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Krzysztof Kamil Baczyński: Elegia o...[chłopcu polskim]
#6
Hallo ZaunköniG,
ich sehe, ich komme jetzt nicht drum herum und muss dir das Gedicht genau übersetzen:

Sie trennten dich von Träumen, Söhnchen/Sohn, die wie ein Schmetterling zittern,
Sie stickten dir, Söhnchen/Sohn, die traurigen Augen mit rotem Blut,
Sie malten dir Landschaften mit gelben Stichen der Brände,
Sie stickten das fließende Meer der Bäume mit den Gehängten.

Sie haben dich, Söhnchen/Sohn, deine Heimat = deine Erde auswendig gelehrt
Als du ihre Wege schnittest mit den Eisentränen.
Sie zogen dich im Dunkeln groß, Sie haben dich mit dem Brotlaib aus Angst /Furcht gefüttert.
tastend gingst du durch die Wege der größten Menschen- Schande.

Du tratst raus/Du kamst raus, heller Sohn mit der schwarzen Waffe in der Nacht
Und du fühltest, wie das Böse im Klang der Minuten aufsteigt,
Bevor du gefallen bist, hast du die Erde mit der Hand gesegnet/bekreuzigt
War das eine Kugel, Söhnchen/Sohn oder ist das Herz zersprungen/zerplatzt?

Jetzt habe ich dir den Inhalt GANZ TREU übersetzt. Ich habe nichts ausgelassen oder verändert.

Sorry, das ich mit dem Meister nicht ganz zufrieden war!

http://www.deutschlandundeuropa.de/37_98/due37o.htm

Dann gehe ich gleich zur Sache:

Das Wort „syneczku“ ist auf Polnisch eine Verniedlichung der Form „Sohn“. Auf Deutsch hätte man hier „Söhnchen“ benutzen müssen, es wäre aber eher unangebracht. Ich habe auf diese Benennung fast überall verzichtet. Dedecius hat es gut hingekriegt! In der 4.Strophe, 1.Vers schrieb er genauso, wie es im Original ist: „heller Sohn“. Kannst du damit etwas anfangen? Was könnte es bedeuten? Ich frage dich, da ich glaube, dass du als Deutscher damit gar nichts machen kannst! Ich werde nächstes Mal auf dieses Problem eingehen. Ich selbst habe es nicht „für nötig“ gehalten, diese Wortgruppe treu zu übernehmen!

Baczynski benutzt in der ersten Strophe zwei Wörter: haftowali (2.Vers) und wyszywali (4.Vers)- beide sind auf Polnisch bedeutungsgleich und bedeuten sticken (ups!!!, das bedeutet, ich und Karl Dedecius, haben beide das falsche Wort genommen !!!) Also es wird nicht gestrickt, sondern gestickt. (Ich freue mich, dass ich noch die Möglichkeit habe, meinen Fehler zu korrigieren!) Das bedeutet aber, von Stricken und Sticken hatte Dedecius keine Ahnung! Damit ist auch das klar, was du geschrieben hast! Rolleyes Und hier zeigt sich auch, man soll nie ohne nachzudenken und einer gründlichen Überprüfung etwas übernehmen. Ich habe die Übersetzung gleich nach dem Original gelesen und dann einfach das Wort gedanklich übernommen. Kopfschuss

Das polnische Wort „ściegi“ (3.Vers)- bedeutet nur die „Stiche“, die beim Sticken entstehen, nicht beim Malen! „W żółte ściegi pożóg“- „Mit gelben Stichen der Brände“, wo „pożoga“ ein sehr großer Brand bezeichnet – dieses Bild habe ich fast wörtlich übernommen. Deswegen habe ich meine Übersetzung „nachgebessert“ und „Sie malten dir in tristen Augen mit rot(em) … Blut“ und „Sie stickten dir das weite Land mit feuergelbem Faden (mit den Stichen)“ geschrieben.
Die Stiche bei Sticken tut man doch mit einem Faden, oder könnte man auch mit dem Blut sticken? Würde man mit rotem Blut sticken und mit gelbem Faden (den Stichen) malen?
Das bedeutet, Baczynski selbst hat hier einen Sachfehler gemacht. Er hatte auch danach keine Zeit seine Manuskripte durchzulesen und die Verse noch einmal zu überdenken. Er war ein Soldat in einer verbotenen Organisation und Student auf einer verbotenen Uni.
Man könnte meinen, er hatte seinen eigenen Tod in diesem Gedicht beschrieben, da er selbst von einem Schützen auf gleiche Weise erschossen worden ist.

Die „fließendhohe Bäume“, finde ich, sind auch nicht übertrieben und können noch im „fließendem Meer der Bäume“ einen passenden Vergleich darstellen. Sie sind ein Gegenstück zum „feuergelben Faden“, da sie beide sich in die Weite erstrecken. Beide hier erzogene Bilder werden gestickt: die Landschaften mit dem Feuer und die Bäume mit einem „Gehängten- Muster“.
In Masowien gibt es noch heute weite Landschaften mit „Flüssen“ von hohen Bäumen. Ich nehme an, so eine vergleichbare Landschaft gab es auch damals, bis alles durch das Feuer zerfressen wurde.
Dedecius hat in seiner Übersetzung die Zeilen 2 und 3 für den Reim getauscht. Die Bilder selbst hat er nicht überdacht.
Ich habe hier meine „Flut“ erfunden und das Blut ausgeschmückt. Dann habe ich auf zweimal „sticken“ verzichtet und „das fließende Meer der Bäume“ anders genannt.
Dedecius hat hier seine „Gewitter“ erfunden, von Landschaften nur eine Landschaft gemacht und traurige Augen wurden von ihm feucht genannt (das kann auch von Tränen kommen). In Original steht aber nichts davon, dass die Augen „rot verbluten“, dafür ist „säumten“ eine sehr schöne Umschreibung zum Sticken, eine Erweiterung des Sticken, die Dedecius mit den Gehängten sehr gut hingekriegt hatte. Wenn es um die Gewitter geht, die sind auch überflüssig, da die Brände nicht in der Natur ihre Ursache hatten.

In der zweiten Strophe (2.Vers) schreibt Baczynski tatsächlich, dass der Soldat die Wege in der Erde ausgeschnitten hatte.

„Mit toten Schritten„- schreibt Dedecius in der 2.Strophe, im ersten Vers- so etwas gibt es im Gedicht nicht- das hat er selbst erfunden. „Und du gingst blind“- wie er weiter schreibt- das ist leider falsch! Der Soldat „ging nicht blind“, sondern im Dunkeln, den Weg tastend. Wenn man weiß, dass im Warschauer Aufstand die Soldaten die Kanalisation benutzten und auch keine Lichter anmachen konnten, damit die Deutschen sie nicht entdecken, dann ist „tastend“ eine bessere Beschreibung. So schreibt es auch Baczynski. Zweitens geht es hier nicht um die Straßen, sondern um die Kanalisationswege.

Genauso kann man in der dritten Strophe, im ersten Vers nicht „Du tratst… ins Dunkel“ übersetzen. Das gibt es auch nicht im Original. Die Soldaten hatten schon ein Versteck in der Kanalisation. Am Ende des Aufstands, als ihnen bewusst war, dass sie verloren haben, versuchten sie sich zu retten und unbemerkt raus aus der dunklen Kanalisation an die Luft kommen. Da kann man nicht sagen: „sie traten ins Dunkel“, sondern- sie traten ins Licht aus der Dunkelheit heraus.
Weiter schreibt Dedecius, dass die Hand des Soldaten "sankt" und "er hatte die Welt bekreuzt". Es wird nicht gesagt, dass der Soldat erschossen wurde und auf dem Boden fiel, das bleibt bei Dedecius ungewiss. Der Soldat hat auch nicht die Welt gesegnet, sondern die Erde auf die er gefallen ist. Sie sollte sein Grab werden. Der Soldat hatte keinen Grund dazu, die ganze Welt zu segnen- das tun nur die Priester.

Ich gebe zu, meine Übersetzung mit „im Heil“ ist etwas ungünstig, aber mehr für die Polen als für die Deutschen. „Das Heil“ ist für die Deutschen mehr als nur das „Heil Hitler!“. Als ein Segen, eine „ Heil bringend[e]“- Bezeichnung hat es auch längere Tradition in der Sprache. Ich hätte es auch nicht gewagt, wenn ich nicht erwartet hätte, dass die Deutschen das Wort nicht gleich mit Hitler in Verbindung setzen. Wenn du einen Vorschlag hast, höre ich ihn gern.

Ich hoffe, dass es hier um eine konstruktive Zusammenarbeit geht und du mir auch erlaubst, die Fehler zu korrigieren.
1. „stricken“ zu „sticken“,
2. "Sollte Brot dir sein"- hätte ich auch übernommen

Viele Grüße,

Serpentina Lindhorst

PS: Ich habe auf das Metrum nicht besonders geachtet, da ich den praktischen Teil des Dichtens noch nicht beherrsche. Ist das „reinrassige“ Metrum in einem „nicht- Sonett“ von größter Bedeutung? Auf jeden Fall hat es mich nicht gestört, dass du geschrieben hast, das Gedicht ist nicht reinrassig. Es hat mich aber gestört, dass ich im Deutschen nicht das gelesen habe, was ich erwartet habe.
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RE: Krzysztof Kamil Baczyński: Elegia o...[chłopcu polskim] - von Serpentina Lindhorst - 07.08.2017, 16:36

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