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Francesco Petrarca: Canzoniere 279 - Se lamentar augelli, o verdi fronde
#1
Italien 
Francesco Petrarca
1304 - 1374 Italien


Canzoniere 279

Se lamentar augelli, o verdi fronde
mover soavemente a l'aura estiva,
o roco mormorar di lucide onde
s'ode d'una fiorita et fresca riva,

là 'v'io seggia d'amor pensoso et scriva,
lei che 'l ciel ne mostrò, terra n'asconde,
veggio, et odo, et intendo ch'anchor viva
di sí lontano a' sospir' miei risponde.

"Deh, perché inanzi 'l tempo ti consume?
- mi dice con pietate - a che pur versi
degli occhi tristi un doloroso fiume?

Di me non pianger tu, ché' miei dí fersi
morendo eterni, et ne l'interno lume,
quando mostrai de chiuder, gli occhi apersi".



279

Wenn uns der Vögel Klagen sanft betören
und sich das Laub im Sommerwind bewegt,
wenn sich ein Murmeln in die Wellen legt,
das wir von frischen Blumenufern hören,

sinn' ich der Liebe nach, und schreibe nieder,
was mir der Himmel und die Erde geben.
Ich seh' und höre, halte mich ans Leben,
doch Seufzer geben meine Antwort wieder.

Warum die viele Zeit, die Sie vergeuden?
Sie zeigen Mitleid, doch warum denn bloß
die traur'gen Augen und die bittren Fluten?

Beweinen Sie mich nicht; ich starb in Freuden
die ewig bleiben, und die innren Gluten
schloss mir mein Auge auf, als ich es schloss.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
Hartley Coleridge hat in seiner Nachdichtung vor allem den Mittelteil stark umgebaut. Etwas mehr Lamento für einen pointierteren Schluss:


Hartley Coleridge schrieb:Francesco Petrarca
1304 - 1374 Italien


Canzoniere 279

The birds piped mournfully; the dark green leaves
Moved, sweetly trembling, to the summer breeze, -
And deep and low, the lucid rill, that weaves
Its murmuring mazes in the flowery leas,

Warbled along its old monotonies: -
Such blended sounds my reckless ear received,
And hearing, heard not, - while my spirit grieved,
Loving its grief, and feeding its disease.

A mournful strain I conn’d – when she for whom
I vext my soul, because she was conceal’d,
Shone forth on high, to wondering sense reveal’d: -

“Why ever thus”, said she, “thy days consume?
Dying, I live, - and when I closed my eyes
They open’d to the light of Paradise”


Wenn ich ihm folge, könnte das etwa so lauten:


Die Vögel klagten in den Zweigen oben,
die in der Sommerbrise sanft erbeben;
Und dunkle Murmler sich in Wellen woben,
die licht sich in die Blumenau ergeben.

Wie ihnen solche Litanei entfährt,
die bittersüß mein offnes Ohr erreicht,
das sie hört, - wieder nicht, - den Geist erweicht,
der diese Trauer liebt und gerne nährt,

ersann ich Melodien auf meine Art,
dass sie aus meinem Blick war, zu beklagen.
Doch hat sie sich von Ferne offenbart: -

"Warum vergeudest du hier Tag und Tage?
Ich starb dem Leben." sagte sie, "Ich schließ
die Augen und erblick' das Paradies.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
Hallo Zaunkönig,
mein Italienisch ist nicht eben brilliant, aber ich verstehe das 2. Quartett eher folgendermaßen:

[sinn ich der Liebe nach und schreibe nieder]
sie, die der Himmel mir zeigt und die Erde vor mir verbirgt,
[ich seh und höre] und wünschte mir, sie wäre noch am Leben,
und antwortete aus weiter Ferne auf meine Seufzer/Klage.

und dann:
Sag, warum lässt du dich von der Zeit verzehren [sie sagt auf jeden Fall 'du' zu ihm],
- sagt sie mir mitleidsvoll - etc

Ganz sicher bin ich mir da zwar nicht, zumal das ja sehr altes Italienisch ist, aber meines Erachtens geht es in diese Richtung.
Die Version von Coleridge ist wohl ebenfalls eher eine Nachdichtung, die wieder in eine etwas andere Bahn geht.

Aber es ist ja immer schwierig, wenn man in der Sprache etwas im Dunkeln tappt.

LG Silja
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#4
Hallo Silja,

es lohnt sich doch immer wieder, auch ältere Themen wieder hervorzukramen...
Mit deinen Anmerkungen hast du sicherlich recht. Zumindest sind wir dann näher an anderen deutschen Nachdichtungen.

Also dann:

Wenn uns der Vögel Klagen sanft betören
und sich das Laub im Sommerwind bewegt,
wenn sich ein Murmeln in die Wellen legt,
das wir von frischen Blumenufern hören,

sinn' ich der Liebe nach, und schreibe nieder,
wie sie sie Erde nimmt, die Himmel geben.
Ich seh sie, hör sie, wünscht' sie wär am Leben
und gäb mir Antwort auf die Seufzer wieder.


"Warum willst du denn deine Zeit vergeuden?"
fragt sie voll Mitleid, "ach, warum denn bloß
die traur'gen Augen und die bittren Fluten?

Beweine mich nicht mehr; ich starb in Freuden
die ewig bleiben, und in innren Gluten
schloss mir mein Auge auf, als ich es schloss.



Die zweite Fassung bezieht sich ausdrücklich auf Hartley Coleridge, damit ich mit seinem Sonettwerk weiterkomme. Zumindest die zu Lebzeiten veröffentlichten Sonette habe ich nun vollständig nachgedichtet.


Liebe Grüße
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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