Paul Fleming                              Ich begehre aufgelöst usw.

1609 – 1640

Ach schau, o Himmel doch, wie hart ich bin gebunden

von deiner Schwester hier, der ungerechten Welt,

die aber nicht bei dir als eine Schwester hält,

indem sie stets verirrt, was du hast wiederfunden.

 

Sie spannt die Seelen ein, die ledig für dir stunden,

selbst Ursach ihres Jochs. Tritt vor das, was sie stellt,

bis daß der schwache Geist in ihre Stricke fällt

Da liegt, da zappelt er, durch sich selbst überwunden.

 

Ich kenn und kann sie doch, die falsche, nicht verneiden.

Ich fühle meinen Zwang und muß ihn willig leiden,

wo Zwang auch Willen hat. O Heiland, mach mich frei!

 

Ich bin es, der ich mich auch selbsten also binde.

Mach, daß ich, los von mir, bei dir noch heut empfinde,

was ungebunden sein für eine Freiheit sei!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Ich bin die Auferstehung usw.

1609 – 1640

Ich aber bin der Tod und ganze Niederlage,

vermag nicht soviel Kraft, um mich zu richten auf.

Ich fälle mich selbselbst durch meinen eignen Lauf,

matt, kraftlos, ohne Macht. Wer ist hier, dem ichs klage?

 

Ach daß ein Retter käm und hülfe meiner Plage!

An wen doch steif ich mich? wer gibet Achtung drauf,

wie ängstlich mir geschicht? Es häuft sich Hauf auf Hauf

an Not, an Angst, an Qual, in welcher ich verzage.

 

So lieg ich Schwacher denn in tausend herben Schmerzen,

so sterb ich Toter vor, ehs jemand nimmt zu Herzen.

Und leg und stürb ich mir, so hätt es keine Not.

 

Komm, Auferstehung, komm! Komm, Leben, komm geschwinde,

hilf mir, mir Liegenden, mir Toten in der Sünde,

sonst bleib ich armer Mensch stets liegend und stets tot.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Monsieur Christian Herpichen,

1609 – 1640                                                 Fürstl. Holsteinischer Gesandten Violgambisten

 

Ich bin zu früh erwacht von deines Tages Flammen,

der mehr als andre glänzt, ich bin zu zeitlich hier.

Doch gib das Brettspiel her und nimm es an mit mir,

es gilt mir beides gleich, verkehren oder dammen.

 

Indessen findet sich die ganze Zunft zusammen,

die auf dich fröhlich ist. Denn setz uns feistes Bier

und reinen Reinfall für, der reicher wird an Zier,

wenn du eins streichest drein auf deiner Violgammen.

 

So laß uns heute tun, so laß uns morgen machen,

bis daß der dritte Tag uns fröhlich an wird lachen,

den wir auch geben drein. Ich lobe diesen Mann,

 

der seiner Zeit gebraucht, weil er ihr kann genießen,

und unverdrossen ist, sein Leben auch zu schließen,

wenn er noch lachen mag und länger leben kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              O ewigs Licht, machs gleich wunderlich, nur selig

1609 – 1640

Geuß deinen Eifer aus mit Krügen und mit Mulden!

Zeuch alle deinen Ernst zusammen wider mich!

Zermalme meinen Leib und stell dich wider mich!

Verschleuß mir ganz und gar die Kammern deiner Hulden!

 

Ein Höhres noch hab ich verbührt mit meinen Schulden.

Mach meiner Seelen Angst! Stoß meinen Geist und sprich:

Hin, wo man ewig weint und siehet keinen Stich!

Dies alles bin ich wert und mehr noch zu erdulden.

 

Zumitten dieses Zorns so denk auch deiner Gnaden,

daß, wenn du mich bringst um, du dir nicht selbst tust Schaden,

schau meinen Zahler an, dann salb du deinen Sohn.

 

Tu Recht, Gerechtigkeit! Was willst du an mein Leben?

Er hat für mich an dich mehr, als ich soll, gegeben,

daß auch für meine Schuld der Himmel sei mein Lohn.

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Über den Ort der Zusammenkunft

1609 – 1640

Laßt euch erschrecken nicht die jauchzenden Trombetten,

der Spiele vollen Lärm, der Flaggen hohen Flug,

dies ungewöhnte Schiff, das erst die Wolge trug,

der Rüllen derben Knall, den Schlag der Falkenetten,

 

den aufgefahrnen Dampf der blitzenden Musketen,

ihr Nymphen dieses Orts, steigt sicher auf den Bug.

Kommt her und seht uns zu, ihr habt es freien Fug.

Wir sind nicht feind mit euch, wir kommen euch zu retten.

 

Hier, da vor kurzer Zeit fünfhundert Reußen fielen

durch der Kosaken Hand, die auch auf uns schon zielen,

wieviel Bericht kömmt ein; da der Tod itzt lebt,

 

die Ursach eurer Furcht, da werden mit Versprechen

zwei starke Völker eins, die wilde Macht zu brechen,

für der dies ganze Land in feigem Zittern bebt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Über den Zusammenfluß der Wolgen und Kamen,

1609 – 1640                                                 20 Werste unter Samaren

 

Schwimmt näher zu uns her und stellt euch furchtsam nicht,

ihr wilden Fürstinnen des öden Permerstrandes.

Kommt, Nymphen, an den Port, das Ufer dieses Randes

ist püschig, kühl und frisch, da keine Sonne sticht.

 

Kommt, schauet dieses Schiff, von dem ganz Reußen spricht,

auch dies ist eine Zier der Ersten meines Landes,

des treuen Holsteins Pfand, der Knoten eines Bandes,

das zwischen mir und ihm in Ewigkeit nicht bricht.

 

Und du, o Vater Kam, geuß deinen braunen Fluß

mit völlern Krügen aus, daß unsern föhrnen Fuß

kein blinder Sand halt auf, kein falscher Grund versäume.

 

Die Wolge fleußt vorweg, bestellt die Sicherheit,

beut auf gut Glück und Heil, setzt Wohlfahrt ein und schreit,

daß Anfall, Mord und Raub ihr beides Ufer räume.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Über die Pfirschen von Astrachan

1609 – 1640

Den langsamen Verdruß der siebenthalben Wochen

streicht dieser Morgen hin. Habt wieder einen Mut,

ihr dapfern Zimbern ihr! Das räuberische Blut,

das nach der Tone heißt, hat sich vor euch verkrochen.

 

Seht, was euch vor ein Gruß allhier wird zugesprochen.

Schaut, was die fremde Stadt, was Astrachan doch tut!

Das nicht mehr öde Land empfängt euch durch sein Gut,

das es zu eurer Lust und Ehren hat gebrochen.

 

Seid mehr froh, als ihr seid! Nicht Bacchus nur alleine

bewirbet sich um euch mit seinem braunen Weine;

Pomona schickt euch auch aus ihren Gärten dies.

 

Reist sicher, wie ihr tut. Auch Kaspis kömmt geschwommen

und heißet euer Schiff mit sanfter Flut willkommen.

Die Götter machen selbst euch eures Glücks gewiß.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Über Gedächtnis seiner ersten Freundin

1609 – 1640

Noch dennoch bleib' ich Ihr, muß ich Sie gleich verlassen,
und meine Sie, muß ich gleich ihr entzogen sein,
bezwungen durch das Tun, das unsern Trost und Pein
verwechselt, wie es will. Ich will mein Trübnis massen,


Tun wie ein Weiser tut. Ein großes Herze fassen.
Sein meine, wie ich soll. Sie aller Tugend schein,
mein alles und auch nichts, ist nicht, und ist doch mein'.
Hass' ich das schöne Kind, so muß ich selbst mich hassen.


Verhängnis, schone nicht. Reiß sie nur immer hin.
Du raubst mir ihren Leib nicht aber ihren Sinn,
der nun und nimmermehr von mir spricht sich zu lenken.


Mir bleibt dein bester Teil, O meiner Seelen Licht,
und darf ich künftig schon, Lust, dich besitzen nicht,
So darf ich deiner doch mit Freuden stets gedenken.

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Über Herrn Martin Opitzen auf Boberfeld
1609 - 1640                                      sein Ableben.

 

So zeuch auch du denn hin in dein Elyserfeld,
Du Pindar, du Homer, du Maro unsrer Zeiten,
und untermenge dich mit diesen großen Leuten,
Die ganz in deinen Geist sich hatten hier verstellt.


Zeuch jenen Helden zu, du jenen gleicher Held,
Der jetzt nichts gleiches hat. Du Herzog deutscher Seiten;
O Erbe durch dich selbst der steten Ewigkeiten;
O ewiglicher Schatz und auch Verlust der Welt.


Germania ist tot, die Herrliche, die Freie.
Ein Grab verdecket sie und ihre ganze Treue.
Die Mutter die ist hin; Hier liegt nun auch ihr Sohn,


Ihr Rächer, und sein Arm. Laßt, laßt nur alles bleiben
Ihr, die ihr übrig seid und macht euch nur davon.
Die Welt hat wahrlich mehr nichts würdigs zu beschreiben.

 

 

 

 

Paul Fleming                              Auf Herrn Martin Opitzen seinen Tod,

1609 – 1640                                                 welcher ihm in der nagaischen Tartarei kundgetan ward

 

                                       Zu Astrachan im Brachmonat 1638

 

Hat mein Verhängnüs denn so ganz zur Unzeit mich

von Glücke, Vaterland und allem ausgetrieben

und war mir denn also annoch nicht alles blieben,

das einen Geist belebt und mutig macht auf sich,

 

du Herzog meiner Lust? Mir hat auch endlich dich

der allgemeine Rat auf Deutschland aufgerieben,

dich, du der menschen Lust und einziges Belieben,

die wahrer Liebe lieb und fähig sind, wie ich.

 

Ich hier der Skythen Raub, wie Naso dort der Geten,

wormit verehr ich doch dich ewigen Poeten?

Der weg ist da und dort und aller Enden zu.

 

Mein erster Geist ist tot; und nun stirbt auch das Leben.

Ich will zwar: aber schau, wie kann ich dich erheben?

Dich kann erheben recht sonst niemand als nur du.

 

 

 

 

Paul Fleming                              Von sich selber

1609 – 1640

Ich feure ganz und brenne lichter Loh.
Die Tränen hier sind meiner Flammen Ammen,
Die mich nicht läßt dies stete Leid verdammen;
ich kenn' es wohl, was mich kann machen froh,


Daß ich fortan nicht dürfte weinen so.
Wo aber ist’s? So müssen nun die Flammen
hier über mir nur schlagen frei zusammen.
Mein Schirm ist weg, mein Schutz ist anderswo.


Ist ganz nichts da, daran ich mich mag kühlen,
In solcher Glut, die meine Geister fühlen?
Der Liebes-Durst verzehrt mir Mark und Bein.


Dies Wasser ist’s, die Kühlung meiner Hitze,
Das ich zum Trunk' aus beiden Augen schwitze.
Ich zapfe selbst, und Amor schenkt mir ein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Zu Terki in Zirkassen im Rückzuge aus Persien,

1609 - 1640                                      auf eines seinen Namens Tag.

 

Auf hundert Ach und Weh, auf tausend Not und Mühen,
Auf hundert tausend Leid, kommt ein Tag endlich her,
der alles Ach und Weh, Not, Mühe, Leid, Beschwer,
auf einmal nimmet hin. Ihr Götter habt’s verliehen,


Daß wir nun sehn vor uns ein neues Glücke blühen.
Der Weg ist über halb. Es kommt nicht ungefähr,
Daß wir noch alle steh’n, und können nach Begehr
In unser Vaterland, das liebe, wieder ziehen.


Sei, Bruder, froh mit uns und stell' uns an ein Fest,
denn daß uns auch für dich, Gott heut' Ihm danken läßt,
das tut Er Ihm zur Ehr' und dir und uns zu Glücke.


So feire deinen Tag, und schaff uns Lust genung.
Greif hurtig in das Geld; es geht nunmehr zu rücke.
Auf eine reiche Frau ist dies der erste Sprung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Zur Zeit seiner Verstoßung

1609 – 1640

Ein Kauffmann, der sein Gut nur einem Schiffe traut,
ist hochgefährlich dran, in dem es bald kann kommen,
daß ihm auf einen Stoß sein Ganzes wird genommen.
Der fehlt, der allzuviel auf ein Gelücke traut.


Gedenk' ich nun an mich, so schauret mir die Haut.
Mein Schiff das ist entzwei. Mein Gut ist weggeschwommen.
Nichts mehr das ist mein Rest; das machet kurze Summen.
Ich habe Müh' und Angst, ein ander meine Braut.


Ich Unglückseliger! mein Herze wird zerrissen,
mein Sinn ist ohne sich. Mein Geist zeucht von mir aus.
Mein alles wird nun nichts. Was wird doch endlich draus?


Wär eins doch übrig noch, so wollt' ich alles missen.
Mein teuerster Verlust der bin selb-selbsten ich.
Nun bin ich ohne Sie, nun bin ich ohne mich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                             

1609 – 1640

Wie? Ist die Liebe Nichts? Was liebt man denn im Lieben?

Was aber? Alles? Nein. Wer ist vergnügt mit ihr?

Nicht Wasser; sie erglüht die Herzen für und für.

Auch Feuer nicht. Warumb? Was ist für Flammen blieben?

 

Was denn? Gut? aber sagt! woher kömpt ihr Betrüben?

Denn Böse? Mich dünkts nicht; nichts Solches macht Begier.

Denn Leben? Nein; wer liebt, der stirbt ab seiner Zier,

und wird bei Leben schon den Toten zugeschrieben.

 

So wird sie Tod denn sein? Nichts minder, als diß eben.

Was tot ist, das bleibt tot. Aus Lieben kommet Leben.

Ich weiß nicht, wer mir sagt, was, wie, wo oder wenn?

 

Ist nun die Liebe nicht Nichts, Alles, Wasser, Feuer,

Gut, Böse, Leben, Tod: euch frag’ ich, neue Freier,

sagt ihr mirs, wenn ihrs wißt: Was ist die Liebe denn?

 

 

 

 

 

 

Paul Fleming                              Es ist alles eitel

1609 – 1640

Was, sprichst du, ist es wohl, darauf du dich bemühst?

Kunst? Ehre? Reichthum? Lust? – die Lüften gleich und Güssen

Mit uns selbst schießen hin. Ich auch, Freund, bin geflissen

Auf eben diesen Sinn, auf den du weislich siehst.

 

Ich weiß es mehr als wohl, daß Alles eitel ist.

Wie aber kömmt es doch, daß wider unser Wissen

Wir etwas, das nicht ist, doch schöne heißen müssen,

Daß der ein Andres thut, ein Andres sich erkies’t?

 

In Unvollkommenheit vollkommen werden wollen,

Das machet unsern Sinn auf Neues so geschwollen,

Erfüllet auf den Schein, an leichtem Winde schwer,

 

An vollem Mangel reich, Wer kann von Herzen sagen:

Ich bin vergnügt in mir, weiß weder Lust noch Klagen?

Wie alles eitel ist, der Mensch ist eitel mehr.

 

 

 

 

Paul Fleming                              An die Nacht, als er bei ihr wachte

1609 – 1640

Wie aber eilst du so, du meiner Schmerzen Rast?

Deucht michs doch, daß ich kaum auf eine Viertelstunde

Allhier gesessen bin bei diesem Rosamunde,

Der meinen machet blaß; so merk ich, daß du fast

 

Dich an die Hälfte schon von uns entzogen hast.

Kehr um und halte Fuß und gib uns Zeit zum Bunde!

Den wir hier richten auf von ganzem Herzensgrunde.

Kehr um und sei bei uns ein nicht so kurzer Gast!

 

Dein Sohn, der sanfte Schlaf, schleicht durch das stille Haus

Und streut die leise Saat der Träume häufig aus,

Darmit du länger kannst bei unsrer Lust verweilen.

 

Verhüll uns in ein Tuch, bis daß das dunkle Licht

Des halben Morgens dir durch deine Kleider bricht;

Denn ist es Zeit, daß wir mit dir von hinnen eilen.

 

 

 

Paul Fleming                              Auf eine Hochzeit

1609 – 1640

Was tun doch wir, daß wir die süßen Jahre,

Der Jugend Lenz, so lassen Fuß fur Fuß

Vorübergehn? Soll uns denn der Verdruß,

Die Einsamkeit noch bringen auf die Bahre?

 

Sie kehrt nicht umb, die Zeit, die teure Ware.

Bewegt uns nicht dies, was man so lieben muß,

Die Höfligkeit, der Mut, die Gunst, der Kuß,

Die Brust, der Hals, die goldgeschmiedeten Haare?

 

Nein. Wir sind Fels und stählerner als Stahl,

Bestürzt, verwirrt. Wir lieben unsre Qual,

Sind lebend tot und wissen nicht, was frommet.

 

Dies Einzige steht uns noch ganz und frei,

Daß wir verstehn, was für ein gut Ding sei,

Das uns stets fleucht und das ihr itzt bekommet.