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W. B. Yeats: Über eine politische Gefangene - Druckversion

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W. B. Yeats: Über eine politische Gefangene - Sneaky - 19.08.2007

Über eine politische Gefangene

Geduld, die sie von Kindheit an kaum kannte,
besaß sie nun soviel, dass eine graue
Seemöwe die Angst verlor. Sie stieß herab
zur ihrer Zelle, saß dort, duldete,
dass Finger sacht ihr Federkleid berührten,
als sie ihr Krumen aus den Fingern pickte.

Rief sie sich beim Berühren einer Schwinge
die Jahre ins Gedächtnis als ihr Geist
noch nicht verkümmert und verbittert war,
ihr Denken noch nicht allgemein verhaßt:
Die Blinde, die die andren Blinden führt,
und von der Bracke trinkt, in der die liegen?

Ich sah sie einmal reiten, - lange her -
zu einem Treffen unter dem Ben Bulben,
da zitterte die Schönheit dieser Landschaft,
erweckt vom Feuerbrand der Einsamkeit,
der ihre Jugend war. Da schien es so,
als ob sie klar gestaltet wie ein Vogel sei,
auf Felsen aufgezogen, meergewiegt:

Vom Meer gewiegt, oder von Luft getragen,
wie er im Sprung erstmals sein Nest verlässt,
um von der Klippe aus das Wolkendach
mit Blicken zu durchbohren, seine Brust
vom Sturm zerzaust, tief unter ihm das Meer,
das dort im dumpfen Ebbstrom ruft und ruft.