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Thronende Mutter Gottes
#1
Thronende Muttergottes
(niedersächsisch, um 1160)


Josef Riga

Fehlende Hände

Was ist so schön an ihr, der so viel fehlt,
Wär sie lebendig, blickte sie zerquält
Auf ihre fehlenden Hände.

Rissig und rau,
Trockenes Lindenholz,
Wurmlochzerfressen,
Die Gestalt einer Frau,
Ohne ein Gegenüber.
Auch das Kind fehlt,
Das auf dem Schoß gesessen.

Und doch ist sie schön. Und auch stolz.

Die Farben: verblasst.
Und die Haare fast
Zu schwer hinter zierlichen Schultern.

Die wertvollen Steine
Aus ihrem Gewand,
Vom Kleidersaum und vom Kragenrand,
Wurden längst herausgebrochen.

So sehr beraubt und am Körper verletzt
Bleibt sie doch schön und ihr Ausdruck ist jetzt
Noch immer unversehrt.
Denn während Menschen etwas widerfährt,
Bleibt ihr Wesen unwidersprochen.

Ihre Schönheit erhält sich in jedem Fragment,
Und egal wie man ihren Körper zertrennt,
Bleibt sie stets eine Monade.

Zerbrochen, doch heil
Wie ein Spiegelteil,
In dem sich der Mensch nach dem Bade,
Obwohl es zersplittert, doch im Ganzen erkennt,
Ist das Kunstwerk
Für uns Menschen ein Element
Der bleibenden göttlichen Gnade.
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