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Francesco Petrarca: Canzoniere 035 - Solo et pensoso i piú deserti campi
#1
Italien 
Francesco Petrarca
1304 - 1374 Italien


Canzoniere 035

Solo et pensoso i piú deserti campi
vo mesurando a passi tardi et lenti,
et gli occhi porto per fuggire intenti
ove vestigio human l'arena stampi.
Altro schermo non trovo che mi scampi
dal manifesto accorger de le genti,
perché negli atti d'alegrezza spenti
di fuor si legge com'io dentro avampi:
sí ch'io mi credo omai che monti et piagge
et fiumi et selve sappian di che tempre
sia la mia vita, ch'è celata altrui.
Ma pur sí aspre vie né sí selvagge
cercar non so ch'Amor non venga sempre
ragionando con meco, et io co llui.


Hartley Coleridge hat dieses Sonett ins Englische übertragen:

Hartley Coleridge schrieb:From Petrarca

Lonely and pensive o'er the lonely strand,
With wandering steps and slow, I loiter on,
My eyes at watch, to warn me to be gone
If mark of human foot impress the sand;
Else would my piteous plight be rudely scann'd,
And curious folk would stare to see the wan
And deathlike images of joy foregone,
And how I inly waste like smouldering brand.
Or I would fain believe the tangled wood
Which girds the small field on the mountain side
The one sole witness to my crazy mood;
But ah! what sandy waste, or forest dim,
My haunt obscure from Love can ever hide?
Where'er I think, I converse hold with him.


Und da Coleridge schon länger auf meiner Agenda steht, gehört auch dieses Sonett zu meinem Programm.
Hier also mein Versuch:


Ich geh alleine durch das ödste Land,
es mit gemessnen Schritten zu durchziehen,
und meine Blicke in die Runde fliehen
nach irgendeines Menschen Spur im Sand,
da ich mir keine bessre Zuflucht fand.
Es wäre offen sichtlich für die Leute,
dass meine Schritte freudelos sind heute
und Kunde geben von dem innren Brand,

so dass ich sicher glauben kann, dass bald
die Berge, Flüsse, Bäche und der Wald
erahnen, was es mir zu zeigen bangt.
Doch keine Wüstenei, die mich versteckt,
wo Amor mich nicht immer gleich entdeckt
und mit mir spricht und Rechenschaft verlangt.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
"Ich bin im Sommer Eis, im Winter Feuer" heißt eine schöne Gedichtsammlung im Deutschen Taschenbuchverlag, auf Seite 35 ist eine sehr schöne Übersetzung von Karlheinz Stierle abgedruckt, nur die fünfte Zeile ist grammatisch krumm:

Allein, in mich versenkt, durch ödes Land
die Schritte messend, geh ich langsam hin
und richte meinen fluchtbereiten Sinn
auf jede Fußspur, die mich schreckt im Sand.

Wo fänd' ich Zuflucht sonst, dass nicht erkenne
die Menge meinen Gang und mein Gesicht,
dass an des Körpers Trauerschwere nicht
es lesbar sei, wie ich im Innern brenne.

So sehr, dass es mir scheint, Berg, Fluss und Hänge
und Wälder wüssten, wie es um mich steht,
wo andre Blicke niemals zu mir dringen.

Doch find ich nicht so rauhe wilde Gänge,
dass Amor nicht mir gleich zur Seite geht
und unsre Reden endlos sich verschlingen.
.
"Lorsque nous serons mort, on parlera de vie" (Jules Supervielle)
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#3
Allein und grüblerisch am leeren Strand
geh ich umher, verweile frei von Zwängen.
Mein Blick bleibt wach, er wird zur Flucht mich drängen
entdeckt er eines Menschen Spur im Sand.

Sonst würd’ mein Leid wohl mitleidlos erkannt,
der Gaffer Blick an Überrresten hängen,
statt frohen Feiern, fröhlichen Gesängen
eins sehn in meiner Brust: verschwelten Brand.

Dann dünkt es mich, es könne jener Hain
der zwischen kargem Feld und Bergland lag,
der einzge Zeuge meines Irrsinns sein.

Doch welche Wüste, welcher Tann vermag
dass mein Versteck der Liebe nicht erscheint?
So sind im Zwiegespräch wir stets vereint
Never sigh for a better world it`s already composed, played and told
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#4
@ Peter,

ja es gibt schon ein paar gute Stücke, und ähnlich wie bei Shakespeare könnte man fragen. ob eine weitere Nachdichtung überhaupt noch Sinn macht.
Andererseits... Hat Kunst einen anderen Sinn außer sich selbst?

@ sneaky,

Auch sehr schön gelöst, nur in Zeile 5 frage ich mich, ob er nicht gerade vor den mitleidigen Blicken der anderen flieht. Das kann man so oder so sehen. Ich würde die Begründung offen lassen.


LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#5
Zaunkönig hat glaube ich recht - der Wandersmann hat Angst, weil unter Leuten sofort auffallen würde, wie unglücklich er ist. Außerdem macht jede Nachdichtung einen Sinn, also hier auch meine deutsche Interpretation:

CANZONE No. 35
Zitat:Ich schreite einsam über leere Fluren;
nachdenklich zähle ich fast jeden Schritt.
Was aus der Weite herkommt wie Figuren,
dem weich ich aus, es teilt mir Schrecken mit.

Kein Ort als dieser schützt mich vor Blessuren
von Menschen, die erkennen, was ich litt,
und mich sogleich als Grobian erfuhren,
weil Nettsein meinem Herzen widerstritt.

Es scheinen Berge mich und wilde Matten,
Wald und Gewässer gleichfalls zu verstehen;
umsonst versteck ich mich in deren Schatten.

Kein Weg scheint schroff genug, will ich ihn gehen,
auf dem nicht auch schon Seelen Handel hatten:
Liebe sieht mich, und ich seh’ sie geschehen.
.
"Lorsque nous serons mort, on parlera de vie" (Jules Supervielle)
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#6
Hallo ihr zwei,

ich bin von dem englischen Text ausgegangen:

"Else would my piteous plight be rudely scann'd"
ansonsten würde mein bedauernswertes Los grob angeguckt, abgeschätzt.
eine andere Lesart seh ich da nicht.

Gruß

Sneaky
Never sigh for a better world it`s already composed, played and told
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#7
@ sneaky,

Da war vielleicht auch Hartley Coleridge nichht so nah am Original, jedenfalls passt es nicht recht zum Bild das ich von Petrarca habe.
Ich denke nicht, dass er sich vor diesem oder jenem Verhalten seiner Mitmenschen fürchtet, sondern vor der Blösse, die er sich gibt. Der Schmerz ist einfach noch zu groß und damit zu intim um ihn zu teilen.

@ Peter.

Zitat:Außerdem macht jede Nachdichtung einen Sinn,...
und sei es nur als ein weiterer Verweis auf das Original.

Die Zeilen 7/8 finde ich auch bei dir als recht frei interpretiert. Petrarka ein Grobian? Ich sehe ihn dort eher als Trauerklos, der als solcher anderen keine gute Gesellschaft wäre / zu sein glaubt.

In der Schlußzeile ist die Liebe falsch betont. Sie wirft mich total aus dem Fluss.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#8
Danke Dirk, beim ersten Kritikpunkt gebe ich Dir recht, ich sollte lieber "Sonderling" schreiben - vielleicht fällt mir aber noch etwas besseres ein. Auch an "Feuerkopf" hatte ich gedacht, weil die Metapher "come io avampi dentro" (wie ich drinnen lohe bzw. vor Liebe brenne) mit den "atti spenti d'allegrezza" (erloschener Freundlichkeit) korrespondiert...

Außerdem noch zwei Eigenkorrekturen
Zitat:Ich schreite einsam über leere Fluren,
nachdenklich zähle ich fast jeden Schritt.
Was aus der Weite herkommt an Figuren,
dem weich ich aus, es teilt mir Schrecken mit.

Kein Ort als dieser schützt mich vor Blessuren
von Menschen, die erkannten, was ich litt,
und mich sogleich als Sonderling erfuhren,
weil Nettsein meinem Herzen widerstritt.

Nun scheinen Berge mich und wilde Matten,
Wald und Gewässer gleichfalls zu verstehen,
umsonst versteck ich mich in deren Schatten.

Kein Weg scheint schroff genug, will ich ihn gehen,
auf dem nicht auch schon Seelen Handel hatten:
Liebe sieht mich, und ich seh’ sie geschehen.

Der letzte Vers klingt in meinen Ohren gerade durch den anfangs verschobenen Akzent gut - eine metrische Freiheit, die das Versmaß auch in den Zeilen 2 und 10 bestens verträgt. Ich meine im Gegenteil, solche Details lockern das Schema auf, und sorgen dafür, dass beim laut Rezitieren kein "Leierton" entsteht.
.
"Lorsque nous serons mort, on parlera de vie" (Jules Supervielle)
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#9
Hallo Peter,


Im Regulären Metrum wäre die zweite Silbe betont, was offensichtlich nicht sein kann, also betone ich auftaktisch
"Liebe sieht mich, und ich seh’"....
und habe dann zwei unbetonte Silben "sie geschehen."
Sauberer, und von dir vermutlich angedacht, wäre mit 3 unbetonten Silben einzusteigen:
Liebe sieht mich, und ich seh’ sie geschehen.
zumal dann die starken Betonungen auch besser mit den starken Bedeutungen übereinstimmen. allein: drei schwachbetonte Eingangssilben? Das ist im ersten Anlauf nicht leicht zu erkennen.

Bei den Zeilen 2 und 10 stimme ich dir zu. Die Betonung ist zwar nicht regelgerecht aber eindeutig.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#10
Ganz schön hartnäckig. Okay dann hier als Vorschlag:

Kein Weg scheint schroff genug, will ich ihn gehen,
auf dem nicht auch schon Amor mir Debatten
bereitet, und ich lasse sie geschehen.
.
"Lorsque nous serons mort, on parlera de vie" (Jules Supervielle)
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#11
Na, Hartläckigkeit lohnt sich doch!

Daumen ZaunköniG



Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#12
Ja. Auch für den zweiten Vierzeiler, es fehlte Petrarcas Metapher vom erloschenen Brand:

Zitat:Kein Ort als dieser schützt mich vor Blessuren
von Menschen, die erkannten, was ich litt,
und mich sofort als ausgebrannt erfuhren,
weil Wärme meinem Herzen widerstritt.
.
"Lorsque nous serons mort, on parlera de vie" (Jules Supervielle)
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