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Albert Semiane: Amours de Femme
#1
Frankreich 
AMOURS DE FEMME
fl. 1894

Oui, ce sont des regards de femme
Que cherche son regard brûlant,
Elle a soif de l'ardeur infâme
Qu'une autre sait mettre en son flanc.

Les yeux hagards, le trouble à l'âme,
La langue aux lèvres se collant,
Chacune tour à tour se pâme,
Se tord et retombe en râlant.

Bientôt leur tendresse lascive,
Comme une chaîne qui les rive,
Dresse dans l'ombre leurs tombeaux ;

Et sur la pierre, quand arrive
Le soir à la marche craintive,
Pleurent les filles de Lesbos.



Die Liebe der Frauen

So heißt's schon immer von den Frauenaugen,
daß schon ein Blick leicht in dir Feuer legt;
Und hitzig scheint dich eine auszusaugen,
die dir die Krallen in die Flanke schlägt.

Scheu blickt die nächte, daß man sich verliert,
gewandtes Zungenspiel das seine tut,
das Kreis um Kreis dich leicht hypnotisiert,
dich einspinnt und jäh aufbegehrt in Wut.

Bald gibt sich eine zärtlich hin, lasziv;
ein Flußbett, gibt sie deiner Flut den Rand
und streckt doch ihre Schatten grabestief.

Ihr Ziel erreicht, sieht man sie an den Steinen,
der Sonne gleichend, die den Abend fand,
die Töchter Lesbos um die Liebsten weinen.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
Hallo Zaunkönig,
hier hast du dir ja etwas sehr Schwieriges ausgesucht. Da muss man schon genauer hinsehen, bis man durch das Original durchsteigt und ich will nicht behaupten, dass es mir gelungen sei.

Ich bin mir darum nicht 100-prozentig sicher, aber es geht hier wohl um die Frauenliebe, d.h. lesbische Liebe, wie in der Schlusszeile genannt. Darum ist dein wiederholtes "dir" bzw. "man" hier vermutlich fehl am Platze. Im ersten Quartett scheint es sich auch lediglich um eine einzige, bestimmte Frau zu handeln. Da sind wohl mythologische Anklänge, die mir nicht so vertraut sind.

Im zweiten Quartett geraten die Tänzerinnen [?] dann nacheinander (nicht im Kreis) in Extase und fallen sich windend und röchelnd zu Boden.

In den Terzinen wird es dann noch undurchsichtiger, denn da heißt es wörtlich:

Bald wird ihre [plural] unzüchtige/laszive Zärtlichkeit
wie eine Kette, die sie bindet [kein Flussufer in Sicht!]
im Schatten ihre Gräber bereiten;

und auf dem Stein, wenn der Abend kommt
mit ängstlichem Schritt,
weinen die Töchter von Lesbos.

Hattest du das wohl auch so verstanden, oder vielleicht besser verstanden als ich? Wie gesagt, wenn ich mehr Kenntnisse der griechischen Mythologie hätte, würde ich vielleicht weniger im Dunkeln tappen.
Aber ich habe auch wieder einmal den Eindruck, dass du die komplizierten französischen Verben nicht alle erkannt hast. Daher wohl beispielsweise das Flussufer (d.h. Substantiv rive statt Verbform von 'river'). Das macht das Übersetzen bestimmt nicht einfacher.

LG Silja
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#3
Hallo Silja,

Die Insel Lesbos hat zwar der lesbischen Liebe ihren Namen gegeben, aber diese engere Verknüpfung gibt es erst in der Neuzeit. In der Antike meinte man vor allem die besondere Freizügigkeit, selbst für griechische Verhältnisse und damit verbundene Verführung durch die Frauen von Lesbos. Die fachte auch Männerträume an, wie wohl später nur noch die Blumenmädchen von Tahiti. Ob lesbisch hier im engeren Sinne gemeint ist, oder einfach freizügig nach antiker Auffassung, kann ich schwer beurteilen.

Wenn du schreibst daß im ersten Quartett eine spezielle Frau gemeint ist, denkst du da an eine persönliche Bekannte des Autoren, die er mit den Frauen von Lesbos vergleicht? Oder scheint hier eine Antike persönlichkeit durch? Im letzteren Fall könnte fast nur Sapho gemeint sein, was auf lesbische Liebe im engeren Sinne schließen ließe.

Tänzerinnen? Denkst du an eine Art rituelle Prostitution von Tempeltänzerinnen als Fruchtbarkeitskult? Mir ist sowas nur aus älteren Mesopotamischen Kulturen bekannt, müßte mich mit (alt-)griechischen Kulten aber erstmal näher befassen.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#4
Hallo Zaunkönig,
ich betrachte das erste Quartett erst mal rein grammatisch: da heißt es "son regard", "elle", "son flanc", also alles Singular femininum. Dazu dann "une autre" - eine andere (wiederum weiblich). Um welche Dame(n) es sich dabei handelt, bleibt hier völlig offen.

Das Bild von Tänzerinnen entstand für mich beim Lesen von Zeilen 7 und 8: Jede von ihnen wird der Reihe nach ohnmächtig/gerät außer sich/in Ekstase, windet sich und fällt röchelnd (wieder) zu Boden.

Wie gesagt, die Interpretation, um was es hier wirklich geht, fällt mir einigermaßen schwer. Vielleicht kannst du mehr damit anfangen.

LG Silja
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#5
Hallo Silja,

Ich lese den Text fatalistisch, daß die Frauen die Männer ins Verderben führen, die eine auf diese, die andere auf jene Weise und am Ende trauern sie über dem (metaphorischen) Grab des Geliebten, aber sie können gar nichts dafür, es ist halt ihr Schicksal, unter dem sie auch selbst leiden.
Anders macht zumindest das Grab und der Stein für mich keinen Sinn. Eine besonders enge Verbindung zu alten Mythen oder Kulten sehe ich eher nicht, aber man müßte sich vielleicht einmal schlauer machen.


'im Kreis' ist wohl nicht so geschickt. Kann man das 'nacheinander' auch als 'reihum' lesen? Statt 'röchelnd' wurde ich an der Stelle eher etwas wie 'stöhnend' vermuten.

Ich werde mich nochmal über Sappho etwas schlauer machen, kann mir vorstellen, daß auch sie ein tragisches Ende nahm...

LG ZaunköniG
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#6
Zu Sappho, Aus "Lübker's Reallexikon des klassischen Altertums" von 1882

Zitat:...Sie war verheiratet mit einem reichen Manne aus Andros, dem sie eine Tochter, Namens Kläis, gebar. Eine Zeit lang lebte sie, von Lesbos flüchtig, in Sizilien; in ihren späteren Jahren in Mytilene, umgeben von einem Kreise junger befreundeter Mädchen, die sie in Musik und Poesie unterwies. Nach den Grundsätzen, die sie in ihren Gedichten ausgesprochen, sowie nach den glaubwürdigsten Zeugnissen des Altertums war sie eine ehrwürdige Frau von reinem und strengem Lebenswandel; die spätere Zeit jedoch hat es nicht unterlassen, ihren Ruf herabzuziehen und namentlich ihr Verhältniß zu jüngeren Freundinnen zu misdeuten. Auch dichtete man ihr an sie habe einen Jüngling, Namens Phaon, unzüchtig geliebt...

...solche Verleumdungen sind vor allem von den attischen Komikern ausgegangen und hatten ihren Grund in ihren Gedichten, die sich vorzugsweise um die Liebe drehten. Unter ihren erotischen Gedichten waren besonders die Epithalamien ausgezeichnet...


Damit wären wohl Sappho und die Töchter Lesbos rehabilitiert, aber worauf sich Semiane bezieht, wissen wir damit immer noch nicht genauer...

Tja die Sache mit dem Grab....

da fällt mir ein, daß auch der Orgasmus gern als kleiner Tod umschrieben wird, also vielleicht ist das Motiv gar nicht Partner oder Partnerin zu Grunde zu richten.

Hier mal die lesbische Version:


Frauenliebe

So hieß es immer schon von ihren Augen,
daß schon ihr Aufschlag Glut und Feuer legt,
ihr Blick allein vermag sie auszusaugen,
der sie die Krallen in die Flanke schlägt.

Scheu blickt die andre, die sich selbst verliert;
im Zungenspiel sind beide bald verbunden
und nacheinander, wie hypnotisiert
verfallen sie einander eng umwunden.

So zärtlich hingegeben und lasziv,
gefesselt durch ein selbstgeknüpftes Band,
streckt sich ihr einer Schatten grabestief.

So sah man denn zu Abend an den Steinen,
als sie das zögerliche Dämmern fand,
die Töchter Lesbos um die Liebe weinen.




Meine erste Fassung finde ich aber auch ganz schön. Ich werde sie wohl als Aneignung so behalten.

LG ZaunköniG
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