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Der Klebstoff-Engel
#1
Der Klebstoff-Engel (1899)



Mitunter gehen Namen wie Musik um, haften
in der Erinnerung von vielen, weil ihr Klang und Ton
so rührt. Die Sache selbst und ihre Eigenschaften,
verblassen davor. Das galt für Syndetikon,

den Allzweck-Kleber unsrer Ur-Ur-Ur-Großväter,
ein Fischleim, dessen Klang allein schon Zauberkraft
verhieß - wie ein Orakelspruch der Wissenschaft...
die Leute kannten ihn noch dreißig Jahre später.

Millionen blieb auch noch der Slogan gut im Ohr,
den voller Inbrunst manches Blechplakat beschwor:
„Syndetikon klebt, leimt und kittet alles!“

Als ob der Fischleim eine Heilserscheinung war,
welche mit Engelskräften und –geduld sogar
gebrochne Herzen leimt’ (im Falle eines Falles).


Anmerkungen

Die Firma Otto Ring, Hersteller des Klebstoffs Syndetikon, für die Ferdinand Schulz-Wettel dieses schöne Jugendstil-Plakat schuf, beeindruckte durch ihre außergewöhnlich geschmack- und phantasievolle Reklame, die immer wieder durch humorvolle Motive auffiel. Dazu beauftragte Otto Ring die besten Gebrauchsgrafiker der Zeit wie Fritz Hellmuth Ehmcke, August Hajduk oder Friedrich Wilhelm Kleukens. Die Qualität des Klebstoffs wurde gern dadurch herausgestellt, dass immer wieder Tierfiguren an einer geöffneten Tube festklebten und verwundert die Augen verdrehten.
Wie gut die Reklame auch vom werbestrategischen Gesichtspunkt aus betrachtet war, dokumentiert nicht zuletzt die spätere Werbung der Firma Lingner für UHU, die mit fast demselben Slogan arbeitete (worauf der Schlussvers des Sonetts hier anspielt).
Instinktiv wählte Otto Ring schon damals einen etwas mysteriös klingenden, aber global einsetzbaren Produktnamen ohne Fehlassoziationen in anderen Kulturkreisen. Für die Erarbeitung, Entwicklung und rechtliche Absicherung eines solchen Namens müssen heutzutage mindestens 200.000 Euro veranschlagt werden.
Wie populär Syndetikon war, dokumentiert die schon 1900 erschienenen Novelle "Syndetikon" von Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Vgl. auch Klaus Popitz: Syndetikon. Eine kleine Firma macht große Reklame. Begleittext zur Ausstellung der Kunstbibiliothek der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1978;
Strategien der Werbekunst von 1850-1933. Katalog zur Ausstellung des Deutschen Historischen Museums DHM Berlin (22.4.-29.8.2004), S. 172
Volker Ilgen/Dirk Schindelbeck: Am Anfang war die Litfaßsäule. Illustrierte deutsche Reklamegeschichte, Darmstadt 2006


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