Friedrich
Verse-Schmied

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Wolkenschiffe
Wolkenschiffe
I.
Für Ingeborg Schenk
Azur - so lockt die See hoch über mir,
Verebbt gedankenschwer in blasser Ferne,
Auf weißen Wolkenschiffen zög’ ich gerne,
Vom Wind getragen, weit, weit fort von hier.
Geräuschvoll wogt das Feld im Mittagslicht,
Ein Schritt nur, schaumgekrönte Meereswellen
Gepflügt am Bug zu wilder Gischt zerschellen,
In voller Fahrt das Oben mit dem Unten bricht.
Beglückend frei bereis’ ich Himmelssphären,
Der Kurs allein von meinem Selbst bestimmt.
Wer könnte da mich noch das Fürchten lehren?
Ein Glockenschlag mir jäh die Träume nimmt,
Die Zeit, sie ruft mich, schleunigst umzukehren -
Doch wenn mein Sinn schon längst die Rah erklimmt?
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29.01.2007, 12:34 |
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ZaunköniG
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RE: Wolkenschiffe
II.
Doch wenn mein Sinn schon längst die Rah erklimmt,
Wenn er nicht Wind, noch Wetterleuchten scheut?
Die Wellen aufgepeitscht, Das Sturmgeläut
Verhallt; Wenn mir kein Richtungsfeuer glimmt,
Meit Blut kocht kabbelig rauh wie die See,
Weil es die ferne Meerverwandschaft fühlt,
Wird jeder Vorsatz vom Gefühl verspült.
Die Sehnsucht wendet sich von Luv auf Lee
Und umgekehrt. Nun gilt es zu erleben.
Zweck und Ziele bleiben unbestimmt.
Die Wogen die mein Schiffchen tragen, heben
Auch den Himmel, der sich wolkig dimmt.
In Visionen soll mein Sinnen schweben,
Wenn Traum und Plan am Horizont verschwimmt.
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29.01.2007, 14:23 |
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Friedrich
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RE: Wolkenschiffe
III.
Wenn Plan und Traum am Horizont verschwimmt
Und achteraus die Kimm noch letzte Pforten
Zum Rundum schließt und Sehnen allerorten
Dem Raum das Blau, der Zeit das Weiß entnimmt,
Genau ab Amphitrites erstem Kuss
Vollführt die Kompassnadel Kreiseltänze,
Das Steuerrad blockiert, sie lenkt zur Gänze
Mein Schiff und inn’re Weite wird Genuss -
Sie folgt den Albatrossen, deren Schwingen
Befreit von jeder Erdenschwere schier
Arkaden gleich den Raum umgreifen. Klingen
Die schrillen Rufe nicht vertraut in mir?
Ihr Klang verhallte nie, doch durch sein Singen
Erwacht am Meeresboden dieses Tier!
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29.01.2007, 14:24 |
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Friedrich
Verse-Schmied

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RE: Wolkenschiffe
V.
Die Wogen wölben sich, es spritzt die Gischt,
Es stöhnt, es ächzt, es knarrt die Karavelle,
Wenn sie, am Bug das Spriet gezückt, der Welle
Frontal den Bauch durchsticht – als Aufschrei zischt
Die Wut Neptuns noch mittschiffs ins Gesicht,
Verbrennt mir Augen, raubt die Sicht, mein Frevel,
geentert tief in meiner Brust, wie Schwefel
Versprüht er blau als Mastenspitzenlicht.
Die Tarantella tost im Donnertakt,
Das Tier, mit ihm der Wolkenozean,
Umwirbeln mein fragiles Artefakt,
Bis mir die Sinne schwinden, momentan
Verlischt die Szene, löst sich der Kontakt…
Es dreht sich richtungslos mein schwanker Kahn.
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29.01.2007, 15:49 |
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Friedrich
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RE: Wolkenschiffe
VII.
Was nun passiert, sei’s Wille oder Wahn,
Betäubt mein Denken, holt es Kiel, bis Sinnen
Vom Fühlen eingepackt, vernäht in Linnen,
Beschwert mit Staunen, jäh in steiler Bahn
Nach unten sinkt. Mein Selbst nun sundbefreit
Geht über Bord in einem Heer aus Funken
Das sich, vom Nereidentanz volltrunken,
Als Spur am Firmament verliert. Wie weit
Mich wohl die Wellenwesen weitertragen?
Betörend wirkt ihr Wirbeln. Angst erlischt.
Und eine Brise Wahn weckt weitres Wagen:
Das Tier, die Jagd, der Fang – Doch wer entwischt
Hier wem? Gejagter oder Jäger? Fragen …
Es hat die Wasserfarben neu gemischt!
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24.04.2007, 21:08 |
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Friedrich
Verse-Schmied

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RE: Wolkenschiffe
IX.
Zu Purpurrot verkocht die Brecherflut,
Spiralt in zeitverformten Traumgedanken
Den Schlund, wo einst Gestirn und Schiff versanken
Im Angesicht der Himmelsgöttin Nut.
Am Steigblock Átum-Ré, den Falkenblick
Entschlossen westwärts nach Manú gerichtet,
Maát am Galion, im Sog verdichtet
Sie die Uräuskraft mit viel Geschick
Zum Ankh. Er wird die Sonne, die mit Wallen
Erstarkt im Meer versinkt, im goldnen Spalt.
Für einen Augenblick der Andacht ballen
Sich noch die Kräfte und infernal erschallt
Der Ibisruf des Thot - die Schleier fallen,
Fontänen zischen, sprühen feurig kalt.
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03.05.2007, 21:21 |
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ZaunköniG
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RE: Wolkenschiffe
X.
Fontänen zischen, sprühen feurig kalt
Die Klippen, ihren Grenzwall zu verdammen,
Hinauf als irisierend blaue Flammen
Und schleifen mit den Jahren den Basalt
Zu feinem Sand; die Wellenmuster stammen
Von dieser schöpferischen Urgewalt,
Die bald im Meer lebt, bald im Fels und bald
Zerstreiten sie sich, wirken bald zusammen.
Und immer forschend was die Regeln sind
Ruf ich in immer stürmerische See
Hinaus: „Frisch auf! Ich brauch zum Segeln Wind!“
Die Planken überschäumt der bracke Sud,
Schon weiß ich nicht mehr ob ich flieg, ob steh,
Es rast der Puls, das Blut, es flieht der Mut.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 03.05.2007, 22:21 von ZaunköniG.)
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03.05.2007, 22:21 |
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Friedrich
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RE: Wolkenschiffe
XI.
Es rast der Puls, das Blut, es flieht der Mut
Beim Höllenritt auf finstren Wellenköpfen,
Sie rollen, bersten zu Medusenschöpfen,
Es brüllt die See in weißer Schlangenbrut.
Von Aiolos die Segel eingerefft,
Die Luken dicht, ich festgezurrt mit Trossen
Am Besanmast, als Köder, starr, umschlossen,
Gepackt von Geisterhand – vom Tier veräfft!
„Befrei dich!“, dröhnt es schmerzhaft in den Ohren.
Ich kann, ich will’s nicht hören! Nein! Es hallt
So unbarmherzig, höhnisch. Sein Rumoren
Zerreißt mir Fesseln, liege, festgekrallt
Am Himmelshaken, längst das Spiel verloren,
Tentakel züngeln, suchen, finden Halt...
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09.05.2007, 13:33 |
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