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Percy Bysshe Shelley: The Cloud
#3
Hallo Sneaky,
lass Vorsicht walten mit einigen Metaphern des Originals. Wenn Shelley formuliert "the sanguine Sunrise with his meteor eyes" ist da zwar auch eine gewisse hintergründige Gewaltsamkeit drin (meteor), aber der Begriff des Sanguinischen beinhaltet eben ausser dem "Blutvollen" auch das Fröhliche des sanguinischen Temperaments. Die Wolke, als das naive Naturkind, das sie ist, nimmt am Sonnenaufgang vor allem die prachtvolle Schönheit wahr, das Lebendige, was auch sie auszeichnet. Es ist uns nicht möglich, im Deutschen das Wort "sanguinisch" zu benutzen (zu kompliziert, bildungssprachlich, abstrakt ... so redet die WOLKE nicht!) Wenn aber das Wort "Blut" im Deutschen fällt, ist die Assoziation an Gewalt und Leid zu stark in diesem Zusammenhang. Die WOLKE leidet nicht und niemals!
Rudolf Borchardt schoss in den 20ern (?) den Vogel ab, in dem er formulierte:
"Die Blutsonn im Tor, all ihr Aug Meteor/ Und ihr brennend Gefieder ein Fächer/Springt ins Genick meiner kreuzenden Brigg/ Und der Morgenstern blickt schon schwächer -"
Wer da nicht an die armen blutenden letzten Burgunderhelden denkt, die morgens in Etzels Hunnenlager durch die geborstenen Bretter der großen Halle auf die rote glotzende Sonne ihres Untegangstages blicken, der hat niemals das deutsche Nationaldrama der Nibelungen gelesen. Auch die Wiedergabe von leaps on the back bei Borchardt als "springt ins Genick" ist so ein rauschend brutaler Blödsinn. Es macht einen Riesenunterschied, ob mir ein Kind fröhlich und meinetwegen etwas überschwänglich auf den Rücken springt - kann man sich schon mal dabei verheben ... zugegeben - oder ob wie bei Borchardt das Morgenlicht der Wolke "ins Genick" fasst (springt!!!). Das ist etwas ganz anderes als auf dem breiten Rücken einer Person zu landen. Das ins-Genick-fassen und halten ist als Geste eine Demütigung, wenn nicht als Schlag sogar eine gefährliche Körperverletzung. Und das steht bei Shelley nicht.
Der langen Rede kurzer Sinn: gib acht, dass Du dich nicht wie Borchardt zu expressionistischen Metzeleien hinreißen lässt. Der Text lässt diese Gefahr aufgrund seiner "naturgewaltigen" Bilder in der Tat leicht aufkommen, aber eigentlich ist das, was die Wolke hier von sich sagt, mehr ein Wiegenlied für sie selbst (Rhythmus) und entbehrt jeder Brutalität und Bedrohungsschilderung.
Und in "dem Adler gleich ...Joch" fehlt der existentielle Binnen-Reim.
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RE: Percy Bysshe Shelley: The Cloud - von Josef Riga - 14.12.2016, 06:07

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