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John Keats: Ode On A Grecian Urn
#4
Hallo Zaunkönig,

wo hast du das mit der Vase her? Soweit ich weiß, gibt das englische urn als Übersetzung nur Urne her und warum sollte der behauene Stein nicht auch dem in unserer Sprache eindeutig gemeinten Zweck gedient haben? Meine Übersetzung, die 2014 entstand, bringe ich an dieser Stelle auch mit ein.
Gruß
Josef

Hallo Sneaky,

eine schöne Übersetzung. Zwei Fragen nur dazu: meinst du nicht, dass in der letzten Zeile das Wörtchen ye sich auf die Menschen im Plural (die Menschheit im Ganzen) bezieht, der zugerufen wird: "das ist alles, was ihr wissen müsst; mehr braucht's nicht"? Denn dass die Urne etwas wissen muss erscheint mit doch unplausibel zu sein.
Zweitens fällt mir auf, dass auch du dich nicht traust, wie praktisch alle Übersetzer dieses wichtigen Gedichts von Keats, den kleinen grammatischen Scherz auch im Deutschen wiederzugeben, den der Autor am Anfang der letzten Strophe sich erlaubt:
O Attic shape! Fair attitude! ... Der Gleichklang der beiden etymologisch überhaupt nicht zusammenhängenden Worte ist sicherlich gewollt. Alle Übersetzungen, die ich kenne, vermeiden es, die Attitüde neben die Landschaftsbezeichnung attisch zu stellen. Sicherlich wegen der etwas negativen Konnotation von "Attitüde" im Deutschen (geziertes, uneigentliches, auf Berechnung gehendes Verhalten etc. pp). So übersetzt z. B. Heinz Piontek, der ansonsten recht kräftig hinlangt (Der Blutstein grünt. O dunkle Priesterfaust), die betreffende Zeile recht blutleer mit Attische Form! Du Werk nach edlem Maß[i]
M. E. sollte hier etwas mehr Körperlichkeit her, denn dafür ist die griechische Plastik und Reliefkunst doch bekannt. Es geht ihr doch vor allem anderen um den menschlichen, nackten Körper und der darf durchaus in seiner "attischen Form" eine schöne "Attitüde" besitzen. Ganz unschuldig und ohne Berechnung, denn verstellen kann sich der nackte Körper nur sehr schwer. Im folgenden mein Versuch (20014)

John Keats

Ode auf eine griechische Urne

I

Du stille, nie entführte Braut, wir schweigen,
Du Pflegekind der angehalt’nen Zeit,
Wenn du beginnst, naturhaft, uns zu zeigen,
So schön, wie’s nicht einmal in Reimen bleibt:
Legenden laubbekränzter Wohlgestalt:
Spur von Olympiern, Menschen oder beiden,
In Tempe oder in Arkadien.
Sind’s Männer, Götter, die hier Mädchen treiben?
Des Wahnsinns Drängen, Fliehen und Gewalt
Schwingt auf mit Aulos sich und Tamburin.


II

Gehörter Ton ist süß, doch ungehörter
Ist süßer, – darum, Flöten, spielt nur wieder,
Doch nicht für’s Ohr; denn so viel ungestörter
Geh’n in den Geist die nur geahnten Lieder.
Die Jugend unter Bäumen kann nicht scheiden
Von ihrem Lied; die Blätter bleiben grün. –
Liebhaber! Der du wohl verzichten musst,
So kurz vorm Ziel; du sollst nicht wirklich leiden:
Sie kann nicht geh’n, so nah’ vor deiner Lust.
Wirst immer lieben – und sie ewig blühn!


III

Die frohen Äste werden nie entleert
Von Blättern und seh’n nie den Frühling flieh’n.
Der glückliche Flötist spielt unbeschwert
Die immergleichen stummen Melodien.
Mehr Lieb’! Mehr von der freudevollen Liebe!
Noch immer warm und jubelnd ausgelebt!
Noch immer lechzend und für immer jung!
Weit abgetan: Passionen, Wünsche, Triebe,
Durch die das Menschenherz in Sorgen schwebt,
Und schwere Stirn und ausgedörrte Zung’.

IV

Wie heißen sie, die hier zum Opfer schreiten,
Am Rasenstein, mit einem Mystagog?
Führt der das junge Rind, das, an den Seiten
Geschmückt, sich mit Gebrüll nach oben bog?
Wie heißt die Stadt, an Küste oder Fluss
Oder am Berg gebaut, mit Zitadelle?
Sie ist an diesem frommen Tag entleert,
Dass man von ihren Straßen lernen muss,
Was Stille heißt. Nicht einer ist zur Stelle,
Von dem man etwas über sie erfährt.

V

Attischer Leib! Du schöne Attitüde!
Mädchen- und Männerkranz aus Marmorstein.
Zertret’nes Gras und Zweige hängen müde.
Du stille Form, bläst unser Denken rein:
So wie die Ewigkeit – du kühler Föhn!
Ist auch von uns bald keiner mehr am Leben,
Du bleibst der armen Menschheit, wenn wir geh’n.
Und wirst ihr diese eine Tröstung geben:
‘Schönheit ist Wahrheit und das Wahre schön’ –
Dies einzig könnt ihr wissen und auch seh’n!
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Nachrichten in diesem Thema
John Keats: Ode On A Grecian Urn - von Sneaky - 06.03.2012, 13:32
RE: John Keats / Ode On A Grecian Urn - von Josef Riga - 07.01.2016, 17:34

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