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wenn Sie Cello spielt
#1
Bestreiche dieses Zittern in der Schwebe,
vibriere diesen Ton in mir wie Weinen.
Von Scherben flattern, - die sich nie vereinen -,
Erinnerungen wie ein Schmerzgewebe.
Ich bin sein Körper - Heim der Echowege.
Vibrato, siehst Du jetzt die lange Leinen
zu Bildern meiner Liebe? Ich wollte meinen,
Du kennst sie auch. Wenn ich es erlebe

was in Ihr lebt. Es bebt das Unerfüllte
in Ihr auf – kennt das Sehnen von Momenten.
Mein ganzes Leben seufzt in einem Ton
- wenn Sie so streicht, - als ob es sich enthüllte.
Es heilt im Saitenschwingen - aus Fragmenten -
so zwischen einem und dem nächsten Ton.
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#2
Hallo Gitano,

da hast du dir ja ein geradezu klassisches Bild ausgesucht.
Ich mag es, habe aber doch einige Kleinigkeiten gefunden, die in meinen Augen nicht ganz stimmig sind:


Du beginnst mit einem Imperativ. Aber an wen richtet sich die Aufforderung?

Das Cello selbst kann es ja nicht sein. "Sie", die es spielt aber auch nicht, da du sie auch im Textkörper in der dritten Person einführst. (Zeilen 9 + 10) Ich habe auch nach mehrmaligem Lesen keine Ahnung, wer das angesprochene Du ist.

Zeile 2: "Vibrieren" ist für mich ein rein passives Verb. Aktiv jemanden zu vibrieren klingt für mich seltsam.
Da würde ich eher apostrophieren: Lass diesen Ton in mir vibrier'n wie Weinen.

"Scherben flattern, die sich nie vereinen" ist an sich ein inmteressantes Bild, aber es widerspricht der Heilung in Zeile 13.

Die Leinen in Zeile 6 sind vermutlich reimgeschuldet und sollen das Schmerzgewebe nochmal aufgreifen.
Bei Leinen denke ich aber eher an Hundeleinen o. ä. jedenfalls einzeln, ohne das sie ein Gewebe bilden.
"An der langen Leine" ist für mich synonym mit einer nur losen , nicht mit einer weitreichenden Verbindung.
Wenn du die Leinen des Vierfachreimes nicht aufgeben willst, wäre zu überlegen, ob du zumindest ein anderes Attribut nutzt:
straffen Leinen etc...

In Zeile 7 würde ich wollte durch will ersetzen, damit du im Takt bleibst. Ein Verb wie "meinen" muß man nicht zusätzlich in ein Konjunktiv-Satz betten. Ebenso hast du in Zeile 8 eine Silbe zu viel: Das "es" könnte man wohl problemlos streichen.

Zitat:Wenn ich es erlebe
was in Ihr lebt.

ist zudem kein vollständiger Satz, da mußt du also ohnehin noch etwas basteln.

Auch Zeile 10 ist für mein Ohr falsch betont. Mein Vorschlag:
...Es bebt das Unerfüllte
in ihr. Sie kennt...


Liebe Grüße
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Hallo Zaunkönig!
Danke für Deine Hnweise!
Ich gehe da noch mal ran.
Die Leinen waren so gemeint, dass sie aus der gegenwart heraus mit den Scherben und den Echos des Schmerzes verbunden sind.
...also wie im Leben auch. man kann soetwas ja nicht einfach ablagern ohne jegliche Verbindung.
Beim Hören des Tones werden diese Leinen wieder Spürbarer -bis hin zu den Scherben/Echos.

Der Imperativ in Z1 sollte den Ton selbst meinen, der gerade erklingt. Bischen unklar anscheinend.
Also werde ich die Blickebenen nochmal neu konturieren-wenn nötig auch beschneiden.

Den Reim zu "Leinen/meinen" hatte ich eigentlich bewußt gewählt. Es gäbe eine Menge anderer Möglichkeiten.
aber wenn es zu "konstruiert " rüber kommt ist dies auch nicht so toll.

Danke auch für die Hinweise zu den Metrikhopsern - die schleichen sich manchmal ein wenn ich nach dem Entwurf ändere oder dann doch einer anderen Idee nachgehe.

Dankeschön und bis bald!
gitano
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#4
Zitat:Der Imperativ in Z1 sollte den Ton selbst meinen, der gerade erklingt. Bisschen unklar anscheinend.

Der Ton soll also den Ton in dir vibrieren? Nee, darauf wäre ich wirklich nicht gekommen.
Oder hast du im Zweiten Satz schon wieder ein anderes Du?

Na ich warte erstmal deine Bearbeitung ab.


LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#5
Lieber Zaunkönig!
Ich hoffe, daß die Ebenen jetzt klar und logisch geordnet sind.
Die Reime habe ich mir auch nochmal vorgenommen, die Bilder von "unnötigen Verstrickungen" entschlackt.
Ich selbst habe das Gefühl, daß diese Version um Längen besser geworden ist als die Erste. Die Bilder sind mehr MEINS als in der ersten Version.
...auch wenn ich in S1 gleich in die "Vollen" gehe.

Ich habe versucht, Deine Kritiken Punkt für Punkt zu beherzigen.
Sollte es sich mal fügen, daß ich wirklich ein Sonett halbwegs passabel hinbekomme, werde ich mich auch mal an Nachdichtungen (spanische) trauen. Vorher macht es wenig Sinn - so glaube ich.



Dabei fällt mir noch eine Frage ein: Woher hast Du diesen unheimlich tollen Fundus an Sonetten? Eines schöner als das andere!
Ich würde gern aus diesem Fundus genießen und lernen.

Wenn Du Cello spielst

Erinnerungen wie ein Schmerzgewebe,
von Scherben flatternd die sich nie vereinen,
vibriert noch dieser Ton in mir - wie Weinen.
Er flirrt im Hin und Her um eine Schwebe.
Ich bin sein Körper – Heim der Echowege,
die in Elipsen klagend, ziellos scheinen,
wie schnelle Striche auf vergilbten Leinen.
Ein Bilderzeitenklang, in dem ich lebe,

als sei er heute noch… Das Unerfüllte
erzittert sich ein Bleiben in Momenten.
Als streifte es nochmal durch wilden Mohn
in Deinem Spiel – als ob es mir enthüllte –
wieviel Du ahnst von Wegen aus Fragmenten.
So zwischen einem und dem nächsten Ton…

Ich denke daß der Blick nach außen, -also raus aus der Melancholieschleife hin zum Empathischen der Sie - auch ein Stück Hoffnung ausdrückt.

Sollte Dir diese Version auch besser gefallen, fällt natürlich auch Dir ein Dankeschön zu!
Ohne Deine Kritiken bin ich Moment anscheinend noch nicht in der Lage auf anHieb ein akzeptables Sonett zu schreiben - obwohl ich es liebe!°
Vielen Dank für die "mentorische" Hilfe
gitano
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#6
Hallo Gitano,

Ich wollte Dir gerade ausführlicher antworten, da sehe ich, daß du auch die zweite Version schon wieder überarbeitet hast. Manches hat sich damit schon wieder erledigt.
Deine Neuer Version gefällt mir auf jeden Fall deutlich besser.

Einen Punkt hab ich allerdings noch: Und zwar denke ich bei Ellipsen zunächst an die geometrische Figur, analog zu Wendungen wie, "Meine Gedanken drehen sich im Kreis" o. ä., Es ist die gebräuchlichste und auch bildhaftere Bedeutung des Wortes und hat mich beim Lesen zunächst verwirrt. Vielleicht geht es auch nur mir so. Vielleicht kann da noch jemand eine zweite Meuinung abgeben?

Das Leinen als Malgrund passt nun besser zum Gewebe, das hast du gut gelöst.
ich kann es jetzt nicht begründen, aber ich würde das Leinen wohl ins Singular setzen:
auf vergilbtem Leinen. Aber das ist ja kein großes Ding.


Was meinst du mit meinem Fundus?
Meine eigenen Sonette und Übersetzungen oder das Archiv?
Den deutschen Teil des Archives habe ich tatsächlich größtenteils selbst abgetippt. Es gibt so unendlich viel Dichtung, wenn man sich etwas umschaut.


LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#7
Hallo Zaunkönig!
Ich habe das Leinen in den Singular geändert.
Nach einigen Befragungen in anderen Foren bestand man auf das Beibehalten der "Elipsen, die klgend ziellos scheinen" (Z6)
alternativ hätte ich da noch:
die im Lamento fragend
Lamento ist ja ein musikalischer Begriff und bedeutet Klage oder auch klagend
.Der bezug zum nachfolgenden Leinenmalbild ist dann aber wieder schwächer.
Also bleibst es erst mal bei den Elipsen.

In einer anderen Überarbeitung hatte ich versucht eine andere conclusio anzustreben:
Scherben>Zeit>Mosaik

Nachfolgend mal beide Versionen:

I

Erinnerungen wie ein Schmerzgewebe,
von Scherben flatternd die sich nie vereinen,
vibriert noch dieser Ton in mir - ein Weinen.
Er flirrt im Hin und Her um eine Schwebe,
ich bin sein Körper – Heim der Echowege,
die in Elipsen klagend ziellos scheinen,
wie schnelle Striche auf vergilbtem Leinen.
Ein Bilderzeitenklang, in dem ich lebe,

als sei er heute noch… Das Unerfüllte
erzittert sich ein Bleiben in Momenten.
Als streifte es nochmal durch wilden Mohn
in Deinem Spiel – als ob es mir enthüllte –
wieviel Du ahnst von Wegen aus Fragmenten.
So zwischen einem und dem nächsten Ton…


II

Erinnerungen wie ein Schmerzgewebe,
von Scherben flatternd die sich nie vereinen,
vibriert noch dieser Ton in mir - ein Weinen.
Er flirrt im Hin und Her um eine Schwebe.
Ich bin sein Körper – Heim der Echowege,
die im Lamento kreisend, ziellos scheinen,
wie schnelle Striche auf vergilbtem Leinen.
Und Glimmer fügt sich in die Zeitenstege

als sei das Gestern noch… Das Unerfüllte
erzittert sich ein Bleiben in Momenten.
Als streifte es nochmal durch wilden Mohn
in Deinem Spiel – als ob es mir enthüllte –
hebst Du mein Mosaik aus den Fragmenten.
So zwischen einem und dem nächsten Ton…

Die bisherige Leserschaft neigte mehr zur Fassung I
Fassung II ist meiner Meinung nach schließender.
Ein Teil der Leser konnten gar nix mit dem Text anfangen, erkannten es nicht als Sonett.

Liebe Grüße
gitano
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#8
Hallo Gitano,

Zitat:Nach einigen Befragungen in anderen Foren bestand man auf das Beibehalten der "Elipsen, die klgend ziellos scheinen" (Z6)

Das hängt natürlich von den Alternativen ab.

Meine Kritik zielte auf den bildlichen Widerspruch zwischen Ellipsen und schnellen Strichen, der wird allerdings nicht aufgelöst wenn du das Lamento kreisen lässt. Im Gegenteil wird der Widerspruch dadurch noch zementiert, da jede Zweideutigkeit entfällt.

Es freut mich für dich, daß du anscheinend mehrere Antworten bekommen hast. Wichtiger als das letztliche Votum fände ich allerdings die Begründung. Denn nur dadurch erfährst du ob ein gut aufgenommener Text auch in deiner Intention aufgenommen wurde.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#9
Hallo Zaunkönig!
Ich hoffe es langweilt Dich nicht allzusehr bei dem Ringen um meinen Text reinzuschauen.
Ich habe Deine Kritik halbwegs verstanden und eine kann eine Lösung einbringen:

Wenn Du Cello spielst...

Erinnerungen wie ein Schmerzgewebe,
von Scherben flatternd die sich nie vereinen,
vibriert noch dieser Ton in mir - ein Weinen.
Er flirrt im Hin und Her um eine Schwebe,
ich bin sein Körper – Heim der Echowege,
die noch in Schlingen klagend ziellos scheinen,
wie schnelle Schleifen auf vergilbtem Leinen.
Ein Bilderzeitenklang, in dem ich lebe,

als sei er heute noch… Das Unerfüllte
erzittert sich ein Bleiben in Momenten.
Als streifte es nochmal durch wilden Mohn
in Deinem Spiel – als ob es mir enthüllte –
wieviel Du ahnst von Wegen aus Fragmenten.
So zwischen einem und dem nächsten Ton…

Meine Gedanken insbesondere zu Z6/7

Schlingen /Schleifen zeigen eine größere Übereinstimmung als
Elipsen / Striche

und:
Ich bin die doch etwas abstrakt klingenden "Elipsen" los, die in einem "Klinggedicht" etwas sperrig wirken -obwohl Elipsen schon sehr interessant sind.

aber:
-Schlingen/Schleifen indendieren wie eine liegende Acht das Zeichen für Unendlichkeit
-sie sind als Kurven-Gebilde in sich geschlossen(kreuzen sich sogar) - also auch ohne Anfang und Ende - wie die Elipsen
-das "noch" in Z6 zeigt schon hier eine mögliche Veränderung an
-"schnelle" wollte ich in Z7 erhalten, weil: das Vibrieren schnell ist, weil es den Schlingen etwas Eilendes gibt, weil die schnellen Schleifen eine Dynamik transportieren und im Bild stimmig sind :Wohin solls gehen?
-die "Schlingen" in Z6 haben zudem etwas Bedrohliches (intendiert die Möglichkeit des "sich enger ziehenden")
-klanglich /phonetisch wird es weniger hart - aber die Zischlaute stehen im Einklang mit Schleifen/Schlingen
-durch diese Lösung gibt es auch keine neuen Konflikte zu anderen Textstellen/-bildern.

Nachteil:
Zweifel, ob schnelle Schleifen nach Schlingen (2x "sch" in einer Zeile, 3x in 2 Zeilen) klanglich nicht zuviel wird
notfalls muß "schnelle" noch geändert werden. Ein passendes Adjektiv oder Attribut würde sich fnden. Ist jedenfalls nicht so schwer wie die Stimmigkeit des Bildes in Einklang zu bekommen.

Was hat mich drauf gebracht?
Die Bögen waren es!
Ich habe mich gefragt welche geschlossene Formen von Bögen gibt es noch?
Ovale etc.

Was stand noch zur Wahl?:
Für "Striche" in Z7:
Streifen, Bögen, Fluchten, Strecken, Federzüge, Fetzen, Federzüge

Für "Elipsen" in Z6:
Kurven, Kehren, Gipfel, Schleifen, Schlingen, Achten

Z13: Mosaik
Die Conclusio:
Scherben>Zeitenglimmer> Mosaik habe ich aufgegeben. Ich selbst fand sie zwar schlüssig, aber die überwiegende Zahl der Kritiker fand sie eher etwas Konstruiert...von daher jetzt eher etwas offener.

Liebe Grüße zu Dir und wie immer Danke für Deine hilfreichen Hinweise!
gitano
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#10
Hallo Gitano,

wie wäre in Z 6/7 statt Schlingen / Schleifen --> Schleifen / Schlieren?
Das Bedrohliche der Schlingen wäre weg, und die Schlieren betonen nochmal wie undeutlich der Eindruck ist. Keine scharfen Umrisse, nur Farbe und Bewegung.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#11
Hallo Zaunkönig!
Danke für Deine Idee!
Schlingen möchte ich als bedrohlich in Z6 behalten, daß macht sich gut im Sinne des Textes.
Die Erinnerungen, von denen eine Bedrohung ausgeht...sehr fein.
Für Z7 übernehme ich ich gern Deinen Vorschlag "Schlieren". Dies gibt auch einen schönen langen Laut im Sinne von Erinnerungen.
Ein paar Änderungen in Z1 bis 3 machen es jetzt stimmiger, weilich näher am Vibrato als Sinnbild des Schmerzes dranbleibe.
Solangsam wird es jetzt auch dichter und stimmiger. Die Conclusio wurde damit auch gestärkt.
Die Plattitüde "Scherben" bin ich damit los.
Und so nach und nach gefällt es mir immer besser.
Ich habe bei der Textarbeit ne Menge gelernt.

Erinnerungen wie ein Schmerzgewebe,
in Tönen flatternd die sich nie vereinen
und als Vibrato in mir leise weinen.
Es flirrt im Hin und Her um eine Schwebe,
ich bin sein Körper – Heim der Echowege,
die noch in Schlingen klagend ziellos scheinen,
wie lichte Schlieren auf vergilbtem Leinen.
Ein Bilderzeitenklang, in dem ich lebe,

als sei es heute noch… Das Unerfüllte
erzittert sich ein Bleiben in Momenten.
Als streife es nochmal durch wilden Mohn
in Deinem Spiel – als ob es mir enthüllte –
wieviel Du ahnst von Wegen aus Fragmenten.
So zwischen einem und dem nächsten Ton…

Vielen Dank für Deine Hilfen !
Liebe Grüße
gitano
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