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Normale Version: Percy Bysshe Shelley: Love’s Philosophy
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Percy Bysshe Shelley
1792 - 1822 Großbritannien


Love’s Philosophy

The fountains mingle with the river
And the rivers with the ocean,
The winds of heaven mix for ever
With a sweet emotion;
Nothing in the world is single,
All things by a law divine
In one another’s being mingle—
Why not I with thine?

See the mountains kiss high heaven,
And the waves clasp one another;
No sister-flower would be forgiven
If it disdain’d its brother;
And the sunlight clasps the earth,
And the moonbeams kiss the sea—
What is all this sweet work worth
If thou kiss not me?



Liebesphilosophie

Die Quellen mischen sich dem Fluss
und zum Meer das Flussbett führt.
Der Wind im Himmel aufgehn muss
vom Aufgehn sanft berührt.
Nichts ist in der Welt allein.
Ein jedes Ding im Jetzt und Hier
mischt sich andern Dingen ein -
warum nicht ich bei dir?

Sieh Berg und Himmel eins im Kuss
und sieh die Wellen sich umfangen.
kein Blümchen wehrt der andern Gruß, -
es wär ihm schlecht ergangen.
Das Sonnenlicht umfängt die Erde,
das Mondlicht still die Wasser grüßt.
Was ist die süße Regung wert
wenn du mich nicht küsst?
Hallo Zaunkönig,

das Original war mir bisher nicht bekannt. Vielleicht liegt es daran, dass es in keiner der relevanten Gedichtsammlungen der Romantiker oder Shelleys selbst aufgenommen wurde. Die Übersetzung ist dir tadellos gelungen. Daran gibt es nichts auszusetzen. Das Poem selbst ist allerdings wohl nicht eines von S.'s stärksten Leistungen: ein wenig konventionell in den poetischen Bildern und der Aussage über die Liebe und, wenn man die Vita des Dichters heranzieht, auch ein wenig unglaubwürdig. Vielleicht wollte er eine Dame damit verbal beeindrucken, weil es ihm noch nicht gelungen war, ihr vaginal zu imponieren.
Aber das ist eine Spekulation meinerseits. Da ich gerade Oscar Wildes Bildnis des Dorian Gray gelesen habe, bin ich ein wenig dem Zynismus zugeneigt.
Doch eine Kritik habe ich noch: Das Bild des Anfangs - die Quelle geht zum Fluss, der Fluss zum Meer- sollte auch sprachlich im Deutschen genau in dieser Reihenfolge wiedergegeben werden. Also etwas "so wie der Fluss zum Meere führt." Das ist einfach rhetorisch stärker als die Umstellung "und zum Meer das Flussbett führt" ( da muss man einen kleinen, aber z u langen Moment überlegen, was das heißt ...)
So heißt es z. B.auch in Byrons "The Isles of Greece" : "The mountains look on Marathon/ And Marathon looks on the sea ..." - "Die Berge schaun auf Marathon / Und Marathon schaut auf das Meer". Die Dopplung von "Marathon" ist eine rhetorische Figur der Steigerung, der Emphase, die für den Satz, der ansonsten nur eine geografische Banalität beschreibt, wichtig ist. Damit liesse sich auch der Anfang des Shelley-Gedichtes verbessern. Anfang und Ende eines Textes sind ja besondere Stellen für die Leseraufmerksamkeit. Probier es einmal aus!
Gruß
Josef
Hallo Josef,

Ich denke auch, dass es eher dem Jugendwerk zuzurechnen ist, da ist doch ziemlich viel Schmelz in der Stimme.