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Chronologie des Sonettenkriegs - Druckversion

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Chronologie des Sonettenkriegs - pumukel - 09.03.2010

Eine kleine Chronologie des Sonettenkriegs
(Schwerpunkt Goethe aufgrund Seminararbeit-Thema)

1748 veröffentlicht Klopstock die Ode Petrarca und Laura, 1764 Gleim Petrarchische Gedichte und 1774 Lenz den Zyklus Petrarch. Diese drei Ereignisse sind stellvertretend für eine auflebende Petrarka-Begeisterung mit gleichzeitiger Ablehnung des Sonetts.

1776 erscheinen im Teutschen Merkur Sonette von Klamer Eberhard Schmid, zuvor wir die Sonettform schon bei den Anakreontikern um Gleim angewendet.

1789 veröffentlicht Bürger in seiner Gedichtausgabe die Molly-Sonette. Schiller behandelt in seiner Rezension darüber Bürgers lyrische Volkstümlichkeit kritisch und befürchtet Nachahmungen. An der Behandlung des Hohen Liedes aus Bürgers Sonettzyklus zeigt sich, wie Schiller und Schlegel mit verschiedenen Poesiebegriffen arbeiten. In den darauf folgenden 90er-Jahren wird das Sonett häufig von den Frühromantikern verwendet, besonders als Widmungs- und Gemäldesonett. Das Sonett wirkt idenditätsstiftend, wird zur Parteisache.

1795/96 erscheinen Schlegels Briefe über Poesie, Silbenmaß und Sprache in den Horen, worin er eine „sprachphilosophisch verankerte Theorie der Metrik und des Reims“ vorlegt. Schlegel macht aus „Artifizialität [...] poetische Qualität.“ Am 10.12.95 kritisiert Schiller in einem Brief teilweise Schlegels Auslegungen.

1799 findet ein Treffen der Frühromantiker in Jena statt. Während mit der Sonettform zuvor (seit Bürger) experimentell umgegangen wurde, wird von den Frühromantikern nun eine einheitliche, feste Form verwendet. Am 01.09.99 kritisiert Schlegel in einem Brief an Goethe Bürgers Sonettverständnis.

1800. Im März erhält Goethe von Schlegel Das Sonett – vermutlich die Anregung zu Goethes Das Sonett.

1802 publiziert Goethe das Vorspiel Was wir bringen, welches das Sonett Natur und Kunst enthält.

1803. Am 11.08.03 wird Goethes Eugenies Sonett in der Zeitung für die elegante Welt vorabgedruckt. Am 06.10.03 wird in Der Freimüthige unter dem Pseudonym L. eben dieses kritisiert. Am 14.10.03 setzt Karl Reinhardt im selben Blatt nach. Tieck veröffentlicht mit Kunst der Sonette eine Parodie, die bezeichnend ist für die Distanzierung von Romantikern gegenüber der Form aufgrund der befürchteten Sonettschwemme.

1803/04. Im Winter hält Schlegel eine Vorlesung, in der er von Petrarka ausgehend die „theoretische Grundlegung des Sonetts“ vollführt. Um dem Vorwurf der Willkürlichkeit vorzubeugen, argumentiert Schlegel in erster Linie mathematisch-geometrisch. Demgegenüber äussert sich Jean Paul ist seiner Vorschule der Ästhetik kritisch zum Sonett.

1806 erscheint bei Frommann eine Petrarka-Ausgabe, Goethe nimmt Anteil daran.

1807. Am 18.1.07 veröffentlicht Haug im Morgenblatt für gebildete Stände ohne die Zustimmung Goethes Sonett mit einem sonettkritischen Kommentar. Friedrich Schlegel bezeichnet das Sonett daraufhin als Parodie auf die inflationär verwendete Sonettform. Im März wird der erste Band Goethes Cotta-Werkausgabe ausgeliefert, er enthält auch das Sonett.

1807/08. Im Winter liest Zacharias Werner Goethe Sonette vor, vermutlich wurde Goethe hier zur Produktion seines Sonettzyklus angeregt.

1808. Die früheste bekannte Verwendung des Wortes Sonettkrieg findet sich in einem Brief von Riemer vom 20.01.08. Seit Anfang des Jahres findet eine literarische Fehde zwischen Voss und den Heidelberger Romantikern statt. Am 08.03.08 lässt Voss im Morgenblatt sein Sonett An Goethe abdrucken. Darin äussert er sich in einem negativen Ton zu Goethes Sonettschöpfung. Goethe reagiert nicht öffentlich darauf, beklagt aber am 09.04.08 in einem Brief an Cotta die „Sonettaversion“ seiner Morgenblatt-Redakteure und rühmt gleichzeitig die Sonette Werners. In einem Brief vom 22.06.08 an Zelter schreibt Goethe, ihm sei das „Vossische Sonett zuwider“ und verurteilt es, dass sein Sonett für eine „Parteysache“ instrumentalisiert werde. Im Juni publiziert Voss eine Bürger-Rezension in der Jenaischen Allgemeinen Litteraturzeitung, worin er „mit der gesamten Romantik abzurechnen versuchte.“ Darauf antwortet am 29.06.08 in Arnims Zeitung für Einsiedler Görres Parodie Die Sonnettenschlacht bei Eichstädt. Im August folgt von Arnim selber der satirische Sonettzyklus Geschichte des Herrn Sonet und des Fräuleins Sonete.

1809 erscheint von der „Voß-Partei“ der Klingklingel-Almanach, Herausgeber ist Baggesen. Diese „letzte grosse Manifestation gegen das deutsche Sonett“ wird als abschliessendes Zeugnis des Sonettenkriegs betrachtet.

1814. Durch Rückerts Geharnischte Sonette erhält die Gedichtform eine politische Dimension, was die Kontroverse um das Sonett entscheidend relativiert.

1815. Goethe veröffentlicht in seiner Werkausgabe 15 Sonette.

1827. In der Vollständigen Ausgabe letzter Hand werden zwei weitere Sonette beigefügt. Zusammen mit zwei polemischen Schweifsonetten (welche Goethe selber nie veröffentlicht), Eugenies Sonett, Natur und Kunst und Das Sonett, sowie drei Widmungssonetten, ergibt dies das gesamte 25 Stücke zählende Sonettwerk Goethes.

Quellen
Borgstedt, Thomas: Poesie des Lebens, Poesie der Poesie. Die Wiedergeburt des Sonetts bei Gottfried August Bürger, August Wilhelm Schlegel und Johann Wolfgang Goethe. In: Erscheinungsformen des Sonetts: 10. Kolloquium der Forschungsstelle für europäische Lyrik, Hg. v. Theo Stemmler u. Stefan Horlacher. Mannheim 1999, S. 201-243

Borgstedt, Thomas: Topik des Sonetts: Gattungstheorie und Gattungsgeschichte. Tübingen 2009 (Frühe Neuzeit 138)

Das deutsche Sonett: Dichtungen, Gattungspoetik, Dokumente, Hg. v. Jörg-Ulrich Fechner. München 1969

Jordan, Katrin: "Ihr liebt und schreibt Sonette! Weh der Grille!" Die Sonette Johann Wolfgang von Goethes. (Diss. Konstanz 2008). Würzburg 2008 (Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft 643)

Schlütter, Hans-Jürgen: Sonett, mit Beiträgen von Raimund Borgmeier und Heinz Will Wittschier. Stuttgart 1979 (Sammlung Metzler M 177)