Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Gekippter Blumenkübel
#1
Gekippter Blumenkübel

Der dünne Klee, der zwischen Gartenkraut
Vorfrühlingshaft die regennasse Erde,
In der er wuchs, mit trauriger Gebärde
Über den Kübelrand im Gras verstaut,

Als ob er mit dazu gehörte, spross
Zu gut gedüngt (sein Grünen ist sein Zeichen,
Dass neben ihm die schlecht Genährten weichen
Und er das Glück Vergessener genoss,

Die hinterm Haus, im kleinen Blumenbeet
Sich ordentlich in wild und zahm sortieren)
Und manchmal glaubt er sogar, dass er steht

Und während ihm die Wurzelenden frieren,
Die ersten Tage einer Zeit passieren,
Wenn wer sich traut und ihn beiseite dreht.
Zitieren
#2
Hallo Drehrassel,

Ein schöner Einstand.
Vor allem das erste Quartett ist dir sehr gut gelungen. Man glaubt, den Kübel vor sich zu sehen. Allein das 'Gartenkraut' ist mir etwas unspeziefisch.

Einige fachliche Fragen / Anmerkungen:

Warum dünner Klee?
Meinst du den aufgelockerten Wuchs z. B. von Sauerklee? oder den gestreckten Wuchs an schattigen Plätzen?
Klee ist eigentlich eine Pionierpflanze und kommt auch sehr gut an nährstoffarmen Standorten zurecht. Er ist also kein Zeichen für gute Düngung, sondern er verbessert selbst den Boden indem er Stickstoff in seinen Wurzeln einlagert. Und warum sind die anderen Blumen schlecht genährt, wenn der Klee zu gut gedüngt ist?
Aber das ist die Pedanterie eines Botanikers.
Die frierenden Wurzelenden gefallen mir wieder sehr gut.
Schleierhaft ist mir, was du mit den passierenden Tagen meinst. Welche Zeit? Diese Zeile hängt für mich etwas in der Luft.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
Zitieren
#3
Vielen lieben Dank für deinen so rasch erfolgten Kommentar, ZaunköniG...
"Einstand": Ja, ich habe mir etwas Zeit gelassen, verfolge deine Publikationen und Arbeiten hier im Archiv und anderswo mit großem Interesse und Sympathie. -
Die "Pedeanterie des Botanikers" allerdings ist es, worauf es mir im Besonderen ankam, ich danke dir also für deine Anmerkungen und Fragen, da ich dieses Sonett (es ist eines meiner älteren) bereits in anderen virtuellen Zusammenhängen zur allgemeinen Diskussion (oder auch einfach nur Genuss) bereit gestellt hatte.
Zunächst einmal schicke ich voraus, dass dies den Versuch einer sowohl narrativen als auch deskriptiven, implikativen Allegorie darstellt, der also die Indizien seiner Deutbarkeit allein auf textinterner Ebene streut. Daraus mag sich eine autoreflexive Vieldeutigkeit entwickelt haben, die ich zwar so und nur so angestrebte, deren suggestive Wirkung (durch Melos, Rhythmus, Syntax und so weiter) aber in einem hohen Spannungsverhältnis stehen zu dem scheinbar mimetischen Charakter ihrer Bildwelt. - Auf die Fragen und - berechtigten - kritischen Einwände, die du stellst und machst, habe ich also auf die Schnelle keine schlüssigen Antworten parat, die über den Hinweis hinausgingen, dass ich gerade eben mit bestimmten Paradoxien und unlogischen Schlüssen gespielt habe, sowohl in der Garammatik als auch der Metaphorik, um den sprachlichen Gestus, Symbolgehalt und den Wert dieser tradierten Form in ein kohärentes Verhältnis zueinander zu bringen...

Für deine Hinweise danke ich dir um so mehr, als dass ich hiermit bekenne, ein wenig sehr verliebt zu sein in die von Mallarmé geprägte Vorstellung eines "Wort-Klaviers", auf dem ich solange zu klimpern pflege, bis ich an einen Punkt gelange, an dem ich verstummen muss, weil sich seine poetische Aussagekraft im weiteren Verlauf durch Evokation zu vieler semantischer Bezüge erschlaffte...

Liebe Grüße,
Drehrassel
Zitieren
#4
Hallo Drehrassel,

Zitat:Zunächst einmal schicke ich voraus, dass dies den Versuch einer sowohl narrativen als auch deskriptiven, implikativen Allegorie darstellt, der also die Indizien seiner Deutbarkeit allein auf textinterner Ebene streut. Daraus mag sich eine autoreflexive Vieldeutigkeit entwickelt haben, die ich zwar so und nur so angestrebte, deren suggestive Wirkung (durch Melos, Rhythmus, Syntax und so weiter) aber in einem hohen Spannungsverhältnis stehen zu dem scheinbar mimetischen Charakter ihrer Bildwelt.

Ach ja, das Wort-Klavier! Bei solchen Fremdwortüberfrachteten Sätzen habe ich auch fast den Eindruck, daß du das Klavier mehr liebst, als die Musik KlavierSmile aber in deinem Sonett hast du ja eine eingängige Sprache gefunden.

Theorie ist zwar wichtig für die Praxis, allerdings denke ich da immer an einen Leitspruch meiner Lehrzeit (Ich habe als Florist ja auch ein Kunsthandwerk gelernt), nämlich, daß man Technik nicht sehen darf, d. h., daß sie als solche nicht erkennbar sein sollte.

Übertragen auf die Dichtung könnte man sagen, lieber ein semantischer Bezug, der nicht erkannt wird, als den Zeigefinger im Auge. Es ist für mich als Leser also auch nicht tragisch, wenn manche Fragen unbeantwortet bleiben.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
Zitieren
#5
du hast recht, zaunköniG, damit dass ich mich, gerade im hinblick darauf dass es sich dabei um meinen ersten kommentar handelt - und auch noch zu einem eigenen gedicht! - , mit meiner etwas hochgestochenen ausdrucksweise... ja... "ungelenk" angestellt habe. -
in meinen lyrischen texten selbst aber mühe ich um ein wohl dosiertes maß an fachausdrücken und fremdworten im allgemeinen.
einzig was die syntax betriff, denke ich, dass sie zwar aufgehen müsste in einen ungezwungen klingenden ton und eine irgendwie "ursprünglich" anmutende spachgestaltung, nichtsdestotrotz aber mit eben diesen auditiven eigenheiten/elementen in einem spannungsverhältnis stehen sollte zu einem kunstvoll arrangierten satz/vers-gefüge, welches sich zum beispiel im hypotaktischen stil offenbaren mag...

das, was du über das kunsthandwerk des floristen sagst und in analogie zur dichtung (oder allen gestaltenden disziplinen überhaupt) stellst, ist mir sehr sympathisch und hat mir zu denken gegeben.

nun werde ich - solange ich mich noch um die von dir aufgeworfenen fragen bezüglich bestimmter botanischer unschlüssigkeiten im "blumenkübel" kümmere - mich erstmal hier im forum genauer umsehen und vielleicht hier und da ein paar gedanken zu den texten anderer autoren "fallen lassen".

liebe grüße,
drehrassel
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste
Forenfarbe auswählen: