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Obszöne deutsche Sonette - Druckversion

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Obszöne deutsche Sonette - Sasi - 10.03.2020

Seit ich auf die Gedichte von Katharina Vemen gestoßen bin, bin ich ganz begeistert von obszönen Sontten und würde gerne mit eurer Hilfe eine Liste von Autoren/Sonetten anfertigen, die auf Deutsch solche Texte geschrieben haben.

Ich habe bereits gefunden:

Katharina Vemen: Die fremden Zungen
Friedrich Schlegel: Zehn Sonette
Bertolt Brecht: ÜBer die Verführung von Engeln, Sauna und Beischlaf
Ina Paul: In mir und um mich wolkenwarme Nässe

Die Entstehungszeit ist egal. Wer kennt noch was?


RE: Obszöne deutsche Sonette - ZaunköniG - 10.03.2020

Hallo Sasi,

Erotische Sonette gibt es natürlich jede Menge. wenn Du die derbere Spielart bevorzugst kann ich dir "Säuische Sonette mit akuten Akten" von Klaus Modick und Dieter Wiesmüller empfehlen. Erschienen 2003 bei Eichborn.
Müssen es Original-deutsche Sonette sein, oder dürfen es auch deutsche Nachdichtungen der Weltliteratur sein?
Als Klassiker gelten da die Modi (Stellungen) von Pietro Aretino.


Liebe Grüße
ZaunköniG


RE: Obszöne deutsche Sonette - Sasi - 11.03.2020

Danke ZaunköniG für den Hinweis!
Ja es sollen "explizite" Sonette sein, keine einfachen Liebessonette. Und nein, nur tatsächlich deutsche. Aretino kenne ich jetzt auch schon, aber der war Italiener und fällt deshalb für mich raus.


RE: Obszöne deutsche Sonette - ZaunköniG - 11.03.2020

Zwischen ätherischem Anschmachten und plakativer Pornografie gibt es natürlich jede Menge Zwischentöne -
und der überraschende Wechsel im Tonfall bzw. eindeutig zweideutige Andeutungen können auch sehr effektvoll sein.

Nun, als explizit können wohl auch die Erotischen Sonette Friedrich von Schlegels gelten.


RE: Obszöne deutsche Sonette - Sasi - 12.03.2020

Danke, aber die Sonette von Schlegel hatte ich ja schon gelistet.
Obszön ist dann wahrscheinlich die Sprache, oder so der Hintersinn, wenn man merkt dass der/die Schreibende was ganz bestimmtes im SInn hat. Aber genau die Richtung, die die Schlegelsonette haben, das suche ich. Gibt es da nicht auch irgendein SOnett von Hoffmannswaldau?


RE: Obszöne deutsche Sonette - ZaunköniG - 12.03.2020

Von Hoffmannswaldau gibt ein paar Sonette wo er eine Lesbe beobachtet und seine Phantasie schweifen lässt, aber er hatte wohl spanische Gedichte als Vorlage.
Übersetzung, Nachdichtung, Inspiration... Die Grenzen sind fließend.


RE: Obszöne deutsche Sonette - Sasi - 14.03.2020

Ja, da hast du Recht. Die obszönen Sonette fangen ja auch wohl glaub ich überhaupt erst mir Aretino an und wurden dann nachgeahmt.
Das GEdicht, von dem du schreibst, konnte ich nicht finden. Oder meintest du das hier:

Die lange Lesbia/ so meine freyheit bindet/
Erkühnte sich nechst hin zu schreiten auf ein pferd.
Trug gleich ihr schöner leib nicht bogen/ spieß und schwerdt/
So führte sie doch blitz/ der alle welt entzündet.
Ein etwas/ so man fühlt und keiner recht ergründet/
Dem kein Bucephalus sich recht und wol erwehrt/
So Alexandern selbst und seinen muth verzehrt/
Macht daß ihr pferd den trieb/ der himmlisch ist/ empfindet;
Wie wirstu Heldin denn itzund von mir genant/
Der ich das erste mahl durch deine glut entbrant/
Ich/ dessen asche noch soll deine wahlstatt zieren.
Reit/ reit/ Amazonin/ getrost durch wald und feld:
Doch wiltu daß dein knecht die seynen steiff behält/
So mustu/ merck es wol/ die brüste nicht verlieren.


RE: Obszöne deutsche Sonette - ZaunköniG - 14.03.2020

Ja, oder jene:



Es gieng die Lesbia in einem schäfer-kleide
Als Hirtin / wie es schien / der seelen / über feld /
Es schaute sie mit lust das auge dieser welt /
Es neigte sich vor ihr das trächtige gedraide;

Es kriegte meine lust auch wieder neue weyde
Von wegen dieser brust / da Venus wache hält;
Der schultern / wo sich zeigt der lieblichkeit behält;
Und dann der schönen schoos / des hafens aller freude.

Ich sprach: ach Lesbia! wie zierlich geht dein fuß /
Daß Juno / wie mich deucht / sich selbst entfärben muß /
Und Phöbus dich zu sehn verjüngt die alte kertze;

Nicht glaube Lesbia / daß du den boden rührst /
Und den geschwinden fuß auf graß und blumen führst /
Es geht ein ieder tritt auf mein verwundtes hertze.



Dich Lesbia und mich trug nechst ein geiler wagen,
Gleich als die Cynthia begonnt den lauff der nacht,
Die Flora hat ihn selbst zu ihrem fest erdacht,
Und der verbuhlte gott das holtz herbey getragen.

Die farben, so mit fleiß allhier begraben lagen,
Die sagten: Adons blut hat uns hieher gebracht;
Die Venus hatte selbst die esse heiß gemacht,
Als ihn mit gutem stahl ihr krummer mann beschlagen.

Und hat ihn dazumal ein schwartzes tuch umhüllt,
Schwartz störet keinen schertz und stört die liebe nicht,
Man schaut wie mancher stern aus schwartzen wolcken bricht,

Und itzt ein wahrer reim aus schwartzem munde quillt:
Man soll kein wildes pferd nicht ferner mehr bemühen,
Den geilen wagen soll die geile taube ziehen.



Es dachte Lesbie, sie säße ganz allein,
Indem sie wohl verwahrt die Fenster und die Türen;
Doch ließ sich Sylvius den geilen Fürwitz führen
Und schaute durch ein Loch in ihr Gemach hinein.
Auf ihrem linken Knie lag ihr das rechte Bein,
Die Hand war höchst bemüht, den Schuh ihr zuzuschnüren,
Er schaute, wie das Moos zinnoberweiß zu zieren,
Und wo Cupido will mit Lust gewieget sein.
Es rufte Sylvius: Wie zierlich sind die Waden
Mit warmem Schnee bedeckt, mit Elfenbein beladen!
Er sahe selbst den Ort, wo seine Hoffnung stund.
Es lachte Sylvius. Sie sprach: Du bist verloren
Zum Schmerzen bist du dir und mir zur Pein erkoren:
Denn deine Hoffnung hat ja gar zu schlechten Grund.



Ich eilte, Lesbien aus Kurzweil zu erwecken,
Als gleich Aurorens Glanz um ihr Gesichte stund,
Die Rosen krönten ihr die Wangen und den Mund,
Durch weißes Elfenbein ließ sich der Hals bedecken.
Ich wollte meine Hand auf ihre Brüste strecken,
Es tat ein nasser Kuß ihr meine Geilheit kund.
Es rufte Lesbie: Ist dein Verstand gesund,
So führe keine Brunst in meine keusche Hecken.
Ich war darob bestürzt und fluchte dem Gelücke
Und fuhr den Himmel an und seine reichen Blicke,
Ich sprach: Wo Rosen stehn, da müssen Dornen sein.
Weil mich denn ihr Befehl verjaget und vertrieben,
So hab ich dieses Wort in ihr Gemach geschrieben:
Auf Morgenröte folgt gar selten Sonnenschein.



Als ich die Lesbie nechst in der kammer fand/
Da sie sich überhin und schläffrig angeleget;
So schaut ich eine brust/ die schöner äpffel träget/
Als iemals vorgebracht das reiche morgen-land.

Die brunst zog meinen geist/ der fürwitz trieb die hand
Zu suchen/ was sich hier in diesem zirck beweget.
Diß hat der Lesbie so grossen zorn erreget/
Dass sie im höchsten grimm ist gegen mich entbrand;

Sie trieb mich von sich weg/ sie stieß mich zu der seiten/
Sie hieß mich unverweilt aus ihren augen schreiten.
Ich sprach/ indem sie mich aus ihrer kammer stieß/

Dieweil ich allzukühn und mehr als sich's gebühret/
Die mir verbotne frucht der äpffel angerühret/
So stößt ein engel mich ietzt aus dem paradieß.


RE: Obszöne deutsche Sonette - Sasi - 15.03.2020

Oh, super, toll! Danke!


RE: Obszöne deutsche Sonette - Sasi - 22.03.2020

Kennt vielleicht sonst noch wer Gedichte, die unter die Rubrick hier passen?
Bin über jeden Hinweis dankbar!


RE: Obszöne deutsche Sonette - ZaunköniG - 22.03.2020

Mich hatten sie nicht durchgängig überzeugt, weil sie mir teilweise zu explizit waren, aber wenn du genau das suchst:

Andreas Seger
Gegenüber
edition Maya, 2011


RE: Obszöne deutsche Sonette - Sasi - 24.03.2020

Vielen Dank, lieber ZaunköniG! Konfetti
Du kannst wirklich alles aufschreiben, was dir so einfällt. Ich schaue es mir dann an. Du kennst sicher viel mehr als ich und dsas ist einfach super hilfreich, wenn du mir das schreibst, was ich überhaupt nicht auf dem Schirm habe, weil ich es einfach gar nicht kenne.
Habe übrigens nach deinem Hinweis deine Besprechung zu dem Band gefunden:
http://www.sonett-archiv.com/forum/showthread.php?tid=2107
Schaust du dir immer alle Neuerscheinungen mit SOnetten an und besprichst die?


RE: Obszöne deutsche Sonette - ZaunköniG - 24.03.2020

Hallo Sasi,

Nein, um alle Neuerscheinungen zu besprechen, habe ich gar nicht die Zeit. Ich habe ja auch noch einen Erwerbsberuf.
In diesem Fall war es der Erstling eines Forummitglieds. Obwohl ich schon seine hier eingestellten Sonette kritisch bewertet habe, hat er mich geradezu genötigt auch sein Buch zu besprechen. Danach hat er sich beleidigt zurückgezogen...
Er hat wohl geglaubt, er hätte ein Anrecht auf eine Art Freundschaftsdienst, weil er mir ein Reziexemplar überlassen hat, aber ich möchte natürlich auch meine lesenden Freunde nicht enttäuschen, die sich auf mein Urteil verlassen.

Mir fällt da noch ein, dass eine Autorin auf Brechts Sonette geantwortet hat, also mit einem einzelnen Sonett. Wenn mir der Name wieder einfällt finde ich auch den Text wieder...

Suchst Du die Sonette aus rein privatem Interesse, oder ist das ein Studienprojekt?


RE: Obszöne deutsche Sonette - ZaunköniG - 25.03.2020

Ich habs:

Es ist Ingeborg Arlts Antwort auf Brechts Sonett über den Gebrauch gemeiner Wörter:

http://www.sonett-archiv.com/ab/arlt/sonette.htm


Dabei fällt mir ein: ich habe, auch auf Grund deiner Beispiele, "obszön" als "frivol-pornografisch" interpretiert, aber den Begriff obszön kann man ja weiter auslegen. Suchst du auch derbe Schmähgedichte oder tatsächlich nur die explizit-erotischen?


RE: Obszöne deutsche Sonette - Sasi - 26.03.2020

Hallo ZaunköniG!

Auch interessant! Ich finde es immer toll, wenn die "weibliche Perspektive" mit ins Spiel kommt. Besonders wenn es um Sexualität geht, denn das Thema wurde sehr lange und wird auch jetzt noch vor allem von Männern besetzt. Deswegen war ich auch so elektrisiert von den Sonetten von Katharina Vemen und habe dann weitergesucht. AUs rein privaten Gründen zuerst, aber inzwischen kann ich mir schon vorstellen, dass ich vielleicht meine Abschlussarbeit über das THema schreibe.
Zu deiner Rezi: das finde ich voll sympatisch. Du solltest schreiben, was du denkst. Von Lobgehudel hat ja eigentlich keiner was.
Und ja: ich suche wirklich nur "die explizit-erotischen" Smile