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Heinrich Eggers: Sonette aus der Gefangenschaft
#1
Vor einigen Wochen ist mir ein dünnes, reichlich lädiertes Heftchen in die Hand gefallen.

Aus der Gefangenschaft
Sonette

Heinrich Eggers

Es ist weder Verlag, noch Druckerei angegeben, also offenbar nur als Manuskript gedruckt. Auch geht nicht aus dem Text hervor wann und wo der Autor in Gefangenschaft war.

Eggers verwendet unregelmäßige Zeilenlängen, wie wir es beispielsweise von Rilkes Sonetten an Orpheus kennen, allerdings greifen die Reime von den Quartetten in die Terzinen über.
Überrascht hat mich die doch sehr derbe Ausdrucksweise, die ich so nicht einmal von Brecht kenne, zumindest aus dieser Zeit (erste Hälfte 20. Jahrhundert.)

Das Heft enthält ein einleitendes Gedicht und 9 Sonette. Zwei möchte ich hier stellvertretend vorstellen:


IV

Zwischen kahlen Wellblechwänden, reihenweise protzen
Männerärsche ab auf Kübeln, nur von Holz verschönt.
In Zelten, von Gelächter, Singsang, grobem Scherz durchdröhnt,
Warten wir. Wir fressen, saufen, scheißen, rotzen.

Mit Gespräch und Witz von Wichsen, Ficken, Brüsten, Fotzen
Wird das Elend der Gefangenschaft verhöhnt.
Wer an Ewigkeitsgedanken einst gewöhnt,
Hat die Wahl nur zwischen Stumpfsinn oder Kotzen.

Stumpfe Gier und Langeweile glotzen
Auf Gefühle, die, in diesem Dreck verpöhnt,
An Erinnerung von reinem Glück schmarotzen.

Wenn das Herz auch nächtlich wachend stöhnt -
Ach, was hilft es Dir, dem Schlamm zu trotzen:
Darm und Seele klaffen unversöhnt.


VI

Auch ich erliege den Versuchungen
Des dumpfen Darbens und der dunklen Süchte.
Ich fühle, wie ich Saaten in mir züchte,
Gespeist aus flammenden Verfluchungen.

Sie reifen. innen angefaulte Früchte:
Die Gier nach einem Löffel Milch und Schrot,
Nach Fleisch, Tabak, nach Butter, Brocken Brot,
Die Sucht nach mehr! Mich ekelt - und ich flüchte

In wahre und doch kranke Ehrlichkeit.
Wenn sich geringes Mehr mir bot,
Sie läßt es mir. Doch die Gefährlichkeit

Des Spiels: erwehre Dich mit List der Not!...
Bleib fest! Verachte die Begehrlichkeit!...
Bedroht mich täglich mit dem stumpfen Tod.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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