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H. Coleridge: Multum Dilexit
#1
GB 
“Multum Dilexit”

She sat and wept beside His feet; the weight
Of sin oppressed her heart; for all the blame,
And the poor malice of the worldly shame,
To her was past, extinct, and out of date:

Only the sin remained, - the leprous state;
She would be melted by the heat of love,
By fires far fiercer than are blown to prove
And purge the silver ore adulterate.

She sat and wept, and with her untressed hair
Still wiped the feet she was so blest to touch;
And He wiped off the soiling of despair

From her sweet soul, because she loved so much.
I am a sinner, full of doubts and fears:
Make me a humble thing of love and tears.




“Multum Dilexit”

Sie weinte, ihm zu Füßen, schwer bedrückt
von ihrer Schuld, zu der ihr klammes Herz
sich stumm bekennt. Nicht Scham, nicht andrer Schmerz
blieb ihm; das alles war so weit entrückt.

Nur die Sünden blieben, die leprösen.
Sie schürt die Gluten, und nicht lange währt’s,
bis sie geläutert ist wie Silbererz,
das glüht um Schmutz und Schlacke auszulösen.

Sie saß und weinte, wusch ihm mit dem Haar
die Füße um Berührungen zu zählen.
Und er wischt fort den Schmutz von dunklem Wähnen,

weil ihre Seele doch so zärtlich war:
Ich bin der Sünder, voll von Furcht und Fehlen,
und Du weist mir den Weg mit Liebestränen.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
Hallo Zaunkönig,

das ist ein sehr schönes Gedicht, gefällt mir gut. Die Überschrift sollte vielleicht überdacht werden? Weil sie viel geliebt hat.(wobei der Lateinbrocken auch er/sie/es hat viel geliebt übersetzt werden könnte).

Am Anfang von Zeile 4 sollte es "ihr" heißen, nicht "ihm" zur Verdeutlichung.

Das zweite Quartett erzählt von einem Wunsch: Sie würde gern von den Feuern der Liebe geläutert werden, Feuern die viel heißer sind, als man gemeinhin braucht, um das ehebrecherische Silbererz zu testen und zu reinigen.

Die Terzinen sind so dicht gepackt im Original, ich weiß nicht, wie man das einigermaßen passend hinbekommt. Das "untressed/aufgeflochtene" Haar ist wichtig, ebenso die Füße, die sie heiligten, weil sie sie berühren durfte.

und das multum dilexit der Überschrift kommt in der ersten Zeile der zweiten Terzine auch direkt vor: weil sie so viel / so sehr geliebt hat.

Die letzte Zeile klingt mit dem "Du" missverständlich auf den ersten Blick. Es ist ja in diesem Fall nicht JEsus, der den Weg mit Liebestränen zeigt sondern MAria Magdalena. Vielleicht geht das noch eindeutiger zu formulieren.

Das Gedicht ist ein toller Fund und eine große Vorlage.

Gruß

Sneaky
Never sigh for a better world it`s already composed, played and told
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#3
Hallo Sneaky,

Du hast recht, an vielen Stellen bin ich recht schwammig geblieben. An Maria Magdalena hatte ich auch gedacht, aber bin mir nicht sicher ob Hartley Coleridge sich direkt auf sie bezog, oder das biblische Bild auf eine aktuelle Situation bezog. Vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig. Ich habe mal versucht deine Kritikpunkte aufzugreifen, soweit es die Knappheit der Form zulässt:



Sie weinte, ihm zu Füßen, schwer bedrückt
von ihrer Schuld, zu der ihr klammes Herz
sich stumm bekennt. Nicht Scham, nicht andrer Schmerz
blieb ihr; das alles war so weit entrückt.

Nur ihre Sünden blieben, die leprösen.
Sie wünscht sich in der Liebesglut bewährt,
vom ehebrecherischen Silbererz
geläutert, um die Schande auszulösen.

Sie kauerte vor ihm, mit ihrem Haar *
wusch sie ihm seine Füße, aber Er
wischt fort den Makel eines dunklen Wähnen

von ihrer Seele, denn: "sie liebt zu sehr!"
"Ich selbst bin nicht der Schuld und Zweifel bar,
doch du weist mir den Weg mit Liebestränen.



* das untressed / ausgelöste Haar halte ich noch am ehesten für entbehrlich, da ich es mir mit einem Zopf bildlich eh nicht vorstellen kann, ein Zopf würde auch die Grundaussage nicht verfälschen.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#4
Hallo Zaunkönig,

die Überarbeitung hat deutlich gewonnen, auch wenn nicht alles geht. Das "gelöste Haar" war mit wichtig, weil sie eben ihr Haar nicht für eine Liebesnacht gelöst hat sondern für das Abtrocknen der Füße.

Gruß

Sneaky
Never sigh for a better world it`s already composed, played and told
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#5
Hallo, ihr beiden,
ja, die Überarbeitung hat in der Tat gewonnen, aber ich muss gestehen, dass ich das 'ehebrecherische' Silbererz gar nicht mag.
Ich hatte nach sneakys Beitrag versäumt zu sagen, dass 'adulterate' durchaus nicht nur mit Ehebruch zu tun hat, sondern auch verfälschen und verunreinigen bedeutet. Insofern haben mir diese beiden Zeilen der ersten Version besser gefallen und ich würde dafür plädieren, sie wieder einzusetzen.
Es stimmt zwar, dass der ehebrecherische Gesichtspunkt hier mit hineinkommt, aber da sich die Doppeldeutigkeit nicht erhalten lässt, würde ich ihn in seiner Ausdrücklichkeit doch lieber fallen lassen.

Gruss
Silja
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#6
Hallo Silja,

Maria Magdalena wird ja nirgends beim Namen genannt. Ob man das ehebrecherisch unterschlagen kann, hängt wohl auch davon ab, ob der Leser MM erkennt.

Aber nochmal zum geläuterten Silbererz;

Soll da wirklich das Silber aus dem Stein bzw aus Schmutz und Schlacke gelöst werden? Oder ist das Silber selbst minderwertig? Mir fällt dazu auch die Redewendung "Treu wie Gold" ein.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#7
Hallo Zaunkönig,
nein, ich glaube nicht, dass das Silber selbst minderwertig ist, sondern dass - genau wie du es in deiner ersten Fassung hattest - das SilberERZ von Schlacke und Unreinheit befreit und geläutert werden soll. In der Beziehung lässt sich deine Erstversion an dieser Stelle wohl kaum verbessern. Hier steht meiner Meinung nach die Unreinheit im Vordergrund, nicht ein eigentlicher Ehebruch. Denn als Ehebrecherin in dem Sinne ist MM ja nicht zu betrachten, sondern nur als Dirne.

Du hast wohl Recht, dass MM nicht beim Namen genannt wird, aber die Szene ist wohl so bekannt und angesichts des groß geschriebenen His konnte Hartley wohl davon ausgehen, dass jeder auch nur halbgebildete Mensch seiner Zeit sie darin erkennen würde.
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#8
Zitat:Du hast wohl Recht, dass MM nicht beim Namen genannt wird, aber die Szene ist wohl so bekannt und angesichts des groß geschriebenen His konnte Hartley wohl davon ausgehen, dass jeder auch nur halbgebildete Mensch seiner Zeit sie darin erkennen würde.

Aber ist die Szene auch für heutige Leser bekannt genug? Und: wie viele können etwas mit der lateinischen Überschrift anfangen?

Sneaky hatte ja vorgeschlagen, sie auch ins Deutsche zu übersetzen "Weil sie so sehr liebte". Man könnte das Sonett aber auch einfach nach Maria Magdalena benennen.


LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#9
Hallo Zaunkönig,

da hast du wieder Recht. Wenn man es nach MM benennt, hat man den sichersten Weg gewählt. Die lateinische Überschrift ist wohl in der Tat für die meisten (mich auch) unverständlich.

Dabei erhebt sich natürlich immer die Frage, ob man ein älteres Sonett auch in die neue Zeit hinein "übersetzen" und damit modernisieren oder es in seiner nunmehr veralteten Form darstellen will, die ja damit authentischer ist. Das ist einfach eine Frage der Präferenz.
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#10
Hallo Silja,

Ich habe nichts dagegen, wenn jemand bei der Übersetzung alter Texte einen alten Wortschatz verwendet. Begriffe wie 'hold' oder 'hehr' sind nicht einfach aus der Mode gekommen, weil sie durch neue Worte ersetzt wurden, sondern repräsentieren ein anderes Lebensgefühl damaliger Zeit. Ein Text sollte aber verständlich bleiben, sowohl im Wort- als auch im Bilderschatz.

Notfalls könnte man das auch durch Fußnoten erreichen, aber gerade Poesie sollte nicht lange erklärt werden müssen. Es bleibt natürlich die Frage nach der Zielgruppe. Schreibe ich für Germanisten und Historiker? für das gemeine belesene Fußvolk? oer gar für Kinder?

Es bleibt wohl eine Einzelfallentscheidung.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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