Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Ostermorgen
#1
Ostermorgen


Ein kühler Hauch berührt mich im Gesicht,
erfrischt, vibriert vom Klang der Vogellieder.
Allmählich fast erwacht, führt er mich wieder
heraus aus traumlos dunklem Schlaf ins Licht.

Es blendet mich. Zunächst. Und dann das Zimmer -
Wo bin ich? Seltsam. Alles ist vertraut
und anders, gleich als ob man Fremdes schaut,
geheimnisvoll gehüllt in Seidenschimmer.

Ich höre draußen meinen Namen rufen.
Weit offen steht die Tür, ein Farbenspiel
umfängt mich, plötzlich steige ich auf Stufen

befreit hinauf zu mir, zu meinem Ziel.
Der rief, er hat sich mir am Kreuz gegeben:
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.


© Friedrich
Wonach immer du im Leben suchst - du findest es in dir.
Melos Merulae - Friedrich
Zitieren
#2
Hallo Friedrich,

mit gewohnten Bildern und Reimen kommt das Sonett denkbar leicht daher, steigert sich gegen Ende aber deutlich.

Wie so oft, habe ich Priobleme den Text zu verorten.
Das mag an dem "Zimmer" liegen. Ein Zimmer ist für mich ein eher privater Raum. Da Lyrich gerade erwacht eben das Schlafzimmer, wo es dieses Lichterlebnis hat.
Gerade jetzt, wo nach langem und hartem Winter endlich der Frühling hereinbricht, zwar kein originelles aber passendes Bild. In den Terzinen kommt zum sinnlichen erleben die sakrale, spirituelle Dimension, angedeutet schon durch die Stufen und schließlich klar benannt durch den Christusbezug.

Was für mich nicht ganz stimmig ist, ist die Paarung von Zimmer und Stufen.
Es ist zwar klar, das dieser "Aufstieg" in erster Linie ein innerlich erlebter ist, aber ich fände es passender, wenn er seine Entsprechung auch im "realen" Ort hätte. Das muß keine Kirche oder Tempelanlage sein, da genügt ein Hügel auf dem du dem Licht entgegen gehst, bzw, genügt die Lichtmetapher auch alleine, ohne Aufstieg, wenn du der Frühlingssonne, dem Lebenserwachen entgegengehst.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
Zitieren
#3
Hallo ZaunköniG,

danke für Deine Rückmeldung. Deine Einwände haben Gewicht.
Zugrunde gelegt habe ich das Johannes-Evangelium nach der Einheitsübersetzung mit Fokusierung auf Kapitel 20 resp. 14.
Es sollte die Leichtigkeit einer Vision der eigenen "Auferstehung" rüberkommen, indem ich bewusst auf sprachlich einfache Mittel/Bilder zurückgegriffen habe.
ad Verortung: Das eigene "Zimmer" als intimster Raum, in dem ich mich wiederfinde und meine Projektion "hinaus" ins "All-Eine" als Evolutionsprozess hin zu sich selbst, dem Göttlichen, als Teil und Ganzes. Darum das Bild der Stufen. Ein Spiel mit "Gegensätzen" also.
Jetzt haben Deine Einwände aber sicher insofern Gewicht, dass ich leider dazu tendiere, wenn ich zu viel Vielschichtigkeit zusammenpacke, es oft für den Leser irritierend und unverständlich wird.
Für eine diesbezüglich Überarbeitung fehlt mir momentan aber die Zeit, so dass ich mir das erst nächste Woche durch den Kopf gehen lassen werde. Hinweise hast Du mir ja präzise gegeben.

LG Friedrich
Wonach immer du im Leben suchst - du findest es in dir.
Melos Merulae - Friedrich
Zitieren
#4
Hallo Friedrich,

Du schreibst einerseits, das du zu dir findest, andererseits, das Christus rief.
Setzt du den auferstandenen Christus also mit der inneren Stimme eines Christenmenschen gleich? quasi via Heiligem Geist?
Sich als Christ zu bekennen bedeuteutet, die Nachfolge Christi anzutreten, inklusive der eigenen Auferstehungserwartung, aber ob die Gleichsetzung in dieser Form theologisch haltbar ist?
Ist diese Gleichsetzung von dir beabsichtigt? Oder gehört diese Interpretationsmöglichkeit auch zu den Problemen deiner "Vielschichtigkeit"?

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
Zitieren
#5
Hallo ZaunköniG,

damit sind wir in medias res. Ja es gehört zur Vielschichtigkeit und es ist beabsichtigt. Die Gleichsetzung erfolgt insofern - sucht man den Ansatz in der chirstlichen Mystik - beispielsweise über das Bild der Teresa (Theresia) von Avila in ihrer Schift "Die Seelenburg". Hier wird die spirituelle Entwicklung des Menschen (der Braut) über sieben Stadien (Räumlichkeiten der Seelenburg) beschrieben, bis es im innersten Gemach zur heiligen Hochzeit mit Jesus Christus, einer geistigen Verschmelzung (Verbindung) kommt. Mit den Worten anderer Mystiker ausgedrückt, es zur Erlangung des Christusbewusstseins kommt. Dieser Aspekt war mir wichtig. Dies eröffnet aber eine weitere Fülle von Aspekten. Siehe dazu unsere Tenzone "Nebelfee" mit dem angeschnittenen Aspekt der Monaden.

LG Friedrich
Zitieren
#6
Mir leuchten diese Bilder unmittelbar ein. Gerade die plötzlich erscheinenden ungewohnten Stufen passen hier m.E. genau hin, denn in das Ungewohnte geht es ja.
Zum Metrum nur eine Anmerkung: im zweiten Quartett, Vs. 2, ist eine Hebung zu viel. Vorschlag:

Wo bin ich? Seltsam. Alles ist vertraut

oder

Wo bin ich? Alles ist doch wohlvertraut
Zitieren
#7
Hallo Sonettista,

Ja, die überraschung passiert, denn plötzlich entdeckt die Seele, dass das, was sie denkt (beabsichtigt), eine unmittelbare Wirkung hat.
Danke für den Hinweis, ich werde mir das noch überlegen, aber Deinem zweiten Vorschalag kann ich etwas abgewinnen.

LG Friedrich
Wonach immer du im Leben suchst - du findest es in dir.
Melos Merulae - Friedrich
Zitieren
#8
Ich habe mich doch zu ersterem entschlossen:

Statt V6:
"Wo bin ich? Seltsam. Alles ist hier doch vertraut
und anders, gleich ..."

Jetzt V6:
"Wo bin ich? Seltsam. Alles ist vertraut
und anders, gleich ...
"

Oben ist's schon Korrigiert.

LG Friedrich
Wonach immer du im Leben suchst - du findest es in dir.
Melos Merulae - Friedrich
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste
Forenfarbe auswählen: