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Apfelbaum
#10
zum thema "ruckler": elementar ist es, zu verstehen, worin erstens der unterschied zwischen dem rhyhtmus einerseits und dem metrum andererseits besteht. hierbei handelt es sich nämlich um zwei sich zwar gegenseitig prägende, aber doch voneinander gleichzeitig unabhängig sich ereignende phänomene. wolfgang kayser gebraucht bei der erläuterung und veranschaulichung (in "kleine deutsche versschule")dieses unterschieds ein bild: (das schema, also der metrische rahmen eines gedichts) "... wir möchten es einem cannevas vergleichen, der selber unter der vollendeten arbeit verschwindet, aber doch länge, dicke und richtung der einzelnen stiche bestimmt hat"; und zweitens kann keine gründliche analyse des schemas und des rhyhtmus eines metrischen gedichts auskommen ohne eine feine abstufung der betonungen / hebungen in haupt- und nebenbetonungen.ohrenfällig wird eine solche abstufung dadurch, indem man ein vorliegendes gedicht zunächst skandiert (also seine metrischen einheiten spricht, hörbar macht, ohne dabei rücksicht auf die sinnzusammenhänge zu nehmen) und dann kunstgerecht deklamiert, also die widersprüche zwischen taktmäßig und syntaktisch-semantischen vorgegebenen einschnitten (auch: kolon-grenzen) miteinander versöhnt. so bemängeln wir auch nicht, dass sneaky beispielsweise in vers2 schreibt: "als ich den pilzbefall an ihm entdeckte", obwohl eine betonung des lyrischen ich an dieser stelle unnötig,ja sogar störend wirken müsste (ansonsten drängte ich die frage auf: wer als das lyrische ich hätte denn den pilzbefall entdecken sollen?). -
wolfgang kayser geht noch einen schritt weiter und fällt im laufe seiner (nicht umumstrittenen typisierung verschiedener vers-rhythmen) ein hartes urteil über den rhyhtmus eines gedichts, welcher stets "nah beim metrum bleibt. wenn jede hebung erfüllt wird und die einschnitte beim
sprechen immer nur den einschnitten des schemas entsprechen": "der gesamteindruck ist der einer hölzernen starre. man kann beim lesen das berühmte "leiern" kaum vermeiden", an einer späteren stelle: der "metrische rhyhtmus", der im grunde keiner war (ist), weil hier das metrum den rhythmus vergewaltigt hatte... ". -

bei sneakys achter zeile handelte es sich allerdings im verseingang um eine tonbeugung, welche dort an diese stelle lange schon nur noch von "hardcore-puristen" als metrischer fehler (nicht rhyhtmisch!) angesehen wird. würde man dies hier tun, so müsste man im gegenzug (ich sag mal ganz salopp) die hälfte des werks eines rainer maria rilke - darunter seine schönsten gedichte - als fehlerhaft und metrisch ungenau konzipiert verwerfen. Wink letzendlich bleibt die frage nach der legitimtät, der künstlerischen opportunität synkopischer rhyhtmen, tonbeugungen und ihre realisationen im sprechakt als "schwebende betonungen" heute nur noch eine frage des geschmacks und muss wohl in jedem einzelfall neu untersucht werden, inwiefern ein solches mittel gerechtfertigt erscheint oder eben nicht. - ich persönlich finde diese stelle, vor allem in hinblick auf ihre
inhaltliche aussage, die damit verknüpft ist, hervorragend und ästhetisch sehr gelungen umgesetzt,

liebe grüße
drehrassel
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Nachrichten in diesem Thema
Apfelbaum - von Sneaky - 03.08.2008, 12:25
RE: Apfelbaum - von ZaunköniG - 03.08.2008, 13:45
RE: Apfelbaum - von Sneaky - 03.08.2008, 18:51
RE: Apfelbaum - von Detlef - 04.08.2008, 07:46
RE: Apfelbaum - von ZaunköniG - 04.08.2008, 09:24
RE: Apfelbaum - von Detlef - 04.08.2008, 11:16
RE: Apfelbaum - von Friedrich - 04.08.2008, 20:53
RE: Apfelbaum - von Sneaky - 05.08.2008, 12:56
RE: Apfelbaum - von Fabian - 15.08.2008, 13:19
RE: Apfelbaum - von Drehrassel - 13.01.2009, 13:02
RE: Apfelbaum - von Sneaky - 13.01.2009, 20:30

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