und Mühen,
Auf hundert tausend Leid, kommt ein Tag endlich her,
der alles Ach und Weh, Not, Mühe, Leid, Beschwer,
auf einmal nimmet hin. Ihr Götter habt’s verliehen,
Daß wir nun sehn vor uns ein neues Glücke blühen.
Der Weg ist über halb. Es kommt nicht ungefähr,
Daß wir noch alle steh’n, und können nach Begehr
In unser Vaterland, das liebe, wieder ziehen.
Sei, Bruder, froh mit uns und stell' uns an ein Fest,
denn daß uns auch für dich, Gott heut' Ihm danken läßt,
das tut Er Ihm zur Ehr' und dir und uns zu Glücke.
So feire deinen Tag, und schaff uns Lust genung.
Greif hurtig in das Geld; es geht nunmehr zu rücke.
Auf eine reiche Frau ist dies der erste Sprung.
1609 – 1640
Ein Kauffmann, der sein Gut
nur einem Schiffe traut,
ist hochgefährlich dran, in dem es bald kann kommen,
daß ihm auf einen Stoß sein Ganzes wird genommen.
Der fehlt, der allzuviel auf ein Gelücke traut.
Gedenk' ich nun an mich, so schauret mir die Haut.
Mein Schiff das ist entzwei. Mein Gut ist weggeschwommen.
Nichts mehr das ist mein Rest; das machet kurze Summen.
Ich habe Müh' und Angst, ein ander meine Braut.
Ich Unglückseliger! mein Herze wird zerrissen,
mein Sinn ist ohne sich. Mein Geist zeucht von mir aus.
Mein alles wird nun nichts. Was wird doch endlich draus?
Wär eins doch übrig noch, so wollt' ich alles missen.
Mein teuerster Verlust der bin selb-selbsten ich.
Nun bin ich ohne Sie, nun bin ich ohne mich.
1609 – 1640
Wie? Ist die Liebe Nichts? Was
liebt man denn im Lieben?
Was aber? Alles? Nein. Wer ist
vergnügt mit ihr?
Nicht Wasser; sie erglüht die
Herzen für und für.
Auch Feuer nicht. Warumb? Was
ist für Flammen blieben?
Was denn? Gut? aber sagt!
woher kömpt ihr Betrüben?
Denn Böse? Mich dünkts nicht;
nichts Solches macht Begier.
Denn Leben? Nein; wer liebt,
der stirbt ab seiner Zier,
und wird bei Leben schon den
Toten zugeschrieben.
So wird sie Tod denn sein?
Nichts minder, als diß eben.
Was tot ist, das bleibt tot.
Aus Lieben kommet Leben.
Ich weiß nicht, wer mir sagt,
was, wie, wo oder wenn?
Ist nun die Liebe nicht
Nichts, Alles, Wasser, Feuer,
Gut, Böse, Leben, Tod: euch
frag’ ich, neue Freier,
sagt ihr mirs, wenn ihrs wißt:
Was ist die Liebe denn?
1609 – 1640
Was, sprichst du, ist es wohl,
darauf du dich bemühst?
Kunst? Ehre? Reichthum? Lust?
– die Lüften gleich und Güssen
Mit uns selbst schießen hin.
Ich auch, Freund, bin geflissen
Auf eben diesen Sinn, auf den
du weislich siehst.
Ich weiß es mehr als wohl, daß
Alles eitel ist.
Wie aber kömmt es doch, daß
wider unser Wissen
Wir etwas, das nicht ist, doch
schöne heißen müssen,
Daß der ein Andres thut, ein
Andres sich erkies’t?
In Unvollkommenheit vollkommen
werden wollen,
Das machet unsern Sinn auf
Neues so geschwollen,
Erfüllet auf den Schein, an
leichtem Winde schwer,
An vollem Mangel reich, Wer
kann von Herzen sagen:
Ich bin vergnügt in mir, weiß
weder Lust noch Klagen?
Wie alles eitel ist, der
Mensch ist eitel mehr.
1609 – 1640
Wie aber eilst du so, du meiner
Schmerzen Rast?
Deucht michs doch, daß ich
kaum auf eine Viertelstunde
Allhier gesessen bin bei
diesem Rosamunde,
Der meinen machet blaß; so
merk ich, daß du fast
Dich an die Hälfte schon von
uns entzogen hast.
Kehr um und halte Fuß und gib uns
Zeit zum Bunde!
Den wir hier richten auf von
ganzem Herzensgrunde.
Kehr um und sei bei uns ein
nicht so kurzer Gast!
Dein Sohn, der sanfte Schlaf,
schleicht durch das stille Haus
Und streut die leise Saat der
Träume häufig aus,
Darmit du länger kannst bei
unsrer Lust verweilen.
Verhüll uns in ein Tuch, bis
daß das dunkle Licht
Des halben Morgens dir durch
deine Kleider bricht;
Denn ist es Zeit, daß wir mit
dir von hinnen eilen.
1609 – 1640
Was tun doch wir, daß wir die
süßen Jahre,
Der Jugend Lenz, so lassen Fuß
fur Fuß
Vorübergehn? Soll uns denn der
Verdruß,
Die Einsamkeit noch bringen
auf die Bahre?
Sie kehrt nicht umb, die Zeit,
die teure Ware.
Bewegt uns nicht dies, was man
so lieben muß,
Die Höfligkeit, der Mut, die
Gunst, der Kuß,
Die Brust, der Hals, die
goldgeschmiedeten Haare?
Nein. Wir sind Fels und
stählerner als Stahl,
Bestürzt, verwirrt. Wir lieben
unsre Qual,
Sind lebend tot und wissen
nicht, was frommet.
Dies Einzige steht uns noch
ganz und frei,
Daß wir verstehn, was für ein
gut Ding sei,
Das uns stets fleucht und das
ihr itzt bekommet.