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Zwielicht
#1
Das spät erwachte Licht verrint schon den in Gassen,
wo Schultern nackenhoch, die Ohren wärmend fassen.
Bestiefelt, kurz der Schritt, scheint jeder Weg jetzt weit.
Den Himmel streift kein Blick, in schattenloser Zeit.

So manche Stunde schlürft im Tee aus großen Tassen
in süsser Bitterkeit; Gedanken, die verblassen..
In engen Maschen hängt das Stillenetz bereit
und schneidet Raum und Herz aus toller Leichtigkeit.

In weißen Flocken fällt die Unschuld, still, vom Jahr.
Im Feuer knistert Holz und weite Blicke fragen
nach einem Weg in´s Weiss; nach Bleiben oder Wagen.

Was ist Vergangenheit? In jeder Tat bleibt wahr,
was mich zu Neuem treibt und mal ein Anfang war.
Im Bangen Hoffnung bleibt, wie Fernweh leuchtend klar.
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#2
Hallo gitano,

In Deiner Begrüßung hast du von "einer Menge Unsinn" gesprochen?
Solches Understatement hielt ich eher für hanseatisch als andalusisch.

Metrisch zumindest ist das ein sauberes Sonett.
Nicht 5-hebig wie es manche Puristen fordern, aber mir genügt es, wenn das selbst gewählte Metrum über 14 Zeilen durchgehalten wird.

Zu einigen Stellen habe ich dennoch ein paar Fragen / Vorschläge:


In Zeile 1 fehlt mir der Artikel zu "Gassen".
Mein Vorschlag:
verrint schon in den Gassen,


"So manche Stunde schlürft im Tee aus großen Tassen"

Die Tassen sind also im Tee?
Ist das ein Tippfehler -> den Tee, oder meinst du etwas ganz anderes, wo ich im Moment nicht hintersteige?

Zitat:In weißen Flocken fällt die Unschuld, still, vom Jahr.
Im Feuer knistert Holz und weite Blicke fragen
nach einem Weg in´s Weiss; nach Bleiben oder Wagen.

Wenn du die weißen (Schnee-)Flocken mit Unschuld assoziierst, klingt das eher idyllisch. Was gibt es denn da zu wagen?


"Im Bangen Hoffen bleibt,"
Du verwendest hier zwei substantivierte Verben. Auch wenn du kein Komma gesetzt hast, verführt das zunächst, sie als Aufzählung zu lesen.
Hier würde ich "Hoffen" durch "Hoffnung" ersetzen.

Und noch etwas grundsätzliches zu deiner Schreibweise:

Wenn das Satzende regelmäßig mit dem Versende zusammenfällt, wirkt ein Gedicht leicht etwas hölzern. Der Effekt ist bei dir nicht so stark, da du relativ lange Zeilen hast. Aber versuch doch mal das eine oder andere Enjambement einzubauen.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Hallo Zaunkönig!
So schnell hätte ich gar nicht mit einer Antwort gerechnet! Vielen Dank!

Zitat:In Deiner Begrüßung hast du von "einer Menge Unsinn" gesprochen?
Solches Understatement hielt ich eher für hanseatisch als andalusisch.
stimmt! ...muß mich manchmal zügeln, hanseatisch ist da nicht die schlechteste Art und Weise!

Zitat:Metrisch zumindest ist das ein sauberes Sonett.
Nicht 5-hebig wie es manche Puristen fordern, aber mir genügt es, wenn das selbst gewählte Metrum über 14 Zeilen durchgehalten wird.

Es sind Alexandrinerverse, wie sie zu Beginn des 17 Jhd. in Frankreich und Deutschland für Sonette benutzt wurden...nach Oppitzens Metrikreform (von Optz, Gryhius etc.). Ich finde die Möglichkeiten der Gegenüberstellung von Gedanken (wg Zäsur) in einem Vers, spannend. Ich weiß, dass sie nicht dem Perarcastil entsprechen. Mir passieren zwar immerwieder mal ein paar Schussligkeiten -aber metrisch alternierend zu schreiben klappt schon halbwegs gut.

Zitat:In Zeile 1 fehlt mir der Artikel zu "Gassen".
Mein Vorschlag:
verrint schon in den Gassen,

werde ich wohl so übernehmen, leider muß das "früh" dann raus..

Zitat:"So manche Stunde schlürft im Tee aus großen Tassen"

Die Tassen sind also im Tee?
Ist das ein Tippfehler -> den Tee, oder meinst du etwas ganz anderes, wo ich im Moment nicht hintersteige?

schlürfen= eine langsame Gangart (fast trotten), bei der die Füße nicht so hoch gehoben werden, das sich der Fuß vom boden löst, die Schuhe schlürfen am Boden entlang. Wenn eine Stunde schlürft= sie geht langsam..mit entsprechenden Geräuschen.

Zitat:Wenn du die weißen (Schnee-)Flocken mit Unschuld assoziierst, klingt das eher idyllisch. Was gibt es denn da zu wagen?
ins Weiss zu gehen
Weiss als Neues, Unbekannte, nie Betretene...aber auch ein neues Jahr, Schnee, Eis...

Zitat:"Im Bangen Hoffen bleibt,"
Du verwendest hier zwei substantivierte Verben. Auch wenn du kein Komma gesetzt hast, verführt das zunächst, sie als Aufzählung zu lesen.
Hier würde ich "Hoffen" durch "Hoffnung" ersetzen.

Danke werde ich gern übernehmen!

Zitat:Und noch etwas grundsätzliches zu deiner Schreibweise:

Wenn das Satzende regelmäßig mit dem Versende zusammenfällt, wirkt ein Gedicht leicht etwas hölzern. Der Effekt ist bei dir nicht so stark, da du relativ lange Zeilen hast. Aber versuch doch mal das eine oder andere Enjambement einzubauen.

Da hast Du völlig recht! Zur Entstehungszeit dieses Textes habe ich nur über ein zwei Versgrenzen/Sprechabschnitte gedacht -und dies merkt man dem Text dann auch deutlich an. Es fehlt das Fließende, dass dann auch ein wichtiger Träger für den Klang ist

Auch jetzt tu ich mich noch etwas schwer mit dem Emjambement...Stuppst mich ruhig mit der Nase drauf!

Danke für Deine schnelle Reaktion und Deine Hinweise!
Liebe Grüße
gitano
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#4
Zitat:Es sind Alexandrinerverse, wie sie zu Beginn des 17 Jhd. in Frankreich und Deutschland für Sonette benutzt wurden...nach Oppitzens Metrikreform (von Optz, Gryhius etc.). Ich finde die Möglichkeiten der Gegenüberstellung von Gedanken (wg Zäsur) in einem Vers, spannend.

Diese Gegenüberstellung ist besonders bei Gryphius stark ausgeprägt. Auch Angelus Silesius nutzt die Eigenheiten des Alexandriners vorbildlich:

Zitat:Blüh auf, gefrorner Christ, der Mai ist vor der Tür:
Du bleibest ewig tot, blühst du nicht jetzt und hier.


In deinem Vers sehe ich aber diese Gegenüberstellungen so nicht.
Inhaltlich hast du sie zwar gleich in Zeile 1, aber gerade dort ist kaum eine Zäsur spürbar. GSilesius arbeitet da mit kurzen Hauptsätzen, so daß nach der 3 Hebung automatisch eine Pause gemacht wird.

"Das spät erwachte Licht" ist aber kein Hauptsatz, so daß man die Zeile ohne Zäsür weiter liest.
Ich sehe das nicht als Mangel in deinem Gedicht, nur weil du die Zäsuren angesprochen hast.
Das "früh" ist hier überflüssig. Das wird auch durch das "schon" ausgedrückt.

Zitat:schlürfen= eine langsame Gangart (fast trotten), bei der die Füße nicht so hoch gehoben werden, das sich der Fuß vom boden löst, die Schuhe schlürfen am Boden entlang. Wenn eine Stunde schlürft= sie geht langsam..mit entsprechenden Geräuschen.
Das mag regional unterschiedlich sein, aber ich kenne das als "schlurfen" ohne Umlaut. Das ist aber nicht das Hauptproblem: Es ist immer gefährlich, ein Wort figurativ zu verwenden, wenn sich eine wörtliche Lesart aufdrängt. Hier der Tee, der das Begriffsfeld trinken eröffnet.
Bei Lautmalerischen Begriffen wie diesen hat man allerding manche Freiheit. Du könntest auch "schlurrt" sagen, um Verwechslungen vorzubeugen.

Zitat:Weiss als Neues, Unbekannte, nie Betretene...aber auch ein neues Jahr

Unbekanntes, kann auch Risiko-behaftet sein, aber dieses Risiko assoziiere ich nicht beim Begriff "Weiß" und beim Neuen Jahr habe ich auch nicht wirklich die Wahl zu bleiben.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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