Sonett-Forum

Normale Version: Am Meer
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Wie sehr sie wünschte, dass es immer bliebe,
was sie zusammen brachte und versprach.
Sie wollte gar nicht viel, nur etwas Glück.

Doch fragst du mich: „Wie war es mit der Liebe?“
So will ich ehrlich sprechen: sie zerbrach,
denn er ging fort und ließ sie hier zurück.

So bleich gezeichnet kauert sie am Strand,
auf ihren Schultern klaffen tiefe Wunden;
verzweifelt klammert sie sich schon seit Stunden
an die Erinnerung, die sie hier fand.

Gebrochen steht sie auf, geht an den Rand
der See, nur ihr fühlt sie sich jetzt verbunden.
Sie steigt ins Wasser; dann ist sie verschwunden.
Die Brandung spült die Spuren aus dem Sand.
Hallo Fabian,

Gesammtnote auch hier 'gut', aber die ersten Zeilen sind orthographisch etwas unübersichtlich. Wenn ich es recht verstehe, so ist mit dem 'sie' in der ersten Zeile eine Frau gemeint. Mit dem 'sie' in der zweiten Zeile aber die Liebe (oder die See?). Das erschließt sich aber nicht auf Anhieb, und bin mir eigentlich immer noch nicht sicher, ob ich es nun richtig interpretiert habe.
Kann es sein, daß du Quartette und Terzinen nachträglich umgestellt hast?

LG ZaunköniG
mit dem "sie" in der zweiten Zeile sind die beiden gemeint, also Frau und Mann, die zusammen waren. Das, was sie (die beiden) zusammen brachte, sollte für immer bleiben, weil es so vielversprechend begann.

Aber interessanterweise hast du die zweite Sinnebene gestreift und ich gebe zu, dass die vielen "sie" etwas verwirrend sind.

Ich habe die Terzette von Anfang an voran gestellt, aber die Quartette zuerst geschrieben. Es war also nicht von Anfang an so geplant, wenn du das meinst. Oftmals entwickelt sich mein Schreiben dynamisch (gottseidank) und es kommt anders, als ich zu Beginn ahnte. Das bedeutet leider auch allzu oft, dass es zu gar nichts führt und ich ein Gedicht abbreche oder völlig neu ansetze. Das ist auch eine Herausforderung des Schreibens. Jedenfalls empfinde ich das so.

Danke für deine Auseinandersetzung.

Gruß, Fabian
Hallo Fabian,

Wenn es ein Plural-Sie ist, dann müsste es doch aber auch 'versprachen' heißen, oder 'was es ihnen versprach' oder 'einander versprach', je nachdem. Das ist orthografisch so nicht ganz sauber und daher auch misverständlich.

Dynamisches Schreiben: Ja, ich denke, anders geht es in der Lyrik auch gar nicht. Ich fange auch oft mit dem Schluß an.

LG ZaunköniG
Weil da eventuell ein "einander" fehlt, meinst du? Das hat ja mit Orthografie nichts zu tun. Das ist Grammatik bzw. Syntax, also der Satzbau.

Geht es ums Verständnis oder ums Prinzip?
Dazu fällt mir das Beispiel "seit sie sich gekannt" ein. Das ist auch nicht korrekt, aber praktikabel, als Teil der künstlerischen Freiheit. Im Englischen liest man so oft "he/she do", was eigentlich Gänsehaut erzeugen müsste. Doch es wird benutzt.

Andererseits könnte es auch einfach heißen, dass etwas etwas versprach. Kennst du das nicht, wenn man sagt "DAS VERSPRICHT viel Gutes"? Dass es hier natürlich etwas Gutes ist, erschließt sich ja daraus, dass sich Fräulein wünschte, dass es immer bliebe.

Ok, vielleicht rede ich das auch rund, oder versuche es. Letztendlich ist es schon etwas kantig im Verständnis, da hast du wohl ganz einfach Recht. Smile

Ich überdenke das noch mal, aber ich finde eigentlich, dass das durchaus Ok so ist. Ein bisschen Arbeit muss man dem Leser ja überlassen, schließlich schreibe ich ja ansonsten nicht sehr kryptisch.

Danke für die Anregung.

Gruß, Fabian
Hallo Fabian,

es geht ums Verständnis. In deinem Satz weiß ich nicht ob sie (die Frau) oder sie (die Liebe) oder sie (beide) oder es irgendwas versprach. Solche Auslassungen sind eben nur praktikabel, wenn verständlich bleibt, was dort ausgelassen wird.
Willst du wirklich dem Leser überlassen wer da etwas verspricht?

LG ZaunköniG
nein, so war das nicht gemeint. Es geht natürlich umd die Liebe. Aber ob die Liebe sie nun (einander) versprach, oder ob die Liebe etwas Gutes versprach, oder was weiß ich? Das ist dem Leser überlassen. Es geht ja nur darum, dass es ein toller Start war.

Aber ich habe dir ja schon Recht gegeben, dass es nicht so ganz rund ausgedrückt ist und ich kann deine Irritation verstehen. Dennoch halte ich das immer noch nicht für falsch, es so zu schreiben - "das, was sie (beide) versprach". Mir kommt das nicht unkorrekt vor, vielleicht ungelenk, aber nicht völlig falsch. Aber ich habe es ja auch geschrieben und insofern hatte ich nie den Zugang des Lesers und auch nie die Schwierigkeit mit dem Verständnis. Ich weiß ja, wie ich es meinte. Werde da noch drüber nachdenken und mal bei anderen nachfragen, ob es ihnen ähnlich damit geht.
Deswegen bin ich idr auch dankbar für den Hinweis.

Um das noch mal zu erklären, ich wollte hier zwei Sinnebenen erzeugen.
Auf der ersten wird hier von der Frau erzählt, die sich gewünscht hatte, dass die Liebe für immer bliebe und nach dem Verlassen durch den Mann dann ins Meer geht.

Auf der zweiten geht es um die Liebe selbst, die vom Menschen verlassen wurde und daran zerbricht. Daher auch die etwas umständlichen "sie". Wenn du es mal unter dem Aspekt liest, dann wird es für dich mehr Sinn machen. Jedenfalls das erste Terzett.
Die Liebe wünschte sich, dass das, was sie zusammenbrachte und das, was sie versprach, für immer bliebe.
Im zweiten lässt der Mann demzufolge nicht die Frau zurück, sondern der Mensch (er) die Liebe (sie).

Stimmt dich das etwas wohl gesonnener, oder reißt mich das vollends in die Grütze?

Gruß, Fabian
Mit Doppeldeutigkeiten ist das so eine Sache.

Wenn du Homonyme verwendest, sogenannte Teekesselchen, dann ist der geübte Lyikleser darauf vorbereitet, daß es verschiedene Sinnebenen gibt. Hier aber wird durch die unbestimmten Personalpronomen nur Konfusion erzeugt, bzw. wird dieser Leser die Erste Ebene sehen, der nächste Leser die andere, aber kaum jemand beides.
Und dann muß ich, nach deiner Erklärung noch anmerken, daß du 'er' nie definierst. Ich kann an keiner Stelle erkennen, daß dort statt dem 'Mann' der 'Mensch' allgemein gemeint sein könnte. Wenn du den Menschen aber einführen würdest, wäre auch nicht mehr klar, daß die Frau ins Wasser geht. Dann könnte man auch lesen daß die Liebe ins (unerreichbar weite) Meer verschwindet. Zum Beispiel um eine offenbar gescheiterte Beziehung auch entgültig zu lösen.

LG ZaunköniG
Aber ich definiere "er" ja auch nicht als "Mann". Zeigt das nicht vielleicht, dass du es nur so festgelegt hast? Was ja auch in Ordnung ist, aber diese für dich selbstverständlich scheinende Sichtweise ist eben subjektiv.

Natürlich geht in der zweiten Ebene die Liebe selbst ins Wasser. Es gibt auch einen Hinweis dafür, den man auf dieser Ebene finden kann.

Zweites Terzett:
"Wie war es mit der Liebe?“
So will ich ehrlich sprechen: sie zerBRACH,

Zweites Quartett:
"GEBROCHEN steht sie auf"

Es ist auch keine Doppeldeutigkeit, nur eine andere Möglichkeit der Perspektive und ich finde die dialektische Betrachtung immer spannend und vor allem wichtig.
Aber trotz alledem wirkt es auf dich verwirrend und das muss ich akzeptieren. Dann funktioniert der Text nicht und ich habe mein Ziel deutlich verfehlt.
Wie ich schon sagte, mein Verständnis ist verfälscht, weil ich logischerweise wissen muss, was ich schreibe. Bisher habe ich viele verschiedene Kritiken für dieses Sonett bekommen, nicht immer nur positive, aber von Verwirrung sprach bisher niemand. Deshalb meine eigene Irritation diesbezüglich.
Ich muss das überdenken, am besten mit etwas Abstand, denke ich. Was mir durch deinen Anstoß auffällt, sind die EXTREM vielen "sie" und das ist schonmal vom Sprachbild her etwas ungelenk. Ist mir vorher durch meine Vereinsbrille nicht aufgefallen.

Gruß, Fabian
Hallo Fabian,

Den Mann habe ich auch nicht dem Sonett entnommen, sondern deiner ersten Erklärung.

Mit verschiedenen Sinnebenen zu spielen ist erstmal reizvoll, und bereichert den Text auch, wenn sich die Bedeutungen nicht direkt widersprechen. Das ist bei dir auch nicht der Fall. (Der Begriff Doppeldeutigkeiten war vielleicht schlecht gewählt) Daß ein Leser die eine Ebene sieht und ein anderer Leser die andere ist nicht problematisch, wenn beide Lesarten auf die gleiche 'Moral' hinauslaufen.

ich finde es nur schade, daß es kein Hinweis gibt daß es mehrere Ebenen gibt, bzw. diese bewußt gesetzt sind. Ich denke, daß die meisten Leser nur eine Ebene wahrnehmen werden. Aber mit meiner Einschätzung berufe ich mich natürlich zunächst auf die eigene Erfahrung. Vielleicht solltest du da noch weitere Stimmen einholen.

LG ZaunköniG
Es ist ja nicht schwer, sich das "er" als Mann zu erklären, denn irgendwas muss das ja bedeuten und ich unterstelle dir, dass du auch ohne meine Erklärung dazu gekommen wärst. Das reicht ja auch und die andere Ebene muss nicht mal erkannt werden. Wurde sie bisher auch nur selten, das spielt aber keine Rolle. Sie ist nur eine Möglichkeit, die ich selbst interessant fand. Wird sie gesehen, schön. Wenn nicht, macht nichts. Ich träume und HOFFE (Achtung, Anspielung!!!), dass man in ein paar Jahrzehnten meine Sonette in Klassenzimmern bespricht und irgendein ganz schlauer Schüler lächelnd auf die zweite Ebene hinweist. Das verlangt meine Begierde. Smile
Nur die totale Verwirrung wollte ich ganz und gar nicht erziehlen.
Der Hinweis sollte ja das doppelte "brechen" sein.
Ich denke schon, dass es absolut dieselbe Moral ist, die hier angesprochen wird.

Auf jeden Fall ist das eine tolle Diskussion. Dafür danke ich dir.

Gruß, Fabian