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William Shakespeare: 005 - Druckversion

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William Shakespeare: 005 - ZaunköniG - 19.03.2016

William Shakespeare
1564 - 1616 England


5

Those hours that with gentle work did frame
The lovely gaze where every eye doth dwell
Will play the tyrants to the very same,
And that unfair which fairly doth excel:

For never-resting time leads summer on
To hideous winter, and confounds him there,
Sap check’d with frost, and lusty leaves quite gone,
Beauty o’er-snow’d, and bareness everywhere.

Then were not summer’s distillation left,
A liquid prisoner pent in walls of glass,
Beauty’s effekt with beauty were bereft –
Nor it, nor no remembrance what it was.

But flowers distill’d, though they with winter meet,
Leese but their show; their substance still lives sweet.



Hier mein erster Versuch aus 1997:


5

Die Stunden, die ein sanfter Rahmen sind,
verliebtem Blick, der hinterm Auge wohnt,
die scheinen Dir nur Tyrannei, nicht lind,
und machen alles schlecht, was sich noch lohnt:

Dem Sommer geht voran Zeit ohne Rast,
verirrt ihn dort in kargem Winterleid,
bis Laub erfriert, Du keine Kraft mehr hast;
so schöne Blöße überall verschneit.

Doch wir vergessen nicht den Sommerduft;
den flüchtigen Gefangenen in Glas.
Die Schönheit ist nicht vor sich selbst verpufft,
noch die Erinnerung, die Dir das Maß.

Die Blume duftet durch die Winterzeit,
verschläft die Schau, bewahrt die Biegsamkeit.



und die renovierte Fassung wie sie auch in

William Shakespeare - 22 Sonette / Sonnets
beim Svato-Verlag

abgedruckt wurde:


5


Die Stunden, welche zärtlich eingefasst
den lieben Blick, an dem man hängen bleibt, -
sie werden einst zu Tyrannei und Last,
an der sich alle Lieblichkeit zerreibt:

Den Sommer führ'n die Zeiten ohne Rast
in karges, auswegloses Winterleid,
bis Laub erfriert, Du keine Kraft mehr hast,
nur Karst bleibt und die Schönheit liegt verschneit.

Doch wir vergessen nicht den Sommerduft,
den flüchtigen Gefangenen im Glas.
Der Hauch der Schönheit wäre längst verpufft,
selbst die Erinnerung, die gibt das Maß.

Die Blüt', erreichte sie sie Wintergrüße,
entbehrt nur der Gestalt, nicht ihrer Süße.



.


RE: William Shakespeare: 005 - Sneaky - 19.03.2016

Hallo Zaunkönig,

da hast du in der neuen Übertragung den guten Will ja beinahe im Spenserformat übersetzt. Schade, dass dus nur bis zu den Quartetten gezogen hast. Aber die neue Variante ist schon deutlich besser als die alte finde ich.

Mit Shakespeare hat alles für mich hier im Forum angefangen. Seine Gedichte sind einfach zeitlos schön.

Sneaky

Den Sommer führ'n die Zeiten ohne Rast
in karges, auswegloses Winterleid,
bis Laub erfriert, Du keine Kraft mehr hast,
nur Karst bleibt und die Schönheit liegt verschneit.

Doch bleibt bewahrt der Duft der Sommerzeit,
gefangen im Flakon aus edlem Glas,
der uns Erinnerung an Schönes leiht,
statt Schatten des Vergessens, grau und blass.
Smile


RE: William Shakespeare: 005 - ZaunköniG - 20.03.2016

Nicht schlecht, dein Vorschlag, aber Spensern war ja nicht die Aufgabe Wink


Anlass für die Überarbeitung war die Erwähnte Veröffentlichung. Angesichts der bibliophilen Aufmachung wäre es einfach schade gewesen dort nur mit Anfängerstücken vertreten zu sein. Auf die Schnelle, hatte ich dann an manchen Reimen festgehalten.


Flacon aus edlem Glas?

ob die "walls of glass" damit gut wiedergegeben sind? Hier wird m.E nach die Undurchdringlichkeit des Glases betont, die die Duft bewahrt, nicht sein Schmuckwert.


RE: William Shakespeare: 005 - Sneaky - 20.03.2016

Ließe sich ggfs. schnell ändern, falls das die Aufgabe wäre Smile . Ich bin in dem Fall davon ausgegangen, dass Parfüm zu Zeiten Shakespeares eben auch in einem ansprechenden Behältnis verschlossen gewesen wäre. Da könnte man dann "gefangen hinter Wänden ganz aus Glas " andenken.


RE: William Shakespeare: 005 - ZaunköniG - 20.03.2016

Für die "Aufgabe" ist die Frist ja schon abgelaufen, das Buch geruckt.
Bei so oft übersetzten Texten wie den Shakespeare-Sonetten kann man kaum erwarten noch näher zu kommen als die bisherigen, daher ist auch reizvoll, seinen eigenen Zugang zu finden.

Ich fand mein Pseudo-Oxymoron "flüchtiger Gefangener" eigentlich eine gute Idee, und flüchtig auch für den Sommerduft ein passenderes Attribut als "flüssig", wie es wortgetreuer gewesen wäre.

Aber wenn du eine eigene gespenserte Version versuchen willst, nur zu. Das hat auch seinen Reiz.
"Wände aus Glas"? kann man im Deutschen so sagen?
dann eher:
"gefangen hinter dickwandigem Glas"


RE: William Shakespeare: 005 - Sneaky - 20.03.2016

Hallo Zaunkönig,

ne, ich möchte keine gespenserte Variante probieren. Das war nur eine flüchtige Idee, als mir der Ansatz bei deiner Übertragung auffiel. Es bringt mich aber auf die Idee, mal wieder in den Shakespeare-Sonetten zu blättern. Hab lang genug nicht mehr drin gelesen. Selbst wenn ich keines finde, das mir auf Anhieb zusagt, das LEsen ist immer erstmal Selbstzweck.


RE: William Shakespeare: 005 - ZaunköniG - 20.03.2016

Ja, mit Shakespeare hat auch meine Übersetzungstätigkeit angefangen. um so erstaunlicher dass er erst als 44ster Autor seine eigene Rubrik bekommt.
Ich hätte noch ein paar Stücke, aber die möchte ich, wie dieses, erst einstellen wenn ich eine renovierte Fassung habe.
Seit den ersten Übersetzertagen ist der Anspruch doch etwas gewachsen....