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Selbsthass
#1
Selbsthass

Der Ehrgeiz – mein einzger Freund,
Real getarnter Perfektionismus,
Die Welt, wo Leistung niemals wird Verdruss
Ein Freund, ja, der mich verleumd't

Eine falsche Entscheidung,
Das Leben nimmt einen anderen Lauf,
Man sagt: nimm es in Kauf! Die Angst im
Voraus schürt die Enttäuschung.

Suche nach Zufriedenheit,
Suche nach Ernsthaftigkeit,
treibt mich zur unmöglichen Mission.

So viele Möglichkeiten,
So viele Feinheiten,
zwingen mich zur Kapitulation.


Was meint ihr dazu?
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#2
Der Ehrgeiz, dem Sonett etwas herkömmliche Ästhetik zu verleihen, scheint nicht dein Freund zu sein. Aber wo Selbsthass ist, ist Gespaltenheit, also kann das Sonett in diesem Fall auch ein Stinkefinger an den Perfektionismus sein.

Ich nehme an, im zweiten Quartett beginnt der letzte Vers nur aus Versehen erst bei Voraus, das Kauf kann sonst nicht als Endreim dienen.

Die sprachliche Verdichtung in den Terzetten gefällt mir: 2x Suche nach + 2x So viele + -heit und -keit-Substantive, je einmal im Singular und Plural + treibt mich zur & zwingen mich zur.

Global gesprochen ist das Sonett eine gelungene Darstellung vom Leiden des Seins bzw. Handelns.
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#3
Grüß dich, SackZement,

was meinst du mit getarntem Perfektionismus?
Ehrgeiz, kommt von Ehre, die immer auf ihre Außenwirkung bedacht ist.
Umgekehrt würde es für mich mehr Sinn machen: Ein Perfektionismus, der nur getarnter Ehrgeiz ist.

Du scheinst dich auch nicht entscheiden zu können, ob du dein Thema objektiv (bzw. regflektiert) oder subjektiv beschreiben willst.
So eine unentschiedene Position würde ich nicht Selbsthass nennen, sondern bestenalls Selbstzweifel.

In Zeile 3 frage ich mich, warum Leistung denn Verdruß bringen sollte? Leistung bringt nie Verdruß, wohl aber die überzogene Leistungserwartung oder eine zu geringe Gegenleistung.

Soviel zum Inhalt.

Den mangelnden Formwillen hat Pumukel schon angesprochen.
Du hast weder ein durchgängiges Metrum genutzt, noch gleichmäßige Zeilenlängen.
Beides halte ich für mindestens ebenso wichtig für ein Sonett wie den Endreim.

Aber auch die Reime sind nicht sauber.
Freund / verleumd't ist klanglich ein minderschwerer Fall, aber die Verstümmelung von verleumd't ist keine natürliche Sprache. Das ist dir vermutlich selbst bewußt, aber ein Reim baut nicht allein auf den Gleichklang der letzten Silbe, sondern auf den Gleichklang ab der letzten betonten Silbe.

In diesem Sinne sind

Perfektionismus / Verdruss
Entscheidung / Enttäuschung
Zufriedenheit / Ernsthaftigkeit
Möglichkeiten / Feinheiten

keine Reime.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#4
erstmal danke für die Antworten Big Grin

Zum Inhaltlichen:
der getarnte Perfektionismus soll verdeutlichen, dass die Charaktereigenschaft des "Ichs" nach außen hin wie ganz normaler Ehrgeiz aussieht, was ja eigentlich eine positive Eigenschaft ist (kommt ja, wie du gesagt hast, von Ehre). Doch in Wirklichkeit ist es nicht nur Ehgeiz, sondern eine viel extremere, radikalere Form des Ehrgeizes, nämlich Perfektionismus. Da dies aber nach außen nicht ersichtlich ist, ist er getarnt.

Dass ich eine Mischung aus objektiver und subjektiver Beschreibung gewählt habe, ist Absicht.
Der Titel Selbsthass rührt aber nicht von dieser "Unentschlossenheit", sondern, dass es dem Ich nicht möglich ist, in seinem Leben zur Ruhe zu kommen und zufrieden zu sein und stattdessen enttäuscht ist. Dafür hasst es sich.

Mit Zeile 3 wollte ich sagen, dass in dieser Welt nur noch Leistung zählt.
Man hat sich, beonders in Schule und Arbeitswelt, von einem freundlichen, persönlichen Umgang entfremdet und es zählt nur noch, wie viel Leistung man bringt. Danach wird man gemessen und danach richtet sich das ganze Leben.

Zum Formalen:
Dass meine Form nicht überragend ist, bitte ich zu entschuldigen, dies ist mein erstes Sonett Wink. Dass da zu Beginn noch nicht alles klappt bzw. dass man da noch nicht auf alles achten kann, kommt denke ich bei jedem vor Wink.
Außerdem ist mir die Unsauberkeit meiner Reime teilweise gar nicht aufgefallen. Grade die Möglichkeiten und Feinheiten hielt ich für besonders schön Big Grin

Bzgl der Strophe 2 und dem Reim "in Kauf". Das war insofern beabsichtigt, damit die Silbenanzahl stimmt ;-). Dass das auf Kosten des Reims geht, der dann in die Mitte rückt, hab ich halt so hingenommen.

Wenn ich die Zeit finde, kann ich ja versuchen, es nochmal formal zu überarbeiten.

Aber schön, dass es dir zumindest inhaltlich gefällt, pumukelBig Grin
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#5
Hallo SackZement,

Unser Missverständnis beruht wohl auf der unterschiedlichen Bewertung des Begriffs "Perfektionismus". Grund genug einmal nachzuschlagen.

Das sagt Wikipedia dazu:

Perfektionismus (Psychologie

Zitat:Perfektionismus ist ein psychologisches Konstrukt, das versucht, interpersonelle Differenzen bezüglich des Strebens nach möglichster Perfektion und Fehlervermeidung zu erklären. Eine einheitliche Definition existiert nicht, stattdessen wurden durch die einzelnen Forschergruppen zahlreiche Facetten des Konstruktes herausgearbeitet.

Einigkeit besteht darin, dass Perfektionismus im Wesentlichen als ein Konstrukt mit Ausprägungen auf zwei Dimensionen aufgefasst werden kann: Perfektionistisches Streben und perfektionistische Besorgnis.

Die Dimension des perfektionistischen Strebens fasst u.a. die Eigenschaften hohe persönliche Standards zu verfolgen und Organisiertheit zusammen.

Die Dimension der perfektionistischen Besorgnis umfasst u.a. die Eigenschaften des Leistungszweifelns und Fehlersensibilität und aber auch Bewertungsängstlichkeit, besonders durch Eltern.

Dabei wird ein Perfektionismus mit einer hohen Ausprägung auf der Dimension des perfektionistischen Strebens und aber eine niedrige Ausprägung auf der Dimension der perfektionistischen Besorgnis als gesunder oder funktionaler Perfektionismus bezeichnet, wogegen eine hohe Ausprägung auf beiden Dimensionen mit einem ungesunden oder dysfunktionalen Perfektionismus in Zusammenhang gebracht wird.

Wenn schon die Experten keine einheitliche Definition haben, wundert es nicht, wenn wir als Laien aneinander vorbei reden. Sprachlich wäre es allerdings wünschenswert, wenn man einen eindeutigen, hier negativen Begriff fände.

Vielleieicht kann man was mit "Neurose" machen oder "Zwangsvorstellung" ect.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#6
ja, die Vorschläge sind ganz gut,
ich denke bei Gelegenheit überarbeite ich das Sonett nochmal
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