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Kindesmissbrauch - Druckversion

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Kindesmissbrauch - Dieter Lunow - 31.03.2010

Kindesmissbrauch 1
Tabus, auch bei Kindern sind schnell angetastet,
wenn Stimmungen schwanken, belasten sie sehr,
weil Fühlen und Denken herausfordernd schwer
und Disharmonien beziehungsbelastet.

Da ist jene Bindung, die ethisch begründet
den hilflosen Kindern die Sicherheit schenkt,
die so selbstverständlich, dass man nicht bedenkt,
wie geiles Verlangen in Missbräuchen mündet.

Vertrauen missbrauchen ist klar ein Verbrechen
an schutzlosen Kindern, in Willkür gequält,
die Biedermannsmaske sich lustbetont schält,
bei Abartigkeiten auch Seelen zerbrechen.

Nur Stärke gebietet Moral bei der Lust,
die Schwachen beweinen die eigene Brust.
© Dieter Lunow

Kindesmissbrauch 2
Es starrt die katholische Kirche gebannt
auf ein Phänomen, Kindesmissbrauch genannt.
Da hatten Priester sich böse vergriffen,
sie wurden nur selten zurückgepfiffen

Es war doch schon immer ein großes Problem
im Umgang mit Kindern die Wege zu gehen
ganz abgeklärt, jenseits von Wollust und Trieben
erziehen und trösten, nie körperlich lieben

Dabei eine Grenze, so schwer und auch bitter
die durch die Kontakte schnell führt zum Gewitter
wenn Vorstellung, Wünsche in Übermacht waren
verwirrend im fiebernden Handlungsgebaren

Der Mensch setzt die Normen, wir schwören die Treue,
der Leidenschaft folgen, führt manchmal zur Reue
© Dieter Lunow

Kindesmissbrauch 3
Verschwiegst du Jahrzehnte den Missbrauch aus Scham,
wer hätte gedacht, dass es wirklich so kam,
da Medien freudig die Quelle entdeckt,
bekennst du nun offen, du warst ein Objekt.

Du bist auch geachtet, gestandener Mann,
steht dir eigentlich solch ein Jammern auch an?
Wer noch nach Jahrzehnten vom Trauma geplagt,
hat sicher im Leben ganz anders versagt.

Entschädigung, Zauberwort, so was gefällt,
nur richtig erinnern, das bringt jetzt leicht Geld:
verlockend ist immer das Winken mit Scheinen
ist höher die Summe, wird größer das Weinen.

Entwicklungsgestört hast du lang dich geplagt,
sich jetzt offenbaren, dir dein Anwalt gesagt.
© Dieter Lunow



RE: Kindesmissbrauch - ZaunköniG - 02.04.2010

Hallo Dieter,

Da hast du dir ein aktuelles, wie heikles Thema ausgesucht.
Heikel, nicht unbedingt, weil man sich da in die Nesseln setzt, aber allzu leicht bleibt man auch an Stereotypen hängen.
Ich lese bei dir nicht viel, was über einen Zeitungskommentar hinausginge, die man gerade in den letzten Wochen genug gelesen hat.

Das dritte Sonett soll da wohl einen Gegenpol bieten und das Thema ist sicher nicht immer so schwarz weiß wie es die Medien gerne haben.

Soweit stimme ich zu: Es macht schon einen Unterschied ob ein Kind zum Sex gezwungen wird oder ob es nur "betatscht" wurde.
Auch Letzteres gehört unterbunden, aber ob das 30 Jahre später noch vor Gericht landen muß, sollte hinterfragt werden dürfen.

Für ein Gedicht spielt es keine Rolle ob es sich bei deinem Trittbrettfahrer um ein typisches Phänomen handelt oder um einen Einzelfall.
Dein Sonett krankt aber etwas am Begriff "Missbrauch" der heute so inflationär wie unscharf verwendet wird:
Da widersprichst du zunächst der eigenen Aussage, daß Mißbrauch ein Verbrechen ist (Sonett 1, Zeile 9).
Daß es sich in Sonett 3 um einen minderschweren Fall handelt, muß denke ich, präziser beschrieben werden, sonst kommst du da in ganz gefährliches Fahrwasser.

Auch deine Agumentation ist fragwürdig:
Zitat:Du bist auch geachtet, gestandener Mann,
steht dir eigentlich solch ein Jammern auch an?

Sagt eine Kariere etwas über den Gefühlshaushalt aus?

Man kann den Schuh auch auf den anderen Fuß ziehen:
Verwendet er so viel Energie auf seine Kariere, weil er dort die Sicherheit sucht, die ihm menschliche Bindungen nicht mehr geben können?


LG ZaunköniG


RE: Kindesmissbrauch - Dieter Lunow - 12.04.2010

Hallo ZaunköniG,
ich gebe Dir recht, die ersten zwei Sonette können durchaus ohne weiteren Kommentare verdaut werden; mich stört lediglich der Hinweis auf einen Zeitungskommentar.
Wenn man sich mit einem irgendwie aktuellen Thema befaßt, wird man schnell in die Ecke des Einfallslosen gestellt, der nur auf das Zeitgeschehen angewiesen etwas schreiben kann.
Das dritte Sonett (ich dachte, das sei erkennbar) ist doch reine Satiere zum aktuellen Anlass.
Ich kann an die nun so vielfältig zu Tage tretende Traumatisierung von Missbrauchsopfern einfach nicht glauben.
Ich bin in Kinderheimen aufgewachsen und weiß ziemlich genau, was auf dem weiten Gebiet "Sexualität" unter Kindern abgelaufen ist (es wird sich auch heute wohl nicht viel geändet haben).
Ich will hier nichts verharmlosen, doch die alte Volksweisheit: Die Zeit heilt Wunden! sollte man nicht völlig vergessen.
Wie geschrieben, das dritte Sonett ist eine Satire; das Thema wird meines Erachtens nicht verharmlost.
LG Dieter


RE: Kindesmissbrauch - pumukel - 16.04.2010

Noch ein kleiner Beitrag von mir:

Ein Säugerkind wird schnell verletzt,
nur Elternliebe sichert Leben.
Der Macht der Eltern untergeben,
so wird es in die Welt gesetzt.

Doch Eltern die noch Kinder sind,
bedürftig, weil nicht selbst genug,
vermehren sich zum Selbstbetrug,
missbrauchen so ihr eigen Kind.

Die Rollen der Natur Vertauschen
ist eine triste Menschenkunst,
ist eine Last und ein Vergehen.

Ein Kind soll nicht den Eltern lauschen
für seinen Kampf um deren Gunst
und ohne Zwang sein zu verstehen.