Sonett-Forum

Normale Version: Studie über den Anapäst
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Studie über den Anapäst

Ein Versuch darf es sein, aber kein Manifest. -
Man bemüht wohl als erstes sein Vokabular;
Die Begriffe im richtigen Rythmus sind rar,
als da wär: Liebelei, Anatom, Almagest...

Ein Gedicht daraus aufzubau'n erstmal als Test,
zu Beginn mit zwei schwächeren Silben, dann par
excellence seine Stimme zu heben... Gefahr
liegt darin; noch zu ungewohnt der Anapäst.

Auch der Leser hat andere Metren im Ohr
und so stolpert er leicht, doch damit er nicht stürzt
setzt man möglichst nicht zu viele Einsilber vor
seinen ersten Begriff, der auch Sinn trägt, dann würzt
auch ein unorthodoxes Konstrukt deinen Vers
- wie ein Daktylus, hier allerdings mal invers.
Hallo ZaunköniG,

ja, der Anapäst erschließt sich uns nur sehr schwer. Zu ungewöhnlich klingt dieses Versmaß in unseren Ohren.

Mit Medusa rätsle ich gerade, ob das folgende Gedicht von Georg Heym ein Anapäst ist oder nicht. Was meinst du?

Ach nun seht doch den Heym ...

Ach nun seht doch den Heym, wie er schreitet mit wankendem Schritte
Nur begleitet vom Wind, dem gewaltigen Herrscher der Lüfte.
Abschied hat er genommen von Toni seiner Geliebten.
Ihm deucht, er kann nicht mehr leben ohn sie die herrliche Schönheit.
Als er nun biegt um die Ecke, ein Leuchten geht über die Züge des herrlichen Heym.
Die Else hat er gesehen, die er schon lange bewundert.
Dies deucht ihm ein Wink von Athene, der herrlichen Göttin.
Für die herrliche Toni, die er eben mit Jammern verlassen
Hab er Ersatz gefunden in der Else, der blauäugigen Schönheit.
Flüchtig kennt er sie schon, er beschließt sie näher zu kennen.
Rot bis über die Ohren, das Zeichen der keimenden Liebe,
Grüßend geht er vorüber an ihr, die huldvoll ihm lächelt.
Er der eben noch jammert, kehrt freudig nach Hause zurück jetzt.
Else, sie ist jetzt sein Sehnen, Else, sie sieht er im Traume.
Else, sie soll ihn beglücken.
Am Morgen, da sieht er sie wieder
Und herrlich in der Jugend Prangen usw.


Lieben Gruß
Halbe Frau
Hallo Halbe Frau,

Die ersten beiden Zeilen würde ich auch als Anapäst lesen, auch wenn sie mit unbetonter Silbe enden. Vor allen die jeweiligen Zeilenanfänge:

Ach nun seht doch den Heym,...
Nur begleitet vom Wind,...

sind eindeutig Anapäst, aber so einheitlich fährt er nicht fort.
Die meißten Zeilen scheinen mir im Amphibrachus geschrieben zu sein, teils mit Auftakt, teils mit Zäsur.

Wie kommt ihr gerade auf diesen Text als Beispiel?
Er klingt, gar keine Frage, aber ich sehe da kein sehr strenges Metrum

LG ZaunköniG
Hallo ZaunköniG,

beim Stöbern in den Gedichten von Georg Heym bin ich auf diesen Text gestoßen, der mir gut gefiel. Für mich klang er wie ein Anapäst und ich fragte Medusa. Sie meinte, in dem Gedicht würden die Versmaße kunterbunt durcheinander gemischt, so dass man nicht von einem Anapäst sprechen könnte. Nun fragte ich mich, was es ansonsten sein könnte.

Habe mal nachgelesen, was ein Amphibrachus ist:

Zitat:Amphibrachys (griech., beidseits kurz) bezeichnet einen antiken Versfuß aus drei Silben, bei dem zwei leichte Silben eine schwere Silbe umschließen (Schema:unbetont-betont-unbetont ). Dieser schon in der Antike selten verwendete Versfuß kommt in deutschen Versen besonders dann vor, wenn diese Verse mit Auftakt beginnen. Beispiel: ?Im Namen der Wiege macht Frieden? Amphibrachys (griech., beidseits kurz) bezeichnet einen antiken Versfuß aus drei Silben, bei dem zwei leichte Silben eine schwere Silbe umschließen (Schema:unbetont-betont-unbetont ). Dieser schon in der Antike selten verwendete Versfuß kommt in deutschen Versen besonders dann vor, wenn diese Verse mit Auftakt beginnen. Beispiel: ?Im Namen der Wiege macht Frieden?

Es fällt auf, dass die Dichter sich früher oft nicht sklavisch an ein Versmaß gehalten haben.

Gibt es eigentlich den Anapäst auch in Sonetten?

Gruß
Halbe Frau
Mal abgesehen vom Anfang der Zeile 6 sind es zumindest nur 3-gliedrige Versmaße, also Anapäst, Amphybrachus und Daktylus.

Was aber, wenn die Silbenzahl einer Zeile nicht durch drei teilbar ist?
Definiert man das Metrum dann von vorne oder vom Ende der Zeile?
Da kann man sicher zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Zitat:Gibt es eigentlich den Anapäst auch in Sonetten?

Mir war keines bekannt, habe aber auch noch nicht systematisch danach gesucht. Da versuche ich dann doch lieber selber eines. Das geht schneller als zig-tausende andere Sonette zu überprüfen.

Solche Spielereien habe ich hin und wieder ganz gerne.
Ich behaupte auch, das erste Sonett mit Telestichon geschrieben zu haben...
(hoffentlich habe ich mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt)

LG ZaunköniG