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Lilith
#2
Lilith - Höhenfluch

I.

Einst lag geeint das All an einem Ort;
so friedlich und vollkommen
war eins dem andern gleich.
Erst Du hast uns genommen
dieses Himmelreich.
Im Paradies, von süßer Frucht beflort,
seit Anbeginn verkommen,
reift uns nur Sünde, die nun schwelt und schmort

und Resonanz erweckt, in uns rumort.
Die eine Saite schwingt in höchsten Tönen
nur weil die andre Saite dumpf verstummt.
Ein leichtes Spiel: Ein Dur- ein Mollakkord,
Die Hoffnung, die in unsrer Seele summt,
ist unsrem Körper nichts als hohles Höhnen.
Die Stoffe schieden sich nach deinem Wort.



II.

Und übers Wasser hob sich so das Land,
der Mensch dann über’s Tier,
bald dieser über jenen.
Du nahmst uns unser Wir,
nach dem sich alle sehnen.
Dem gabst du einen Klang, der auch nur Tand,
und andren Namen mir.
Nun ist der Schöpfung jedes Teil benannt,

und jedem ist sein Siegel eingebrannt.
Die Spur steht ihm auf Weg und Stirn geschrieben.
Die Seele sucht nach ihrem Ebenbild
und schaut uns aus dem Spiegel unverwandt.
kein Brot, das dauerhaft den Hunger stillt;
nur Zucht und Sehnsucht war dem Mensch geblieben
und keinem war sein Nächster mehr bekannt.


III.

Du bist so gut, so makellos, so rein!
Wer für sich selber tut,
der machts sich gerne recht,
und siehe es war gut,
doch bald schon wurd es schlecht,
denn sieh; dir fiel noch etwas beßres ein:
Dein Ebenbild und Knecht;
Als Herrscher setzt du ’n in die Schöpfung ein

Doch er durchschaut zu schnell den falschen Schein.
Dem Menschen, der sich ganz mit dir verbünde,
den lockst du mit so manchem Privileg.
denn lieben soll der Mensch nur dich allein.
Dafür ist schon dein Angebot Beleg.
Verrat an Gleichen ist die größre Sünde!
Nur manchem hauchst du etwas Ahnung ein.


IV.

Die Geister schieden sich einst auf dein Wort.
Du teilst und herrscht, o wieviel
Geduld und Leid ist nötig?
Wer nicht vor dir auf ’s Knie fiel,
gebeugt und ehrerbötig
den schickst du in ein ärgres Schicksal fort.
Dann sei ’s. Uns war es nie Spiel!
Vernichte uns, du hast das letzte Wort

Zu lebensschwach, zerbrechlich, ein Abort;
was du als Schöpfung feierst stirbt und stirbt.
Dein Wort, Dein Werk; du red’st es selber groß.
Nun sprich es aus, dies eine, letzte Wort
Sei gnädig und versetz den letzten Stoß –
du suchst nur weiter, daß er dich umwirbt
und ziellos süchtig lebt er immerfort.


V.

So Mensch wie Welt fängt deinen Atem ein;
Zur Ruhe kommt sie nie.
Von dir hat sie den Drall,
doch schwarz ist die Magie:
Dem Menschen reift Verfall;
in eigner Säure schwärt ihm Fleisch und Bein.
Treib weiter Alchemie,
Flöß diesem jenes, jenem andres ein... –

Viel Rauch, viel Knall und Fall und falscher Schein.
Vergafft ins selbstgeschaffene Spektakel
gibst du dem Zufall eine Welt zum Fraß.
So fällt dir immer wieder neues ein;
Ein Form- und Farbenspiel: so macht es Spaß.
Nur deine Kreatur verspürt den Makel,
denn die Vereinigung wird Täuschung sein.


VI.

Mein Wesen ist der lichtumlohte Brand
doch die befohlne Nahrung
ist kärglich, dürr und arm.
Mit Zehrung zur Bewahrung
verschwele ich lauwarm.
Gib Sinn und wirf die freie Glut ins Land
gib mir ein Erz zur Paarung
oder Herz, durch mich in Form gebannt.

Den Trieb empfing ich einst durch deine Hand.
Durch heißen Hunger um die Glut gekommen,
so sinkt die Flamme rasch zu Asche ein.
Du schürst die Sucht, doch reichst nur Sand
und läßt uns in der Wüstenei allein.
Wir sterben hin zu dem, dem wir genommen,
So sinkt der Ton zu Staub, noch ungebrannt,


VII.

Du schufst ihn sterblich, Gott, ich nenn das Mord.
Sieh Deine Kreatur:
Ich bin, wie er, erschöpft.
Sei’s Schöpfung, sei’s Natur;
Wer aus Dir Hoffnung schöpft,
den tröstest Du auf ferne Zeit und Ort
und weist die alte Spur,
Wo magres Dorngestrüpp am Wegrand dorrt.

Der Weg führt weit, du sagst, in Deinen Hort.
Bis dahin friste ich mein Sein als Alb,
doch meinem Mann gabst Du ein andres Leben.
So trennst Du „Gut“ und „Schlecht“, wie Süd und Nord,
doch auch dies Schlechte war von Dir gegeben.
Die Guten nennst Du rein, doch sie sind halb;
so pflanzt sich stets das Unvollkommne fort.


VIII.

Die Stoffe schieden sich nach deinem Wort
und keinem war sein Nächster mehr bekannt.
Nur manchem hauchst du etwas Ahnung ein
und ziellos süchtig lebt er immerfort,
denn die Vereinigung wird Täuschung sein.
So sinkt der Ton zu Staub, noch ungebrannt,
so pflanzt sich stets das Unvollkommne fort.
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Lilith - von ZaunköniG - 30.01.2007, 19:48
RE: Lilith - von ZaunköniG - 30.01.2007, 19:49
RE: Lilith - von ZaunköniG - 30.01.2007, 19:50

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