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Altherrensommer
#1
Altherrensommer


Die Sonne fällt zur Zeit in bunten Streifen
durchs Laub. Ich widersteh', es live zu bloggen, -
seh andern zu beim walken, skaten, joggen.
Den Kragen hoch, lass ich die Blicke schweifen:

Die Halme, die die Mähdrescher nicht greifen,
verfaulen nun im Rain. Im schwarzen Roggen
spannt sich ein Spinnennetz. Die Klatschmohndoggen
geknickt und aufgepickt; die überreifen

geplatzten Trauben vor den Landgasthöfen,
verschmähen, wie es scheint, sogar die Stare.
Sind die schon fort? So muss es sein. und siehe:
Ein Steinwurf weiter qualmen schon die Öfen
und würzig legt der Rauch sich in die Haare.
Ich sollte auch mal joggen, - doch die Knie...



.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
(03.10.2016, 00:16)ZaunköniG schrieb: Altherrensommer


Die Sonne fällt zur Zeit in bunten Streifen
durchs Laub. Ich widersteh', es live zu bloggen, -
seh andern zu beim walken, skaten, joggen.
Den Kragen hoch, lass ich die Blicke schweifen:

Die Halme, die die Mähdrescher nicht greifen,
verfaulen nun im Rain. Im schwarzen Roggen
spannt sich ein Spinnennetz. Die Klatschmohndoggen
geknickt und aufgepickt, die Überreifen

geplatzten Trauben in den Landhaushöfen,
verschmähen, wie es scheint, sogar die Stare.
Sind die schon fort? So muss es sein. und siehe:
Ein Steinwurf weiter qualmen schon die Öfen
und würzig legt der Rauch sich in die Haare.
Ich sollte auch mal joggen, - doch die Knie...
ha, habe ich dich tatsächlich inspirieren können, mit meinem September! scheint mir wirklich so.
freut mich, ZaunköniG.

die Klatschmohndoggen sind mir hier eindeutig das Highlight, bei deinem Altweiber- dings Herrensommer: herrlich schräg, bullig und bissig hingeklatscht als klangliches und bildliches Signalfarben-Finale zu diesen reifen-reifen abgeklärt umarmten Reimpaarungen in den Quartetten.
ein bisserl dröge, sonst das Blickfeld: das Netz, die faulenden Halme (ob sich die die-die-Kakophonie beim Mähdrescher vermeiden lässt? auch die Zeitform passt in der Zeile nicht), ja selbst die Stare sind schon fort & fallen derweil lieber weiter südwärts in süssere Reben ein, sie überlassen uns hier das Saure oder saurere.
kein Schuss ins Knie, die Conclusio für mich: schönes Sich-selbst auf-die-Schippe-nehmen: das Ich wird sich aufraffen müssen. wenn nicht zum Joggen, dann zumindest von der Bank.

Gruß
Alcedo

vielleicht so:
Die Halme, die der Schnitter nicht wollt/konnt greifen
oder so:
Die Halme, die der Schnitter konnt' nicht greifen
nein,
so:
Die Halme, die der Schnitter konnte greifen
Come build in the empty house of the stare
- Yeats -
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#3
Hallo Alcedo,


Du hast recht, unter anderem war auch dein Altmännersommer Inspiration.
Normalerweise wurde man dem Weib den Mann zuordnen, während der Herr eher zur Dame gehört.
Altherrensommer klingt mir aber ähnlich altmodisch-gesetzt wie Altweibersommer.

Ein bewusster Kontrast zum neuzeitlichen joggen und bloggen.
Auch der Mähdrescher ist bewusst gegenwärtig. Den Schnitter gibt es ja so gar nicht mehr - und mythisch aufladen wollte ich die Szene gerade nicht.


vielleicht so:


Der Mähdrescher konnt' längst nicht alles greifen,
was gelb am Rain stand. Im nun schwarzen Roggen
spannt sich ein Spinnennetz. Die Klatschmohndoggen
geknickt und aufgepickt, die Überreifen
...



Gruß
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#4
(06.10.2016, 18:25)ZaunköniG schrieb: vielleicht so:


Der Mähdrescher konnt' längst nicht alles greifen,
was gelb am Rain stand. Im nun schwarzen Roggen
spannt sich ein Spinnennetz. Die Klatschmohndoggen
geknickt und aufgepickt, die Überreifen
ja, auf jeden Fall besser!
Das Apostroph stört nur noch marginal. aber warum suche ich jetzt eine Alternative für den Mähdrescher? wie nennt man diese rotierende Zylinderwalze, welche die Halme aufgreift, entgegen der Fahrtrichtung? musste nachsehen: Haspel.
ja, der Mähdrescher verhaspelt sich etwas daktylisch im Metrum. Harvester ist da aber auch keine Alternative.

Die Haspel konnte längst nicht alles greifen.

ach, ich weiß nicht, ist das nicht zu spezifisch? da war der Mähdrescher ja doch besser.
Du wirst es hinbekommen., ZkG, da bin ich mir sicher. nimm das, was dir zusagt.

den Schnitter gibt es sehr wohl noch. er holt uns mal noch alle, im Gleich- oder Gegenlauf. aber dein mythisches nicht-aufladenwollen ist ein triftiges Argument. ich muss jetzt mal nach dem Morgenstern suchen mit dem Schnitter.
habe: er nannte ihn, „Der fremde Bauer“.

mit nichtmythischem Altherrengruß
Alcedo


Der fremde Bauer / Christian Morgenstern
 
Ein Mann mit einer Sense tritt
Zur Dämmerzeit beim Dorfschmied ein.
Der schlägt sie fester an den Stiel
Und dengelt sie und schleift sie scharf
Und gibt sie frohen Spruchs zurück
Und frägt sein wer? woher? wohin?
Und lauscht dem Fremden offnen Munds,
Als der ihm dies und das erzählt.
Und wie die Rede irrt und kreist,
Berührt sie auch das letzte Los,
Das jedem fällt und, - "Unverhofft!
So möcht ich hingehn!" ruft der Schmied - 
Und stürzt zusammen wie vom Blitz ...
Die Sense auf der Schulter geht
Der fremde Mann das Dorf hinab. 
Come build in the empty house of the stare
- Yeats -
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#5
Nach langer Zeit mal wieder.

Bzgl. des Titels, kennt Ihr den gleichnamigen Roman 'Altherrensommer' von Rudolf Hagelstange?

An den fühlte ich mich bei dem Titel als erstes erinnert, obwohl das Sonett inhaltlich damit ja nichts weiter zu tun hat.

Sehr schön, aber.

LG Silja
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#6
Oh, schön, wieder von Dir zu lesen, Silja!

Nein, den Roman kenne ich nicht, aber natürlich sein Venezianisches Credo.

Liebe Gruße
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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