Anna Hempstead Branch: Haunted

[ZaunköniG]

Anna Hempstead Branch
1875-1937 USA


Haunted


I am distraught with singing. In my brain
I feell a presence ever, and a might
Pursues my soul in flashes of long light
Or soft as throbbing of a golden rain,

Till my whole spirit melts into refrain
And I am wakened even in the night
By delicate visions that beset my sight,
The clinging sweetness of a perfect strain.

I am distraught with singing! Never more
Shall I go with my friends in the old ways.
In other orbits do my paths belong
And other hands will beckon me before.
God sets a wonder upon all my days,
And I am haunted always by a song.



Besessen


Gesang ist eine Macht und stets zugegen,
die tief in innersten Gedanken sitzt,
als ob es heftig in der Seele blitzt. -
und dann sanft wie ein warmer goldner Regen,
wenn sich der Kehrreim süß in meinem Geist verbreitet
und ich erwache mitten in der Nacht
aus schönsten Träumen, die in mir entfacht,
als zarte Schwingung der perfekten Saite.

Gesang ist eine Macht! Und niemals mehr
werd ich die Wege meiner Freunde queren:
Mein Pfad führt mich hinauf in andre Sphären
und andre Hände winken mir "hierher!"
Auf jedem Tag ein Wunder Gottes liegt,
denn allezeit begleitet mich Musik.

[Sneaky]

Hallo Zaunkönig,

ein schönes Stück, wobei du dem LI die versöhnlichere Variante gelassen hast. Ich sehe es eher als ein Verängstigsein an, die Furcht vor "dem Absturz in religiösem Wahn" die hier mE anklingt.

Gesänge sinds, die mich zutiefst verstören,
in denen eine Gegenwart regiert, ein Geist
der bald hellicht in meiner Seele gleißt,
bald sacht wie goldner Regen fällt. Nur Hören

verbleibt vor dem Refrain und mir betören
Visionen jede Nacht den Sinn. Er reist
auf einem Klang der allzu süß verheißt
perfekte Harmonien in den Chören.

Gesänge, die verstören! Niemals wieder
werden mich Straßen meiner Freunde tragen,
ich habe Heimat nun in andren Kreisen.

Dort wo mir andre Hände Ziele weisen.
gewährt Gott Wunder mir an allen Tagen,
und mich verfolgen immer seine Lieder.

[ZaunköniG]

Hallo Sneaky,

wenn "haunted" nachschlage bekomme ich vorschläge wie "verfolgt", "besessen", "heimgesucht" etc. also nur negativ konnotierte Vorschläge.

aber ein "haunted forest" bspw. kann auch ein verwunschener Wald oder ein Zauberwald sein. Ich sehe den Akzent hier mehr auf dem Übersinnlichen als auf dem Beängstigenden. Wenn jemand wirklich an Gott glaubt, warum sollte er/sie sich vor den Harmonien fürchten? Und warum sollte sie ihre Freunde verlassen fr diese Musikerlebnisse, wenn sie nicht davon überzeugt ist, dass es der richtige Weg ist?
Wenn sie denn am göttlichen Ursprung der Klänge zweifeln würde; - das könnte Angst machen, aber daran zweifelt sie offenbar nicht.

[Sneaky]

Hallo Zaunkönig,

aber im Text wird haunted rückbezüglich verwendet und distraught ist auch eher mit negativem Vorzeichen versehen. Dann noch z.B. diese Passage "clinging sweetness" klammernde, klebende Süße. Da sind schon auch zwiespältige Elemente drin. Aber dafür gibt's ja dann auch zwei Versionen, deine und meine und die Gauß'sche Kurve ist an beiden Ende besetzt .

[Rohrer]

Besessen

Perplex muss sich mein Geist im Singen drehn,
muss, was mit aller Macht entgegenrollt,
wie Blitze in die Seele dringen sehn,
es pocht in mir so weich wie Regengold,

ganz zum Refrain verschmolzen spricht versenkt
mein Geist selbst Nachts, den’s auf der Stelle weckt,
Visionen zart auf dessen Sicht versprengt:
welch süßer Sog in dieser Welle steckt!

Ich bin verstört vom Singen, denn ich kann
mit Freunden nicht auf alten Wegen gehn,
nur Bahnen andrer Sphären kenn ich dann,
wo fremde Reize mir entgegenwehn.

Welch Wunder Gott mir täglich wieder leiht -
ach, mich verfolgen seine Lieder weit.