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Erneuerung
#1
Heut' endlich faßte ich den nöt'gen Mut!
Hinfort brennt mir der Sonne heißes Strahlen
die alte Haut, die nur noch unter Qualen
ich trug, wie dies ein alter Berber tut.

Entblößt und abgeschält nun bis aufs Blut,
laß neu ich mich behäuten, frisch beschalen,
verlaß die alten Wege, die fatalen,
die irr mich führten. - Bald wird alles gut!

Noch drückt die Angst die junge Hoffnung nieder.
Doch diese, endlich wieder neu geboren,
wird fertigwerden mit den Alpgesichten,
den Kopf befrei'n und die Gedanken lichten.

Und dann bin ich nie wieder so verloren!
Nur kurze Zeit noch, ja, dann leb' ich wieder!
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#2
Hallo und Willkommen Pseudolin,

deinem Einstandsgedicht nach versuchst du dich schon länger an Sonetten, formal find ich nichts zu bemängeln.

Beim Inhaltlichen hab ich Mühe mit Worten wie "hinfort" oder der Inversion "die nur noch.. ich trug". Das ist mir einen Tick zu altertümelnd.

Das Thema an sich find ich sehr ansprechend, aber die Vermengung von "neu behäuten und beschalen" gefällt mir nicht. Vermutlich gibts auch Insekten, die neue Haut und neue Panzer erhalten, aber da ist mir das Bild der Schlange, die sich häutet zu nahe, um mich auf das "neu beschalen" richtig einlassen zu können.

Auch der alten Berber weckt ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits ist das ein sehr nachvollziehbares Bild, ich habe da automatisch ein paar Charakterköpfe vor meinen Augen. Aber wie trägt ein alter Berber seine Haut? Faltig, mit Schmerzen, würdevoll, ? Das Prägnanteste ist wohl das MErkmal faltig. Aber das geht gegen das Bild vom Häuten und Verpuppen.

Vielleicht würde eine einfachere Bildebene, die Häute und Schalen nicht vermengt, dem Gedicht eine eindeutigere Richtung geben?

Gruß

Sneaky
Never sigh for a better world it`s already composed, played and told
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#3
Hallo sneaky,

danke für deinen Willkommensgruß. Mit Sonetten beschäftige ich mich seit ca. 2 Jahren.
Mir gefällt diese Gedichtform. Ich bin allerdings ein absoluter Laie, was die Theorie hier betrifft.
Gelesen habe ich schon von so einigen Fachausdrücken, kann mir aber unter vielen einfach noch nichts vorstellen. Hier fehlt mir das nötige Hintergrundwissen, dass ich mir aber noch aneignen möchte. Die Zeit hierzu werde ich allerdings erst nach meiner Verrentung im nächsten Jahr bekommen.
Dein Kommentar bietet mir einige völlig neue Sichtweisen. Ich werde darüber nachdenken.
Ich hoffe, auch als fast Novize hier willkommen zu sein. Konstruktiv werde ich sicherlich zur Zeit noch wenig beitragen können.
Mein Schreibstil ist halt eher noch "aus dem Bauch heraus".
Dieses Sonett ist bei Rotwein und einem Song von Hannes Wader entstanden. Ich
hatte einfach ein Bild vor Augen und einige Gedankengänge, die ich versuchte hiermit einzufangen.
"Haut" sollte her auch nicht wörtlich zu sehen sein, sondern eher der unsichtbare Panzer, den jeder Mensch zu eigen hat.
Der Gedankengang Richtung Berber war halt "Abgestumpft, gleichgültig", wobei ich das Gefühl
hineinbringen wollte, dass es unangenehm war, dieses zu bemerken.
Nach Sprengung dieses Panzers. der nicht zu ertragen war, muss man sich einen neuen "Schutz" zulegen. Hier erschien mir die Wortwahl einfach nicht verkehrt.

Wie schon erwähnt, werde ich noch einmal darüber nachdenken.

Herzlichen Dank für die Mühe.

Pseudolin
Bleibe immer Du selbst
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#4
Hallo Pseudolin,

auch von mir einen Einstandsgruß. Natürlich bist du auch als 'Novize' Willkommen! Ich hatte gestern schon einen Kommentar in der Feder, aber wollte doch erstmal abwarten was du auf sneaky antwortest, das war ja schon ganz schön viel auf einmal. Überraschend war für mich, was du mit der Berberhaut assoziierst. Anscheinend meinst du mit 'Berber' einen Obdachlosen. Ich hatte eher an die sonnengegerbte Haut eines nordafrikanischen Nomaden gedacht. Und wenn ich sneakys Kommentar richtig verstehe, hatte er den wohl auch vor Augen, daher das schiefe Bild.

Daß nicht jedes Gedicht wörtlich zu nehmen ist, oder gar biographisch, versteht sich wohl von selbst, aber ein gutes Bild sollte auch wörtlich genommen funktionieren. Beim ersten Quartett hatte ich als Leitbild einen schweren Sonnenbrand im Kopf, der ja auch zur Häutung paßt, aber bei mir irgendwie überhaupt keine positiven Assoziationen auslöst, dieses Bild funktioniert für mich schon deshalb nicht, weil wir eben keine neue Haut bekommen sondern jeder Sonnenbrand uns weiter schädigt. Daher würde ich, wenn es eine positive Häutung ist, mich enger an Metaphern aus dem Tierreich halten, seien es nun Schlangen oder Schmetterlinge.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#5
Hallo Pseudolin,

auch von mir herzliches Willkommen! Habe meinen Vorrednern inhaltlich nichts weiter hinzuzufügen - ansonsten einwandfreie Form. Die Wahl der Bilder ist meiner Meinung beim Sonett eine der größten Herausforderungen - oft eine Gratwanderung, da immer das dialektische Prinzip im Hintergrund die inhaltlichen Fäden spinnt. Und dann ist da noch die Hauptperson - der Leser. Also ist es letztlich auch eine Entscheidung, für wen oder für welche Zielgruppe ich schreibe.
Aber lass dich da nicht entmutigen, zunächst muss es einem selbst genügen, dann konfrontieren und schließlich die Balance finden - du siehst auch das ist der Dialektik verpflichtet und führt einem immer weiter...

LG Friedrich
Wonach immer du im Leben suchst - du findest es in dir.
Melos Merulae - Friedrich
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