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Mein Ableben - mein Weiterleben
#1
Mein Ableben
(geschr. 1978/überarb. 2011)



Hüpf’ ich dereinst aus dem erschlafften Stoffe,
bleibt nur zurück die alte Schrumpelpelle.
Bin ich so lebenseitel, dass ich hoffe
auf eine angenehme Himmelsstelle?

mein Dauerdasein stopfend mit Gebeten,
als Punktesammler einer Krämerseele? –
Das liegt mir nicht: Man bring’ mir Zigaretten:
Mein Wunsch ist einfach, irdisch seine Quelle.

Noch steckt mein Hirn in dicken Geistesblasen,
doch kenn ich alle Sokrates-Versteckchen.
Die Moleküle mögen von mir rasen:
Ich klebe nicht an meinem Körpersäckchen.

Mein Ich zerschmilzt in I und C und H:
Mögt ihr dann sehen, was ich jetzt schon sah.


Mein Weiterleben: www.Dirk-Schindelbeck.de
(geschr. 2011)

Wenn mich im Sarg ereilt die Vollverwesung,
soll über mir mein Touch-Screen-Grabstein thronen.
Da wird der Friedhofsgang zur echten Lesung.
Dank Internet wird der Besuch sich lohnen.

Längst ist das Buch als Medium ja begraben:
Der User, der den Grabstein jetzt berührt,
wird gleich auf meine Homepage hingeführt,
kann sich an Dramen und Eklogen laben.

Noch fehlt mir das Gedicht, das selbst sich steuert,
fortschreibt und jeden Tag sich runderneuert:
ich selbst bin dann ja weg: nur Dampf im Äther.

Ich warn’ euch aber herzlich, ihr Vandalen:
wenn ihr den Stein berührt: tut’s zart! Der Täter
wird gnadenlos gefilmt. Den Schaden muss er zahlen.

Anmerkung:
"Sokrates-Versteckchen" bezieht sich Platons Dialog Phaidon, in welchem Sokrates mehrere Versuche unternimmt, das ewige Leben der Seele zu beweisen
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