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Schöpfungsträume I
#1
Schöpfungsträume I


Das Nichts erträumte aus dem All die Eins. –
Allein erwachte es als Zwei, erkannte
im Du sein Ich, gebar die Drei und nannte
sich Gott als erste Äußerung des Seins.

Drei-Ein kristallisierte Gott zur Vier. –
Nachdem er sich aus sich heraus als Spiegel
entfaltet hatte, glühten seine Siegel
in Einigkeit von Ich und Du und Wir.

Zur Fünf unendlich fokussiert, erfährt
sie sich als Sechs im steten Aufwärtsschlingen.
Dual begann die Vier als Acht zu schwingen. –

Bewegung, die sich in und aus sich kehrt,
verschränkt zu einer göttlichen Spirale:
Als Offenbarung gibt es kein Finale.


© Friedrich
Wonach immer du im Leben suchst - du findest es in dir.
Melos Merulae - Friedrich
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#2
Hallo Friedrich,

Zahlenmystik fand ich immer recht sperrig um sie lyrisch zu bearbeiten obwohl es mich immer wieder gereizt hat. Wie aus dem Nichts die eins entstehen kann z. B. ist mir in keiner Quelle wirklich plausibel geworden. Nun, mit dem Urbeginn tut sich auch die Wissenschaft schwer.
in deinem Sonett ist mir noch etwas anderes aufgefallen:

Hat es einen Grund, daß du ausgerechnet die sieben ausgelassen hast? In der kabbalistischen Schöpfungsmystik ist sie eine besondere Zahl.


LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Hallo ZaunköiG,

vorab, die Sieben ist nicht ausgespart, sondern findet im Fortsetzungssonett ihren Eingang. Die verschiedenen Schöpfungsmythen haben alle ihre Probleme, Zusammenhänge, die sich einer Kausalkette entziehen, auch nur andeutungsweise verständlich an einen kausal denkenden Adressaten zu bringen. Dieses Zuvor und Danach wurde erst im vorigen Jahrhundert durch die Relativitätstheorie und die Quantenphysik aufgeweicht. D. h. Grenzen unserer Sprache sind gleichzeitig auch die unseres Denkens. um es etwas salopp mit Wittgenstein zu formulieren. Reichten die Werkzeuge des Denkens nicht aus, Licht in ein Verständnisdunkel zu bringen, waren es die Mystiker aller Religionen neue Wege zu finden (Verstehen = Erleben). Nachdem wir diesen emotionalen Weg weitgehend verlassen haben, suchen und finden wir diese Pfade heute ausgeprägt in einem verstandesmäßigen Weg. Grundproblem ist die sinnliche (sensorische) Erfassung von Zeit und Menge (Raum), die ein Hintereinander erzwingen, und in unserer Betrachung eine Fülle von Evolutionssträngen erzeugen.
Das Ich, dass sich in der Bewegung (Veränderung) erfährt. Sprachlich fehlen uns für viele Erlebnisinhalte einfach die adäquaten Worte. Nicht von ungefähr war einer der bedeutensten christlichen Mystiker, Meister Eckhart, ein bedeutender Sprachschöpfer und nicht von ungefähr ist Sanskrit eine der wortreichsten Sprachen.
Für Begriffe wie Simultanieität (Gleichzeitigkeit) und Unendlichkeit gibt es keine konkrete (nachvollziehbare) Anschauungserfahrung, womit wir schnell an sprachlich anschauliche Grenzen stoßen. Daher ist auch der Begriff "Ein" ein von der sinnlichen Erfahrung verunschärfter. Aber schnell merkt man, dass "Eins" im Sinne des Einzelnen (Menge) ein sehr relativer ist. Im Sinne von allumfassend wiederum fehlen die kognitiv-sinnlichen Erfahrungswerte.
Auch Laotse, der im Tao te King (Daodejing) vom Urgrund des Seins als dem dunklen weiblchen spricht, ringt hier offensichtlich mit der verbalen Unzulänglichkeit. Letztendlich scheint es nur die Art des Weges zu sein. Ein der herausragenden Wissenschaftler des vorigen Jahrhunderts, mir fällt momentan sein Name nicht ein, sagte sinngemäß, dass wir (die Naturwissenschaftler) einst am Ende unseres Erkenntnisweges von den Mystikern freudig begrüsst werden, denn sie hätten offenbar einen kürzeren Weg zum Ziel gefunden.
Fur mich interessant war immer der Zusammenhang Zahl und Schöpfungsgeschichte. Vor Jahren stellte ich einem Freund zu dessen Geburtstag ein Rätsel, das er so zu lösen hätte, dass er in den damaligen Versen erkennen sollte, welchen zugrundegenden System ich mich in diesem "Gedicht" bediente. Nachdem er, trotz einiger zusätzlich gelegter deutlicher Fährten nicht dahintergekommen war, habe ich jetzt begonnen, das Ganze in Sonettform zu fassen.

Aber berührt haben wir das Thema von einem anderen Zugang her schon in unserer Nebelfee-Tenzone.

In diesem Sinne
LG Friedrich
Wonach immer du im Leben suchst - du findest es in dir.
Melos Merulae - Friedrich
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#4
Hallo Friedrich,

Zitat:Verstehen = Erleben

Das Verstehen durch Erleben ist natürlich jeder sprachlichen Aneignung überlegen, und du hast Recht, daß die moderne Wissenschaft zusehens unanschaulicher und somit mystischer wird, damit wird sie aber auch immer schwerer vermittelbar. Allerdings geht das Standardmodell noch immer vom Urknall aus, also vom Beginn aus einer Singularität, konsequenterweise würde ich also nicht bei Null beginnen, sondern bei der Eins.
Und wenn ich deine erste Zeile lese:
Zitat:Das Nichts erträumte aus dem All die Eins.
so war das All, in welcher Gestalt auch immer, schon da. Ich würde die Zeile auch umstellen:
"Das All erträumte aus dem Nichts die eins" Als Akteur scheint mir das All besser zu taugen, siehe auch meine kleine Schöpfungsgeschichte "Bin".

Aber ich will hier keine Philosophie kritisieren, die ich selber kaum zur Hälfte verstehe. Als Sonett ist es auf jeden Fall eine saubere Arbeit und macht neugierig auf die Fortsetzung.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#5
Hallo ZaunköniG,

Zitat:so war das All, in welcher Gestalt auch immer, schon da.

Damit sind wir in medias res: "Das Agens". Als ich mit der ersten Zeile meines Sonetts begann, stolperte ich über genau diese Tatsache. Da ich früher in einer Arbeit mit anderem Kontext eine Ontologie ansatzweise entwickeln musste, um die Bedingtheit eines bestimmten Phänomens zu erhellen, hatte ich dort schon das Problem, dass der Begriff der "Unzulänglcihkeit", ein allem Seiendem anhaftender und durchdringender ist und nur aus der Relativität seiner raum-zeitlichen Position in einem sich gegenseitig beeinflussenden, in vielen Strängen sich dialektisch entwickelnden Kontinuum, verstehbar wird.
Das Grundmuster (=treibende Kraft) ist die innewohnende Dreiheit der Dialektik. Daher war/ist für mich naheliegend, für das Sein (=Gott) eine immanente Dreiheit zu postulieren, gewissermaßen als Urbild aller aus diesem entströmenden Prozesse. Dieses Urbild jenseits von zeitlicher und räumlicher Bedingtheit, projiziert (spiegelt) sich, und das ist bei meiner Betrachtungsweise der Beginn der raum-zeitlichen Schöpfung, in alle Aspekte des Seienden. Daher bilden bei meinem Ansatz Nichts-All-Ein konseqenterweise ein Gleichgewicht göttlicher Bedingtheit, jenseits von Zeit und Raum und jenseits jeglicher Gegensätze wie Ruhe und Bewegung, Jetzt und Ewigkeit, Singularität und Unendlichkeit. In der östlichen Philosphie werden solche Wach-/Traumzustände als göttliche Rhythmen beschrieben.
Bei meinem Ansatz beginnt der Urknall (besser Urknalle) mit der Zahl Vier. Die Schwierigkeit der oben schon beschriebenen Unzulänglichkeit der Sprache liegt auch das Problem im ersten Quartett zugrunde, sich gleichzeitig Ein- und Ausschließendes hinreichend zB im Verb auszudrücken. Hier existiert kein Davor-Danach, kein Ist oder Ist-Nicht - es ist und ist nicht Gott, es ist und es ist nicht Nicht-Gott.

LG Friedrich

PS.: Auf der weiteren Reise ab der Zahl 4 werden, soviel sei schon verraten, die Wege deiner Schöpfungsgeschichte und meiner Betrachtungsweise wieder weitgehend parallel laufen. Absolut stimmig finde ich Deinen Titel "Bin" - aber das ist wieder eine andere Geschichte...
Wonach immer du im Leben suchst - du findest es in dir.
Melos Merulae - Friedrich
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#6
Hallo Friedrich,

da wäre mir beinahe ein sehr schönes Stück entgangen, das sich in einigen Teilen ähnlich mancher Tarottheorie entwickelt und fortbewegt. Philosophische Betrachtungen sind nun nicht meine Sache, dazu hat mir schon immer die richtige Ader gefehlt, also gehe ich bei derartigen Texten gern meinem Bauch hinterher. Dass handwerklich alles sitzt, muss nur kurz gesagt werden, andersrum wärs eigenartig gewesen.

Das Nichts erträumte aus dem All die Eins. –
Allein erwachte es als Zwei, erkannte
im Du sein Ich, gebar die Drei und nannte
sich Gott als erste Äußerung des Seins.

Müsste es in Z 2, da "die Eins" weiblich ist nicht "sie" statt "es" heißen und in der weiteren Folge dann "im Du ihr Ich"?

Und ob "Finale" als Schluss dem Inhalt Rechnung trägt? Es klingt mir zu sehr nach Endspiel sry bin Fußballfan.

Bin jedenfalls gespannt darauf, wie du das fortführst.

lG

Sneaky
Never sigh for a better world it`s already composed, played and told
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#7
Hallo sneaky,

ja, durch das Tarot fädelt sich ein roter Faden der Zahlenystik resp. Schöpfungsgeschichte - vornehmlich in der großen Arkana. Stellt man den Narren an den Anfang, ergibt sich interessanterweise das "innere Dreieck" Narr-Magier-Hohepriesterin und die folgenden "äuißeren Dreiecke" beginnend mit Herrscherin-HerrscherHohepriester", usw. - aus einer bestimmten Tarot-Sicht die archetypische Reise eines Helden.
Zu "sie" im 1. Quartett, aus Gründen, die ich oben schon angedeutet habe, wollte ich entgegen dem grammatikalischen Geschlecht, das "es" als Ausdruck des Zusammenfalls der Gegensätze verwenden. Daher möchte ich es dabei belassen. Und das Finale, auch wenn es in allen Köpfen (auch manchmal in meinem) als sportliches Großereignis einzementiert ist, als Wort aus der Wortfamilie um die Eigenschaft "final" belassen (wegen der Acht als Endlosschleife).

LG Friedrich
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#8
Das "falsche" Geschlecht in Zeile zwei war mir gar nicht aufgefallen.
Ich las es dem Nichts zugehörig das, zusammen mit der erträumten Eins, nun die Zwei bildet.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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