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Vollkommenheit
#1
Vollkommenheit
- Eine Hommage an Hegel und J.S.Bach

Der Perfektion Sinn besteht nur um seiner selbst willen, das Wort,
Den reinen Geist zu unterstützen, denn in der Reinheit der Ratio
Sind alle Zustände an sich manifest und unverfälscht sine dubio.
So ist denn die Vollendung des Wortes allein des reinen Logos Port.

Doch scheint die Makellosigkeit der Vernunft nur extra vitam.
Ist sie nicht des Geistes leeres Versprechen,
Die Grenzen des Anders-Seins zu durchbrechen?
So ist denn der Zustand der Menschen nur ein Zufall ad naturam.

Ergo die absolute Vollkommenheit doch einzig und allein
Nur in der Verschmelzung von Logos und Mythos erschein',
Denn so ist der absolute Geist an und für sich bravourös.

Das ist der Kern der Welt: die Vereinigung von Geist und Seele.
Doch dies nicht in der Endlichkeit denn in der Ewigkeit erreichte
Die absolute Existenz. Nam, homo, quod ibi factum est.
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#2
Hallo und herzlich Willkommen,

Ein philosophisches Sonett ist ja recht ambitioniert für den Einstieg, aber warum nicht.

Die vielen lateinischen Begriffe und Wendungen sollen anscheinend den Hegelschen Sprachgebrauch imitieren, machen den Text aber schwerer verständlich. Obwohl ich auch als Nicht-Lateiner die meisten Worte kenne und mir den Rest aus dem Zusammenhang erschließen kann, so stockt doch immer wieder der Lesefluss.
Ein Problem besteht auch in der korrekten Betonung. Zwei aufeinander folgende Vokale werden im Latein in der Regel getrennt gesprochen, einen geläufigen Begriff wie Ratio würde ich im ersten Anlauf aber zweisilbig "deutsch" betonen (Raz-jo) womit es dann kein sauberer Reim mehr auf dubio wäre, zudem sollte ab der letzten betonten Silbe gereimt werden.
Schade auch daß du so völlig unmetrisch arbeitest.
es muß ja nicht immer der fünffüßige Jambus sein, aber hier kann ich überhaupt keine Regelmäßigkeit feststellen, auch nicht den Versuch. Schade um so mehr, wo Vollkommenheit doch dein Thema ist.

Inhaltlich ist mir der Bezug zu Hegel und Bach nicht ganz klar.
Das ist zunächstmal meine Bildungslücke, aber ein Gedicht sollte auxch nicht allzu viel spezialwissen voraussetzen.

Mit Vollkommenheit bzw Idealen haben sich auch andere Philosophen beschäftigt und mit Bach kann ich in dem Kontext überhaupt nichts anfangen.
Beziehst du dich auf eine Korrespondenz zwischen den beiden?

Liebe Grüße

ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Vielen Dank für das Willkommensgeheiß und diese ausführliche erste Antwort!

Ich komme gleich zur Sache und werde Dir auf einige Aspekte antworten und Einiges erläutern:

Latein habe ich mit eingearbeitet, weil es für mich die vollkommenste und prägnanteste Sprache ist. Ich bin eine angehende Latein-Studentin und somit ziemlich latein-liebend. Außerdem sah ich damit die reinen Reime gesichert, denn normalerweise bin ich kein Fan des Reimes, und Latein hat mich dazu gezwungen, mich an das Reimschema zu halten.
Du hast Recht, zwei aufeinander folgende Vokale werden als Diphtonge gesprochen, also hat "ratio" drei Silben, genau wie "dubio" (ra-ti-o, du-bi-o) also passt es.
Ein weiterer Grund für mich für die Verwendung des Lateinischen ist die Tatsache, dass viele Philosophen mit ihm gearbeitet haben und in dieser Sprache geschrieben haben. So liest man zum Beispiel bei Kant viele lateinsiche Wenidungen (a priori, a posteriori, ratio, logos...), Descartes schreibt seine Meditationes gänzlich auf Latein, obwohl er ein Franzose ist, und auch Hegel macht von dieser Sprache gebrauch. Seit Cicero und Seneca ist Latein neben Griechisch die Sprache der Philosophie.
Wie Du also merkst, schreibt hier auch eine angehende Philosophie-Studentin.^^
Dann habe ich mich auch noch von den Sonetten des deutschen Barock-Zeitalters inspirieren lassen, welchen bekanntermaßen ja Vergänglichkeit, Seelenheil und Vollkommenheit thematisieren.

Bei dem Versmaß muss ich Dir leider zustimmen. Ich habe es lange versucht, meine Gedanken in den Alexandriner zu zwängen, doch ist es mir leider noch nicht gelungen. Ich muss auch zugeben, dass es mein erstes Sonett ist, und ich schon auf diese Version dessen sehr stolz war. Vielleicht hast Du ja ein paar Ratschläge, wie ich das Versmaß miteinbeziehen kann.

Der inhaltliche Bezug lässt sich insofern feststellen, dass ich eine feurige Verehrerin Hegels, Kants und Bachs bin.
Hegel hat eine Art und Weise zu formulieren und zu philosophieren, die einfach in sich so stimmig und vervollkommt ist und gleichzeitig so in ihrer Sprache so wundervoll klingt, dass er mich inspiriert hat. Außerdem hat Hegel das Verfahren der Synthese in seine Philosophie besonders eingearbeitet. Und da ein Sonett bekanntlich aus These, Antithese und Synthese besteht, wollte ich mich auch auf Hegel beziehen. Denn letztlich thematisiert mein Gedicht folgendes: die These ist der Geist, die Antithese der Körper, und die Synthese ist die Verschmelzung von Geist und Körper in der Ewigkeit. Und das ist unter anderem Hegel'sches Gedankengut.
Kant ist auch ein Meister der Sprache und der Formulierung. Er versteht es, einen Satz in ein Haus zu verwandeln mit einzelnen versteckten Erkern, Nischen und Balkonen, ohne sich grammatikalisch zu verirren. Er denkt seine Philosophie so konsequent abstrakt und theoretisch, dass man kaum einen Fehler entdecken kann.
Zu allerletzt kommt nun der liebe Johann Sebastian Bach hinzu. Er ist mein Lieblingskomponist und begleitet mich eigentlich ständig. Bei ihm lässt sich der inhaltliche Bezug daraufhin rechtfertigen, dass er ein Meister der kompositorische Vollkommenheit ist. So nehme man seine "Kunst der Fuge" oder sein "Musikalisches Opfer". Beide Werke beschäftigen sich mit der mathematischen (zum Beispiel das Prinzip des "Goldenen Schnitts", das Möbiusband, die Endlos-Schleife und andere mathematische Gesetze und Überlegungen), akustischen und ästhetischen Vollkommenheit der Fuge und des Kanons, meist beziehen sich alle Teilstücke auf nur ein einzelnes Thema, welches sich durch das gesamte Werk hindurch wie ein roter Fanden zieht. Außerdem hat Bach zum Ende seines Lebens hin keine neuen Werke mehr komponiert, sondern Altes "nur" noch bis zur Makellosigkeit überarbeitet, um Gott durch Perfektion zu loben.
(Bach und Hegel können nicht in Korrespondenz zueinander gestanden haben, denn Hegel ist zwanzig Jahre (1770) nach Bachs Tod (1750) geboren.)
Ich denke, ein philosophisches Gedicht wendet sich an den Personenkreis der Philosophen und denen, die sich damit beschäftigen, und diese sollten sich in diesem Themengebiet auskennen.

Ich hoffe, das war jetzt nicht zu überladen an Informationen, und einigermaßen anschaulich.

Liebe Grüße,
Poetosophin
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#4
Liebe Poetosophin

Könnte es sein, dass dieser Satz unbeabsichtigt war: "Doch dies nicht in der Endlichkeit denn in der Ewigkeit erreichte
Die absolute Existenz." (Z. 13f.)?

Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass eine Person, weche sich mit Kant & Hegel auskennt, grosse Freude an diesem Gedicht hat. Die beim Sonett nicht unübliche Verdichtung von Sprache und Inhalt hat hier wohl zugeschlagen und gerade diese Konzentriertheit von zentralen Konzepten und vertrauten Aussprüchen hat wohl ihren Charme.

Ein kleiner Gedanke zur These-Antithese-Synthese-Geschichte: Manchmal ist am Anfang des Gedichts ein grosser, ergreifender Gedanke, mensch setzt sich hin und beginnt zu schreiben. Wenn er dann noch nach formalen Zielsetzungen strebt, hat er sein Werk um eine Synthese bereichert, und nicht bloss die gedankliche ausformuliert.

In diesem Sinne Herzlich Willkommen. Ich glaube, hier ist man als "Anfänger" (so wie ich) mit fairen und konstruktiven Kritiker_innen recht verwöhnt.
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#5
Hallo Poetosophin,

in Punkto Versmaß liegt leider einiges im Argen, Zaunkönig hats ja auch schon angemerkt. DAs ist jedoch eine Sache der Übung. Ich selber habe keinerlei Bezug zu Philosophie, von daher zündet das Thema auch nicht richtig bei mir. Als kleine Anregung re Versmaß schau dir einfach das NAchfolgende an. WEnn ich dabei zuviel gekürzt habe, dann ärger dich bitte nicht, das Thema ist mir fremd.


Die Perfektion gibts deshalb nur, das Wort
den Geist zu stützen, in der Ratio
ist alles manifest und sine dubio,
das Wort vollendet sich in Logos' Port. (

Ich nehme an mit Port ist portus gemeint, bzw. das alte deutsche Wort für Hafen? Latein ist mir nicht mehr geläufig, jedenfalls nicht flüssig, ist zu lange her. Aber zur Not kann ich mich durchbeißen. Und wenn die Kürzungen den philosophischen Sinn nicht mehr tragen, dann kick sie in die Tonne. Sollte nur eine Illustration sein, nicht mehr

Gruß

Sneaky
Never sigh for a better world it`s already composed, played and told
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#6
Liebe Poetosophin,

Zitat:zwei aufeinander folgende Vokale werden als Diphtonge gesprochen, also hat "ratio" drei Silben, genau wie "dubio" (ra-ti-o, du-bi-o) also passt es.
Das wäre in einem rein Latein-Text wohl schlüssig, sofern sie letzte Silbe einen Akzent trägt. Aber in einem gemischtsprachlichen Text gibt es eben verschiedene Lesarten, oder würdest Du auch "Perfektion" mit Diphtonge sprechen? Als Rednerin kannst Du dir sowas erlauben, aber schriftlich übermittelt sollte die Betonung eindeutig sein. In diesen und anderen Zweifelsfällen würde ein festes Metrum dem Leser Sicherheit geben.

Zitat:Denn letztlich thematisiert mein Gedicht folgendes: die These ist der Geist, die Antithese der Körper, und die Synthese ist die Verschmelzung von Geist und Körper in der Ewigkeit. Und das ist unter anderem Hegel'sches Gedankengut.

Die Synthese irdischer Unzulänglichkeiten zu jenseitiger Vollkommenheit könnte man aber genauso christlichen Mystikern wie Abelard oder Eckard zuschreiben, das ist nicht originär Hegel, ebenso ist die Verbindung von Mathematik und Musik bildungsbürgerliches Basiswissen seit Pythagoras, außerhalb Griechenlands spätestens mit Beginn der Renaissance.
Deine Erläuterungen verraten aber mehr Hintergrundwissen als dem Sonett zu entnehmen ist. Warum verdeutlichst du das Konzept nicht an einem konkreten Beispiel?
Musik als Methode zur Transzendenz wäre ein Brauchbarer Ansatz. Wenn du also Bachs mathematisches Konzept der Fuge vermitteln könntest beispielsweise, hättest du einen direkten Bezug zu deinen Helden als mit allgemeineren Äußerungen zur Vollkommenheit, die so oder ähnlich von jedem zweiten ihres Fachs stammen könnten.

Zitat:Bei dem Versmaß muss ich Dir leider zustimmen. Ich habe es lange versucht, meine Gedanken in den Alexandriner zu zwängen, doch ist es mir leider noch nicht gelungen. Ich muss auch zugeben, dass es mein erstes Sonett ist, und ich schon auf diese Version dessen sehr stolz war. Vielleicht hast Du ja ein paar Ratschläge, wie ich das Versmaß miteinbeziehen kann

Sneaky hat schon Recht, wenn er sagt, es sei eine Sache der Übung, bzw. des Gehörs. Sneakys Vorschlag läuft auf einen 5-hebigen Jambus hinaus. Das ist zwar seit Schlegel das vorherrschende Metrum in der deutschen Sonettdichtung, aber im Alexandriner hättest du zwei Silben mehr pro Zeile zur Verfügung. Noch länger, und damit näher an deinen Originalzeilen wäre der daktylische Hexameter
Der Alexandriner ist metrisch symetrisch, während der 5-heber immer in ungleiche Teile fällt (aber das ist ja auch beim goldenen Schnitt so). Der Hexameter lässt sich unterschiedlich gliedern.
Welcher Art Ratschläge bedarfst du denn? Erkennst du einen Alexandriner, wenn du ihn liest, oder ist das bisher ein rein theoretischer Begriff für dich?

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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