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Normale Version: Omar Khayyám: Rubayat 1-17, 56
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Nachdem du das schon thematisiert hast, bring ich die paar Rubais, die ich aus der Fithgerald Version mal geschustert habe, hier aufs Tapet. Das Werk selbst ist sehr schön, es lohnt sich, das mal wieder aufzugreifen und den einen oder anderen Vierzeiler dann zu posten:

Omar Khayyám
1048 – 1131 Persien

Aus dem Rubayat


https://www.library.cornell.edu/colldev/.../okhym.htm


I
AWAKE! for Morning in the Bowl of Night
Has flung the Stone that puts the Stars to Flight:
And Lo! the Hunter of the East has caught
The Sultan's Turret in a Noose of Light.

II
Dreaming when Dawn's Left Hand was in the Sky
I heard a voice within the Tavern cry,
"Awake, my Little ones, and fill the Cup
Before Life's Liquor in its Cup be dry."

III
And, as the Cock crew, those who stood before
The Tavern shouted--"Open then the Door!
"You know how little while we have to stay,
"And, once departed, may return no more."

IV
Now the New Year reviving old Desires,
The thoughtful Soul to Solitude retires,
Where the WHITE HAND OF MOSES on the Bough
Puts out, and Jesus from the Ground suspires.

V
Iram indeed is gone with all its Rose,
And Jamshyd's Sev'n-ring'd Cup where no one knows;
But still the Vine her ancient Ruby yields,
And still a Garden by the Water blows.

VI
And David's Lips are lock't; but in divine
High piping Pehlevi, with "Wine! Wine! Wine!
"Red Wine!"---the Nightingale cries to the Rose
That yellow Cheek of hers to incarnadine.

VII
Come, fill the Cup, and in the Fire of Spring
The Winter Garment of Repentance fling:
The Bird of Time has but a little way
To fly---and Lo! the Bird is on the Wing.

VIII
And look---a thousand Blossoms with the Day
Woke---and a thousand scatter'd into Clay:
And this first Summer Month that brings the Rose
Shall take Jamshyd and Kaikobad away.

IX
But come with old Khayyam, and leave the Lot
Of Kaikobad and Kaikhosru forgot!
Let Rustum lay about him as he will,
Or Hatim Tai cry Supper---heed them not.

X
With me along some Strip of Herbage strown
That just divides the desert from the sown,
Where name of Slave and Sultan scarce is known,
And pity Sultan Mahmud on his Throne.

XI
Here with a Loaf of Bread beneath the Bough,
A Flask of Wine, a Book of Verse---and Thou
Beside me singing in the Wilderness---
And Wilderness is Paradise enow.

XII
How sweet is mortal Sovranty!"---think some:
Others---"How blest the Paradise to come!"
Ah, take the Cash in hand and waive the Rest;
Oh, the brave Music of a distant Drum!
XIII
Look to the Rose that blows about us---"Lo,
"Laughing," she says, "into the World I blow:
"At once the silken Tassel of my Purse
"Tear, and its Treasure on the Garden throw."

XIV
The Worldly Hope men set their Hearts upon
Turns Ashes---or it prospers; and anon,
Like Snow upon the Desert's dusty Face
Lighting a little Hour or two---is gone.

XV
And those who husbanded the golden grain
and those who flung it to the winds like rain
alike to no such aureate earth are turnend
as buried once, men want dug up again

XVI
Think, in this batter'd Caravanserai
Whose Doorways are alternate Night and Day,
How Sultan after Sultan with his Pomp
Abode his Hour or two, and went his way.

XVII
They say the Lion and the Lizard keep
The Courts where Jamshýd gloried and drank deep:
And Bahrám, that great Hunter--the Wild Ass
Stamps o'er his Head, but cannot break his Sleep!

LVI
And this i know whether the one true light
kindles to love or wrath consume me quite
one flash of it within the tavern caught
better than in the temple lost outright.
!



Erwacht!, Der Morgen trieb mit seiner Hast
das Reich der Sterne aus, seht: Nun umfasst
das Morgenrot mit einer Schlinge reichen Lichts
des Sultans Söller über dem Palast.

2
Zur falschen Dämmerung lag ich im Traum
da klangs herauf schon aus der Schänke Raum:
Wacht , meine Kleinen auf, füllt Kelche, sonst
zerfällt des Lebens Wein euch jäh zu Schaum.

3
Zum ersten Hahnenruf schon riefen sie
am Tor der Schänke: Auf! ihr wisst doch wie
die Frist uns karg bemessen ist im Jetzt und Hier
und - sind wir weg- ein Wiedersehn gibt’s nie.
4
Da‘s neue Jahr die alte Lust entdeckt
zieht‘s Denker hin, wo Stille sich erstreckt,
wo Bäume knospen weiß wie Moses Hand,
wo Jesu‘ Atem neu das Land erweckt.

5
Iram verging, wie alles schwinden muss,
samt Rosen, Jamshyd’s goldnem Kelch zum Schluss,
doch reift in Reben stet die Süße neu
erblüht uns kühl der Garten noch am Fluss.

6
Und Davids Stimme stockt, doch sucht der Schlag
der Nachtigall nach „Wein“ ob er dem Tag
der gelben Rosenwange, halb verblüht,
ein Tiefrot zu entlocken noch vermag.

7
Komm, füll den Kelch, dem Frühlingsfeuer schenk
des Winters Tracht Bedauern: ein Geschenk
ist alle Zeit und flüchtig wie ein Vogel nur
schon fliegt sie auf, fliegt hoch und weit: Bedenk:

8
Vieltausend Blüten hat der Tag geweckt
vieltausend andre in den Staub gestreckt.
Der Sommermond der Rosen birgt den Tod,
der Jahmshyd, Kaikobad die Zähne bleckt.

9
Doch kommt mit Khayyam, belass den Driss
In Kaikobad und Kaikhosru, vergiss!
Lass Rustum herrschen wie er immer will,
hör nicht wie Hatim Tai dir ruft “ Komm iss“.

10
Komm hin zum Moos, das wie ein grünes Band,
die Wildnis abgrenzt vom bebauten Land,
wo weder Kaiser man noch Knechte kennt,
und Mitleid fühlt für Sultan Mahmouds Stand.

11
Im Schatten unter Bäumen Brot und Wein,
dein Lied das durch die Wildnis klingt allein,
und du bei mir, Du lässt das wüste Land
mir Eden, Land voll Milch und Honig sein.

12
„Wie schön“ glaubt mancher, „ist der Menschen Los“
ein anderer: „nur Gottes Reich ist groß“
Pah, nehmt das Jetzt, den Rest lasst einfach gehn,
nur dumpfer Pauken Schlag von weit ists bloß.

13
Sieh, diese Rose dort erzählt der Welt
„Mit Lächlen, da mein Duft den Tag erhellt,
brech ich auf einmal jede Knospe auf,
dass aller Reichtum in den Garten fällt.

14
Auf Reichtum hoffen Herzen lebenslang
vergebens- und wenn doch ein Wurf gelang,
gleicht Glück dem Regen in der Wüste nur,
wie kurz, wie flüchtig währt der große Fang.

15
Das Herz, das sich an goldner Habe freut,
und jenes, das sie in vier Winde streut,
zerfällt ganz gleich zu gleichem Staub und Streu,
Kaum nur bestattet, wühlt man darin heut.

16
Bedenk, der Weg aus diesem Herbergshaus
führt wechselweis ins Licht, zur Nacht hinaus,
und Sultan über Sultan, gold und ruhmbedeckt
verweilte kurze Zeit nur, ging und aus.

17
Es heißt, nun sonnen Leu und Schlange sich
in Jamshyds Schloss, sein Ruhm, sein Glanz verblich,
und Bharam?, wilder Esel Hufschlag weckt
den Jäger nicht mehr auf, dem keiner glich.

Das eine weiß ich, ob das wahre Licht
mich Liebe lehrt, ob mich der Hass zerbricht,
sein Leuchten in der Kneipe kurz gesehn,
wiegt jeden Tempel auf, der schweigt statt spricht.




.
Hallo Sneaky,

Ich habe mir mal erlaubt den Autor zu ergänzen. Unter den Rubai-Dichtern ist er wohl der bekannteste, dürfte aber dennoch nicht jedem geläufig sein.
Zudem ist mir aufgefallen dass die Rubais bei verschiedenen Übersetzern verschieden gezählt werden, also in anderer Reihenfolge oder Auswahl vorliegen.
Selbst Fitzgeralds Übertragungen gibt es in verschiedenen Versionen - und Zählungen. Auf welche Ausgabe bezieht sich deine Zählung?

Ich würde das Rubayat also gar nicht als geschlossenes Werk betrachten, sondern als Sammlung relativ eigenständiger Vierzeiler, auch wenn man Gruppen zum selben Themen- oder Motivkreis ausmachen kann.

In der englischen Wikipedia hat Omars Rubayat eine eigene Seite:
https://en.wikipedia.org/wiki/Rubaiyat_of_Omar_Khayyam

Dort sind auch ein paar deutsche Übersetzungen angerissen. Was auffällt: Kein deutscher Übersetzer hat das aaba-Schema gehalten.
Das läuft bei dir rund, allerdings bist du inhaltlich recht frei geworden, wie ich finde.

Meine prosaische Lesart zur I. ist etwa so:

Zitat:Erwache! Zum Morgen wurde in die Schale der Nacht
der Stein geschleudert, der die Sterne in die Flucht schlägt:
Und sieh! Der Jäger aus dem Osten fing
des Sultans Turm in einer Schlinge aus Licht

Die Jagd sehe ich hier als zentrale Metapher, beginnend schon mit dem geschleuderten Stein (Der Sonne? Dem Morgenstern?), der die Sterne vertreibt.
Sonnenrad finde ich auch nicht glücklich formuliert, weil ich mir unter einem Rad etwas festes,starres vorstelle, während eine Schlinge doch flexibel sein muss.

Ich denke auch dass du turret mit Altan falsch übersetzt hast. Ein Altan ist doch ein Vor- oder Anbau -> https://de.wikipedia.org/wiki/Söller

Turm, Türmchen oder meinetwegen Zinne fände ich passender, weil sich eine Schlinge dort besser verfangen könnte.


Gruß
ZaunköniG
.


Erwacht! Der Morgenjäger wirft den Stein
verscheucht die Sterne mit dem ersten Schein, -
und seht: Mit einer Schlinge reinsten Lichts
fängt er die Türme des Palastes ein.


oder auch:


Der Morgenjäger schleudert seinen Stein,
verscheucht die Sterne mit dem ersten Schein. -
Erwacht! - Mit einer Schlinge reinsten Lichts
fängt er die Türme des Palastes ein.
Hallo Zaunkönig,

ich nehme die Fitzgerald-VErsion, die die Cornell Universität in ihren Archiven hat. Ich such den Link raus und poste ihn dann hier.

Mit dem Sonnenrad hast du wohl recht. Vielleicht nehme ich da "Morgenrot" oder so, bis mir was besseres einfällt. Den Altan kann ich austauschen, da nehme ich "Söller".

Die Jagd sehe ich hier nicht als zentrales Motiv, sondern halt als Umschreibung für den sich nähernden heranschleichenden Tag bzw, den Vorboten, die Dämmerung. Deswegen würde ich bei deiner Version (mir gefällt die 2 besser) statt hellsten zu "erstem Schein"

Sneaky.

Bin übrigens fleißig gewesen in meiner erzwungenen Pause und hab ein paar mehr gefertigt. Ich setze die dann oben rein.
Hallo Sneaky,

Es dürfte die erste Edition von Fitzgerald sein. In den folgenden Versionen hat er nicht nur weitere Vierzeiler eingefügt, sondern teils auch die Reihenfolge geändert.
Andere Übersetzer haben eine völlig andere Reihenfolge und Auswahl. Ich tendiere daher eher dazu die Rubais einzeln zu posten. Unterhalb eines Themas stehen ja immer noch die Vorschläge möglicherweise verwandter Themen, so dass man dennoch gut navigieren kann.

Es geht so auch ein bischen durcheinander, wenn verschiedene Versionen gegenübergestellt werden. Und der Tread-Titel stimmt ja eigentlich auch nicht mehr.


"Zentrales Motiv" war wohl falsch ausgedrückt. Es ist die zentrale Metapher.

Da Söller nur ein Synonym für Altan ist, hat sich an der Aussage nichts geändert.
Zwar erreicht das Licht die Dachterrasse, aber wo soll sich die Schlinge verfangen?


Zu meiner Version: Da hast du recht. Das hellste Licht wäre ja erst um die Mittagszeit. Also das ändere ich.



Gruß
ZaunköniG
eine wahre Fundgrube ist das hier, Sneaker!
Respekt auch, wie du die 11 hinbekommen hast. ich rahm sie mir mal hier ein:

Zitat:11
Im Schatten unter Bäumen Brot und Wein,
dein Lied das durch die Wildnis klingt allein,
und du bei mir, Du lässt das wüste Land
mir Eden, Land voll Milch und Honig sein.


Danke
Gruß
Alcedo
Hallo alcedo,

freut mich, wenn du der Übertragung was abgewinnen kannst. Ich werde hier von Zeit zu Zeit den Faden fortspinnen, soweits mir möglich ist.

Sneaky