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Die Krone der Dichtkunst
#6
Hallo ZaunköniG,

das ist ein äußerst interessantes Thema und deine Ausführungen haben auf jeden Fall etwas für sich, auch wenn ich glaube, dass die Bezeichnung auf Klappentexten mit schon in der Schule vermittelten Ehrfurchtsgedanken zu Werbezwecken spielt. Soll heißen: Frag einen durchschnittlichen Abiturienten nach einer Gedichtform, an die er sich erinnern kann und du wirst (wenn er sich überhaupt an eine erinnert) "Sonett" als Antwort hören, mit einem Schaudern in der Stimme, das besagt, dass waren diese allerwichtigsten dinger, deren äußere Form ich mal für ne ätzende Gedichtanalyse auswendig gelernt habe... aber gut, dieser Sarkasmus gehört hier nicht her.

Dass du die Stellung Petrarcas hervorhebst, ist nachvollziehbar. was allein all die Nachahmungen, Kontafakturen, Parodien und Übersetzungen zur Gattungstradierung beigetragen haben, ist unschätzbar. Aber erklärt es, warum das Sonett noch heute eine der beliebtesten (die beliebteste?) (un)feste Gedichtform und gleichzeitig wohl auch die umstrittenste ist?

Meine Gedanken zu diesem Thema kann ich im Moment nicht wirklich wissenschaftlich untermauern, leiten sich aber zum einen von der Länge und der Form her (was du ja auch beides erwähnst).

Die Länge hat wirklich etwas für sich - wie Mönch so schön geschrieben hat: Sie eignet sich perfekt, um eine Frage oder einen Gedankengang zu formulieren, weshalb sie als Kommunikationsform auch so beliebt war/ist - so seine These). Dazu kommt mMn die relative Abgeschlossenheit der Form. Hänge so viele Kanzonenstrophen oder Distichen (ein einzelnes wird normalerweise Sentenzhafter als ein Sonett) aneinander, wie du willst, das Sonett ist erstmal abgeschlossen (Variationen sind normalerweise, wenn gut gemacht, inhaltlich motiviert).

Zweitens, die Form: Die formale Zweigliedrigkeit, die fest eingebrannten Regelpoetiken im Kopf (auch wenn man sich von ihnen lösen will, sie hängen fest, wenn man sich mal damit beschäftigt hat) - beides führt zu einer Mischung aus Besonderheit wegen der Anwechslung innerhalb einer Form und wegen der "Schwierigkeit" der Form, die aber, selbst für einen Dilettanten leichter regelhaft zu erfüllen ist als eine Ode oder ähnliches. Dazu kommt dann noch, dass eben diese Regelpoetiken ziemlich dazu reizen, mit ihnen zu brechen, was das Sonett eben doch zu einer unfesten Form macht (nach Greber - aber Gattungsdiskussionen brauchen wahrscheinlich einen gesonderten Platz, weshalb ich das nur anschneiden will, wichtig ist es für mich in diesem Zusammenhang aber schon).
Diese gegensätzlichkeiten innerhalb der Form, innerhalb der gattung, innerhalb der wechselhaften Geschichte des Sonetts halten es in meinen Augen aktuell, und durch die Aktualität vermischt mit der Tradition könnte man die Bezeichnung "Krone" erklären. Zumindest erkläre ich sie mir so.


Liebe Grüße
yaira
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Nachrichten in diesem Thema
Die Krone der Dichtkunst - von ZaunköniG - 01.08.2009, 06:35
RE: Die Krone der Dichtkunst - von Detlef - 02.08.2009, 07:51
RE: Die Krone der Dichtkunst - von Sneaky - 02.08.2009, 09:01
RE: Die Krone der Dichtkunst - von ZaunköniG - 02.08.2009, 09:59
Fetisch des Humanismus - von ZaunköniG - 30.08.2009, 10:31
RE: Die Krone der Dichtkunst - von yaira - 03.09.2009, 10:37
RE: Die Krone der Dichtkunst - von ZaunköniG - 03.09.2009, 19:38
RE: Die Krone der Dichtkunst - von gitano - 12.10.2010, 18:54
RE: Die Krone der Dichtkunst - von ZaunköniG - 15.10.2010, 18:28
RE: Die Krone der Dichtkunst - von gitano - 15.10.2010, 20:11

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